Jakob Einstein

deutscher Pionier der Elektrotechnik

Jakob Einstein (* 25. November 1850 in Buchau, Königreich Württemberg; † 8. September 1912 in Mailand) war ein deutscher Pionier der Elektrotechnik.

Ausbildung Bearbeiten

Jakob Einstein war ein Onkel des Physikprofessors Albert Einstein. Er wuchs in der jüdischen Gemeinde in Buchau in Oberschwaben auf. Sein Vater Abraham Einstein kam dort als Textilkaufmann mit dem Schwerpunkt Konfektions-Damenmäntel zu Wohlstand. Ende der 1860er Jahre übersiedelte die Familie nach Ulm. Noch von Buchau aus schickte der Vater Jakob Einstein nach Stuttgart, wo er die Realschule mit dem „Einjährigen“ abschloss. Dort besuchte er die Polytechnische Schule und schloss als Ingenieur ab.[1]: S. 60 Am Deutsch-Französischen Krieg nahm er als Pioniersoldat teil.

Wirken Bearbeiten

1876 gründete Jakob Einstein in München eine eigene Firma für Wasser- und Gasinstallationen. 1880 überzeugte er seinen älteren Bruder Hermann Einstein, den Vater Albert Einsteins, davon, Teilhaber an der Firma zu werden und im Juni 1880 nach München zu ziehen. Die Brüder wohnten nahe dem Sendlinger Tor. Sie verlegten sich zunehmend auf elektrotechnische Installationen.[2]: S. 21 Einstein & Cie betrieb eine Fabrik für elektrische Geräte und befasste sich mit der Herstellung von Dynamos, Bogenlampen, Strommessgeräten und ähnlichen.[3] Weiterhin erzeugten sie Gleichstrom, um diesen für die damals neue elektrische Beleuchtung von Straßen, Gewerbestätten, Wirtshäusern und Bierzelten zu verwenden. Die Fabrik der Einsteins befand sich in der Lindwurmstraße 127 in München. Das Gebäude wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört; heute steht dort ein Gebäude der Münchner Volkshochschule.[2]: S. 22 Die Brüder Einstein wohnten im Haus Adlzreiterstraße 14 in München.[1]: S. 78 Jakob Einstein war der innovative Kopf der Firma.[2]: S. 47 1882 beteiligte sich das Unternehmen an der Internationalen Elektrizitätsausstellung in München, wo es eine Telefonanlage mit zwölf Linien vorstellte.[4]

Die Einsteins elektrifizierten 1885/1888 das Oktoberfest und nach einer kommunalen Ausschreibung 1889 die Straßen in Schwabing, die zur Salvatorbrauerei führten.[2]: S. 41[5] Ihre Glühlampen bezogen sie von der AEG. Zu den Kunden zählten unter anderem die Brauerei Pschorr und das Klinikum rechts der Isar.

Jacob Einstein wurden sieben Patente zugesprochen.[6] In den damals führenden Fachzeitschriften, insbesondere in der französischen Zeitschrift Lumière électrique, wird der Name des Patentinhabers mehrfach erwähnt,[7] aber auch in der deutschen Elektrotechnischen Zeitschrift oder der italienischen Zeitschrift Elettricità.[6] 1891 war Einsteins Firma wichtig genug, um mit zwanzig anderen Firmen an der Internationalen Elektrotechnischen Ausstellung in Frankfurt am Main teilzunehmen. Auf der Ausstellung präsentierte das Unternehmen einen Dynamo nach eigenem Entwurf (von Jakob Einstein in Zusammenarbeit mit anderen Erfindern), mehrere Bogenlampen und einen Integrierenden Ah-Coulomb-Stromzähler (den Jakob Einstein gemeinsam mit Sebastian Kornprobst patentiert hatte).[8][9] 2005 wurden in der Einstein-Ausstellung des Deutschen Museums München Produkte der Elektrotechnischen Fabrik J. Einstein & Cie. gezeigt, darunter dieser Stromzähler mit zugehöriger Patentschrift.[10]

Konkurrenzunternehmen wie Siemens & Halske und die AEG spezialisierten sich auf den moderneren Wechselstrom und eroberten ab 1890 zunehmend Marktanteile. Die Einsteins setzten weiterhin auf Gleichstrom. Um einer Insolvenz zuvorzukommen, verlagerten Jakob und Hermann Einstein ihr Geschäft 1894 nach Italien,[1]: S. 78 wo sie schon zwei Städte zentral mit Strom versorgten.[9] Dort errichteten sie zusammen mit dem italienischen Teilhaber Lorenzo Garrone eine elektrotechnische Fabrik in Pavia, die allerdings bereits 1896 bankrottging.[1]: S. 78f. Gelegentlich hat der junge 17-jährige Albert Einstein im Konstruktionsbüro seines Onkels Jakob in der Fabrik in Pavia mitgearbeitet. Jakob Einstein sagte einmal zu einem seiner Gehilfen: „Wissen Sie, das ist schon fabelhaft mit meinem Neffen, wo ich und meine Hilfsingenieure uns tagelang den Kopf zerbrechen, da hat der junge Kerl in einer knappen Viertelstunde das Ganze heraus gehabt. Aus dem wird noch mal was.“[2]: S. 47f.

Danach war Jakob Einstein von 1896 bis 1899 in Lecce in Apulien als technischer Direktor angestellt. Dort wurde die elektrische Straßenbahn von Lecce zum Küstenort San Cataldo an der Adria von Arthur Koppel im Konsortium mit Giuseppe Pellegrino projektiert, gebaut und seit 1899 betrieben.[11] Ab 1906 war Jakob Einstein als Direktor der Elektra Apparatenbau-Gesellschaft m.b.H. in Wien tätig,[1]: S. 79 die Hermann Aron betrieb und die kurz darauf bereits 1000 Mitarbeiter hatte.[9] Einstein hatte dort aber nicht die Prokura.

Todesanzeigen der Firma und seiner erwachsenen Kinder belegen, dass Jakob Einstein am 8. September 1912 in Mailand im Alter von 61 Jahren hochgeehrt starb.[1]: S. 79 Am 10. September 1912 wurde er auf dem Wiener Zentralfriedhof beerdigt.

Familie, Kinder Bearbeiten

Jakob Einstein heiratete die Münchnerin Ida Einstein, die offenbar nicht mit den Buchauer Einsteins verwandt war. Die Ehe wurde 1909 geschieden. Ida heiratete 1913 erneut und lebte fortan in Osnabrück.[1]: S. 79 Zwei Kinder entstammten dieser Ehe, Robert (1884–1945) und Edith (1888–1960). Edith Einstein schloss 1922 in Zürich ihr Mathematikstudium mit der Promotion zur Dr. rer. nat. ab. Dabei half ihr ihr berühmter Cousin Albert Einstein, indem er ihr für ihre Dissertation das Thema Zur Theorie des Radiometers vorschlug[12][13] und ihr schließlich zum Erfolg verhalf.[14]

Robert(o) Einstein war Elektrotechniker. Wo er studierte, ist bisher nicht ermittelt. Er heiratete 1913 in Genua Cesarina „Nina“ Mazzetti aus Bergamo. Der Ehe entstammten zwei Töchter, Anna Maria († 1944) und Luce (1917–1944).[1]: S. 234 Robert Einstein lebte mit seiner Familie während des Ersten Weltkriegs in München, später in Rom, danach in Rignano sull’Arno. Am 3. August 1944 ermordeten Soldaten der deutschen Wehrmacht in Rignano seine Ehefrau „Nina“ und die beiden Töchter. Das Motiv für die Tat waren Antisemitismus und der Hass auf Albert Einstein und seine jüdischen Verwandten. Robert(o) Einstein versteckte sich derweil im Wald. Er konnte den Verlust seiner Liebsten nicht ertragen. Weil die Mörder nicht zur Rechenschaft gezogen wurden, beging er am 3. Juli 1945 in Florenz Suizid. Vorher verabschiedete er sich in Briefen, darunter auch bei Albert Einstein.[1]: S. 191

Literatur Bearbeiten

  • Alto Brachner/Gerhard Hartl/Christian Sichau (Hg.): Albert Einstein und die Physik des 20. Jahrhunderts. Deutsches Museum München 2005
  • Nicolaus Hettler: Die Elektrotechnische Firma J. Einstein & Cie in München 1876 bis 1894: eine Firmengeschichte. Universität Stuttgart: Dissertation 1996 (gedruckt München: GRIN Verlag 2003).
  • Albrecht Fölsing: Albert Einstein. Eine Biographie. Frankfurt a. M. 1993.
  • Jürgen Neffe: Albert Einstein. Eine Biographie. Reinbek bei Hamburg 2005.
  • Christof Rieber: Albert Einstein. Biografie eines Nonkonformisten. Ostfildern 2018.

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. a b c d e f g h i Christof Rieber: Albert Einstein. Biografie eines Nonkonformisten. Ostfildern 2018.
  2. a b c d e Albrecht Fölsing: Albert Einstein. Eine Biographie. Frankfurt a. M. 1993.
  3. Christoph von Mettenheim Albert Einstein oder: Der Irrtum eines Jahrhunderts 2009, S. 223
  4. Die Einsteins in München: Eine elektrifizierte Stadt. MenschEinstein, abgerufen am 31. Dezember 2021.
  5. Konrad Kleinknecht Einstein und Heisenberg: Begründer der modernen Physik Urban-Taschenbücher 2019, S. 21
  6. a b vgl. Christian Bracco: L’environnement scientifique du jeune Albert Einstein: La période milanaise (1899-1901). In: Revue d'histoire des sciences. Band 68, Nr. 1, 2015, S. 109–144.
  7. Laut Bracco beschreibt etwa Gustave Richard in seinem Artikel Les lampes à arc in Lumière électrique unter anderem Jakob Einsteins System der Differentiallampe detailliert und widmet ihm eine Tafel mit Abbildungen und einen Kommentar.
  8. Lewis Pyenson Audacious Enterprise: The Einsteins and Electrotechnology in Late Nineteenth-century Munich. Historical Studies in the Physical Sciences 12 (2) (1982): 373–392.
  9. a b c Shaul Katzir: From academic physics to invention and industry: the course of Hermann Aron’s (1845–1913) career. MPI für Wissenschaftsgeschichte Preprint 370 (2009), S. 28
  10. Alto Brachner/Gerhard Hartl/Christian Sichau (Hg.): Albert Einstein und die Physik des 20. Jahrhunderts. Deutsches Museum München 2005, S. 41.
  11. Cronologia tramvia elettrica
  12. Dissertation online
  13. Albert Einstein an Pauline Einstein, 7. August 1919. In: CPAE Vol. 9, Doc. 86, S. 128 f.
  14. Albert Einstein an Elsa Einstein, 12. November 1921. In: CPAE Vol. 12, Doc. 296, S. 344 f.