Jerry Falwell

US-amerikanischer fundamentalistisch-baptistischer Pfarrer und Fernsehprediger

Jerry Lamon Falwell (* 11. August 1933 in Lynchburg, Virginia; † 15. Mai 2007 ebenda) war ein US-amerikanischer baptistisch-fundamentalistischer Pastor und Fernsehprediger, der vor allem durch deutliche Unterstützung der Religiösen Rechten bekannt wurde. Er ist Gründer der Megachurch Thomas Road Baptist Church in Lynchburg, der Moral Majority, der Liberty University, des Elam Home für Männer mit Alkohol- und Drogenproblemen und des Liberty Godparent Home für Frauen, die wegen einer Schwangerschaft in Schwierigkeiten sind.

Jerry Falwell

Leben Bearbeiten

Jerry Falwell und sein Zwillingsbruder Gene wurden am 11. April 1933 in Fairview Heights in Lynchburg, Virginia, als Kinder von Helen Virginia (geborene Beasley) und Carey Hezekiah Falwell geboren.

Sein Vater, Carey H. Falwell, war ein extravaganter Unternehmer, der mit 22 Jahren sein erstes Lebensmittelgeschäft eröffnete. Bald betrieb er 17 Tankstellen, viele davon mit kleinen Restaurants und Geschäften. Er baute Öllagertanks, besaß eine Ölgesellschaft und gründete 1927 die American Bus Line, welche alte batteriebetriebene Filmprojektoren installierte, um den Fahrgästen Filme von Charlie Chaplin sowie Laurel und Hardy zu zeigen. Später wandte er sich dem Schmuggel von Alkohol und unzähligen anderen Unternehmen zu. Sein bekanntestes Geschäft war der Merry Garden Dance Hall and Dining Room hoch oben auf einem Hügel in Virginia, der zum Zentrum der Swing Society in Virginia wurde. Auch er lehnte (wie schon sein Vater zuvor) die Religion ab.[1]

Seine Mutter war zutiefst religiös und laut seiner Aussage in der Autobiografie Strength for the Journey diejenige Person, die „von Anfang an die Samen des Glaubens in ihn gepflanzt habe“.[1]

Er erklärte am Abend des 20. Januar 1952 in der Park Avenue Baptist Church in Lynchburg seine Annahme Christi und traf dabei seine zukünftige Frau, die Kirchenpianistin Macel Pate. Aus der Ehe mit ihr gingen die drei Kinder Jerry Jr., Jonathan und Jeannie hervor.[1]

Jerry Falwell gründete 1956 die Thomas Road Baptist Church, die zu Beginn der 1970er Jahre als die schnellstwachsende Kirche in den Vereinigten Staaten bezeichnet wurde und von anfänglich 35 Gottesdienstbesuchern auf 22.000 Mitglieder wuchs.[2]

Haltung zur Bürgerrechtsbewegung und zum Apartheidsregime in Südafrika Bearbeiten

Falwell lehnte die schwarze Bürgerrechtsbewegung der 1950er und 1960er Jahre ab. Über Martin Luther King sagte er:

“I do question the sincerity and nonviolent intentions of some civil rights leaders such as Dr. Martin Luther King, Jr., James L. Farmer, Jr., and others, who are known to have left wing associations.”

„Ich zweifle an der Aufrichtigkeit und den gewaltlosen Absichten einiger führender Bürgerrechtler wie Dr. Martin Luther King, Jr., James L. Farmer, Jr. und anderen, von denen man weiß, dass sie linke Verbindungen haben.“

Jerry Falwell[3]

Er vertrat 1965 die Ansicht, dass das Ende der Segregation das Ende der „weißen Rasse“ zur Folge hätte. Zur antirassistischen Gerichtsentscheidung „Brown vs. Board of Education“ sagte er 1958:

“If Chief Justice Warren and his associates had known God’s word and had desired to do the Lord’s will, I am quite confident that the 1954 decision would never had been made. The facilities should be separate. When God has drawn a line of distinction, we should not attempt to cross that line.”

„Wenn der oberste Richter Warren und seine Kollegen das Wort Gottes gekannt und den Wunsch gehabt hätten, den Willen des Herrn zu tun, bin ich überzeugt, dass die Entscheidung von 1954 nie getroffen worden wäre. Die [öffentlichen] Einrichtungen sollten getrennt sein. Wenn Gott eine Linie der Unterscheidung gezogen hat, sollten wir nicht versuchen, diese Linie zu übertreten.“

Jerry Falwell[4]

Diese Ansicht revidierte er später vollständig[5]. Die erste Taufe eines Afroamerikaners in Falwells Gemeinde erfolgte 1971.[6] Ebenso sprach Falwell sich für das Apartheidssystem in Südafrika aus.[7] In diesem Zusammenhang rief er seine Anhänger dazu auf, in südafrikanisches Gold zu investieren.[8]

Haltung zum Vietnamkrieg Bearbeiten

Falwell kritisierte im Zusammenhang mit dem Vietnamkrieg, dass die USA keinen totalen Krieg gegen Nordvietnam geführt hätten[9]. Der US-Präsident hätte als Diener Gottes das Recht alle Waffen einzusetzen, die den „Übeltätern Verderben und Vernichtung brächten“[10].

Haltung zur Gleichberechtigung von Frauen Bearbeiten

Falwell war der Auffassung, dass das Equal Rights Amendment, ein Verfassungszusatz, der die Gleichberechtigung von Frauen zum Ziel hatte, Frauen viele „Sonderrechte“ nehmen würde und daher abzulehnen sei. Der Feminismus sei die eigentliche Ursache von Scheidungen, weil Frauen nach „Selbstverwirklichung“ strebten. Falwell sagte dazu: „Wenn wir Frauen vom öffentlichen Leben ausschließen, ist das nicht, weil wir auf sie verzichten wollen, sondern weil wir ihnen ihre wesentliche Ehre zurückgeben möchten... Die herausragendste und höchste Berufung von Frauen ist immer als Frau und Mutter“[11].

The Clinton Chronicles Bearbeiten

1994 machte Falwell Werbung für eine Dokumentation namens The Clinton Chronicles: An Investigation into the Alleged Criminal Activities of Bill Clinton (dt.: Die Clinton Chroniken: Eine Untersuchung der mutmaßlichen kriminellen Aktivitäten von Bill Clinton). Falwell vertrieb dieses Video ebenfalls. Die Dokumentation behauptet, Clinton sei in eine Verschwörung zum Mord und Kokain-Schmuggel gemeinsam mit Vincent Foster, James McDougall und Ron Brown verwickelt. Die Theorie wurde widerrufen, das Video verkaufte sich dennoch mehr als 150.000 mal.[12]

Hinter den Urhebern des Videos steckte die Organisation „Citizens for Honest Government“, an die Jerry Falwell zwischen 1994 und 1995 US-$ 200.000 gezahlt hatte.[12] 1995 interviewte Citizens for Honest Government zwei State Trooper der Arkansas State Police, Roger Perry und Larry Patterson, hinsichtlich der Verschwörungstheorie.[12]

Falwells Werbung für das 80-Minuten-lange Video beinhaltete auch einen Ausschnitt, in dem Falwell einen unkenntlich gemachten „Journalisten“ zeigte, der behauptete, Angst um sein Leben zu haben.

Der Journalist warf Clinton vor, für die Ermordung zahlreicher Journalisten verantwortlich gewesen zu sein, die der Sache zu nahegekommen waren.

Es wurde später enthüllt, dass es sich bei dem „Journalisten“ um Patrick Matrisciana, den Produzenten des Videos und Präsidenten von „Citizens for Honest Government“, gehandelt habe.[12] Später distanzierte sich Falwell von der Echtheit des Videos. In einem Interview im Jahre 2005 für die Dokumentation „The Hunting of the President“, sagte Falwell: „Bis heute weiß ich nicht, ob die Vorwürfe, die in den ‚Clinton Chronicles‘ gemacht wurden, der Wahrheit entsprechen“.[13]

Weitere politische Ansichten Bearbeiten

Falwell forderte unter anderem die Umstellung des Schulsystems von einem öffentlichen System zu einem Gutscheinsystem für Eltern, wobei er eine Übernahme des kompletten Schulsystems durch christliche Gemeinschaften erhoffte. Er galt als Unterstützer Präsident Bushs. Die Terroranschläge am 11. September 2001 bezichtigte er Homosexuelle, Abtreibungsbefürworter, Feministinnen, die American Civil Liberties Union, People for the American Way und alle säkularen Amerikaner einer Mitschuld an den Angriffen: „Ihr habt dazu beigetragen, dass dies geschehen konnte“. Dieser Vorwurf trug ihm scharfe Kritik auch seitens Bush ein.[14]

Falwell bestritt außerdem die globale Erwärmung und berief sich dabei auf Klimawandelleugner wie Fred Singer und Bjørn Lomborg. Die Warnungen vor dem Klimawandel hielt er für ein satanisches Ablenkungsmanöver, welches Christen von der Verkündigung des Evangeliums abhalten solle.[6] Über Gewerkschaften sagte er, diese sollten aufhören, mehr Geld zu verlangen und stattdessen die Bibel studieren.[15] 1999 spekulierte Falwell, dass der Antichrist möglicherweise auf der Erde weilen würde und ein Jude sei.[16] 2006 berichtete die Jerusalem Post, dass Falwell sich der theologischen Position angeschlossen hätte, dass Juden aufgrund des Bundes zwischen Mose und Gott nach ihrem Tod automatisch ins Paradies gelangen würden. Falwell erwirkte eine Gegendarstellung, in der er betonte, dass allen Juden, die sich nicht ausdrücklich zu Jesus Christus bekennen, die Hölle drohe.

Falwell war Unterstützter des guatemaltekischen Politikers und Diktators Efraín Ríos Montt.[17]

Falwell war Anhänger des christlichen Zionismus, er lehnte Scharons einseitigen Abkoppelungsplan ab und kritisierte George Bush, weil dieser 2002 Israel dazu aufgefordert hatte, seine Panzer aus den palästinensischen Städten abzuziehen.[18]

Falwell kritisierte weiterhin die Fernsehserie Teletubbies, da seiner Ansicht nach die Figur Tinky-Winky homosexuell sei, da sie rosa sei, eine Handtasche und das Symbol der Gay-Pride-Bewegung auf dem Kopf trage. Diese Homosexualität würde die Kinder verderben (tatsächlich ist die Figur lila).[7]

Rechtsstreit mit dem Hustler Bearbeiten

In der November-Ausgabe des Jahres 1983 brachte der Hustler eine Parodie über Falwell. Das Magazin ahmte eine Werbung von Campari nach, in der Prominente über ihren ersten Campari berichten. Der Fernsehprediger sprach in einem gefälschten Interview über „sein erstes Mal“: Angeblich hatte er Inzest mit seiner Mutter in einem Toilettenhäuschen, während er betrunken war. Jerry Falwell verklagte daraufhin das Magazin wegen psychischer Belastungen auf 45 Millionen US-Dollar Schadenersatz. Larry Flynt, der Herausgeber des Magazins, wehrte sich gegen die Klage. Schließlich entschied am 24. Februar 1988 der Oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten für Flynt und den Hustler.[19] Das Urteil wurde damit begründet, dass der erste Zusatzartikel und die darin garantierte Meinungsfreiheit wichtiger seien als der vermeintliche Schaden, den öffentliche Personen durch psychischen Stress infolge von Parodien hätten.

Rechtsstreit mit Jerry Sloan Bearbeiten

1984 hatte Falwell die homosexuellenfreundliche Metropolitan Community Church als „bestialisch“ und „satanisch“ bezeichnet. Diese Kirche werde eines Tages „ausgelöscht“ werden und im Himmel gäbe es dann ein Fest.[20] Jerry Sloan verklagte ihn auf Zahlung von 5.000 Dollar, die Sacramentos erstem „Homosexuellen Gemeinschaftszentrum“ gespendet wurden.[21] Falwell legte dagegen erfolglos Rechtsmittel ein.

Prophezeiung und Ableben Bearbeiten

Wenige Jahre vor seinem Tod prophezeite Jerry Falwell, dass das Ende der Welt bevorstehe und er selbst die Wiederkehr des Herrn noch erleben werde.[22] Am 15. Mai 2007 verstarb der Fernsehprediger aufgrund von Herzrhythmusstörungen im Alter von 73 Jahren in Lynchburg, Virginia.

Kritik an Falwell Bearbeiten

Falwell war bereits zu Lebzeiten sehr umstritten und galt als ein politisches Angriffsziel der Demokraten in den Vereinigten Staaten. Aber auch unter den Republikanern wurde Falwell massiv kritisiert. Barry Goldwater, der republikanische Präsidentschaftskandidat 1964, äußerte über Falwell: “Every good Christian should line up and kick Jerry Falwell’s ass.[23]

Falwells später zurückgenommene Ansicht, die Opfer der Anschläge vom 11. September 2001 hätten ihr Schicksal „möglicherweise verdient“, wurde von dem Publizisten Christopher Hitchens als Landesverrat (“treason”) bezeichnet.[24]

Bücher Bearbeiten

  • Church Aflame. Impact, 1971.
  • Capturing a Town for Christ. Revell, 1973.
  • Liberty Bible Commentary on the New Testament. Thomas Nelson, 1978.
  • Listen, America! Doubleday, 1980.
  • The Fundamentalist Phenomenon. Doubleday, 1981.
  • Finding Inner Peace and Strength. Doubleday, 1982.
  • Liberty Bible Commentary. Thomas Nelson, 1982.
  • When it Hurts Too Much to Cry. Tyndale House, 1984.
  • Wisdom for Living. Victor Books, 1984.
  • Stepping Out on Faith. Tyndale House, 1984.
  • Champions for God. Victor Books, 1985.
  • If I Should Die Before I Wake. Thomas Nelson, 1986.
  • The Fundamentalist Phenomenon/the Resurgence of Conservative Christianity. Baker Book House, 1986.
  • Strength for the Journey. Simon & Schuster, 1987.
  • The New American Family. Word, 1992.
  • Falwell: An Autobiography. Liberty House, 1997. (Ghost written by Mel White [1])
  • Fasting Can Change Your Life. Regal, 1998.
  • Achieving Your Dreams. World Publishers, 2006.
  • Building Churches of Dynamic Faith: A Five-Session Study Guide. World Publishers, 2006.
  • Dynamic Faith Journal. World Publishers, 2006.

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. a b c Applebome, Peter: Jerry Falwell, leading religious conservative, dies at 73 (Memento des Originals vom 30. Juni 2017 im Internet Archive) In: The New York Times, 15. Mai 2007 
  2. Thomas Road Baptist Church: History, Stand: 2006 (Memento vom 1. August 2008 im Internet Archive)
  3. James M. Washington: A Testament of Hope: the essential writings of Martin Luther King. HarperCollins, San Francisco 1990, ISBN 0-06-064691-8 (englisch).
  4. Max Blumenthal: Agent of Intolerance. In: The Nation. 16. Mai 2007, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 18. Mai 2007; abgerufen am 7. November 2010.
  5. Falwell und die Bürgerrechtsbewegung" http://hpd.de/node/13062/seite/0/1
  6. a b Christopher Reed: The Rev Jerry Falwell | Media. In: theguardian.com. 17. Mai 2007, abgerufen am 5. Februar 2024 (englisch).
  7. a b Jerry Falwell in der Notable Names Database (englisch, abgerufen am 16. Februar 2021)
  8. https://content.time.com/time/magazine/article/0,9171,959697,00.html
  9. Falwell, Listen, America!, 85.
  10. Falwell, Listen, America!, 98.
  11. Michele Swenson: Democracy Under Assault: TheoPolitics, Incivility and Violence on the Right. Sol Venture Press, Denver 2004, ISBN 978-0-9766788-0-9, S. 172f.
  12. a b c d The Falwell connection (Memento vom 4. September 2011 im Internet Archive) by Murray Waas Salon.com
  13. The Hunting of the President (DVD) 2005
  14. Jill Lepore: Diese Wahrheiten: Eine Geschichte der Vereinigten Staaten von Amerika. C.H.Beck, München 2019, ISBN 978-3-406-73989-7, S. 881.
  15. wörtlich: Labor unions should study and read the Bible instead of asking for more money, zitiert nach TITEL-Kulturmagazin (https://titel-kulturmagazin.net/2010/11/29/trennt-die-gruenschnabel-spreu-vom-profi-weizen/)
  16. Chip Berlet/Matthew N. Lyons: Right-Wing Populism in America: Too Close for Comfort, Guilford Press, New York 2000, S. 323f und S. 406.
  17. http://www.dailykos.com/story/2007/05/15/334999/-Jerry-Falwell-friend-of-Efrain-Rios-Montt
  18. http://www.cbsnews.com/stories/2002/10/03/60minutes/main524268.shtml
  19. Hustler Magazine, Inc. et al. v. Jerry Falwell, 485 U.S. 46
  20. Katy Burns: Jerry Falwell's greatest hates. Archiviert vom Original am 27. September 2007; abgerufen am 18. Mai 2007.
  21. About Us: Lambda Community Fund (Memento vom 25. Januar 2008 im Internet Archive)
  22. Tagesschau.de, 16. Mai 2007 (Memento vom 16. September 2008 im Internet Archive)
  23. Guardian: God moves to the left
  24. Christopher Hitchens and Ralph Reed Square Off over Late Leader's Influence; the Christian Right.” May 17, 2007. FOX News. Abgerufen am 23. Juni 2009.

Weblinks Bearbeiten