Jakob Bleyer

ungarndeutscher Literaturwissenschaftler und Politiker

Jakob Bleyer (* 25. Januar 1874 in Tscheb/Dunacséb, Königreich Ungarn, Österreich-Ungarn (heute Čelarevo, Serbien); † 5. Dezember 1933 in Budapest) war ein ungarischer Germanist, Literaturwissenschaftler und Abgeordneter ungarndeutscher Herkunft und in den Jahren 1919 bis 1920 ungarischer Minister für nationale Minderheiten.

Jakob Bleyer

Herkunft und Ausbildung Bearbeiten

Jakob Bleyer wurde als Kind einer deutschsprachigen Bauernfamilie am 25. Januar 1874 in Tscheb in der Batschka geboren. Nach Besuch einer deutschen Volksschule war er am ungarischen Gymnasium in Neusatz und am Jesuitengymnasium in Kalocsa. Er studierte Germanistik und ungarische Philologie an der Universität Budapest. 1897 promovierte er mit der Arbeit „Ungarische Beziehungen der deutschen historischen Volkslieder bis 1551“ und wurde im gleichen Jahr Gymnasiallehrer in Budapest und Ödenburg/Sopron.

Literaturwissenschaftler Bearbeiten

In den Jahren 1903 und 1904 studierte Bleyer in München und Leipzig. Er habilitierte sich im Jahre 1905 und wurde anschließend Privatdozent an der Budapester Universität. 1908 wurde er als Professor für deutsche Sprache und Literatur an die Universität Klausenburg berufen. In den Jahren 1911 bis 1919 und erneut ab 1921 hielt er den Lehrstuhl für Germanistik an der Universität Budapest.

Zwischen 1902 und 1913 veröffentlichte er grundlegende literaturhistorische Arbeiten über deutsch-ungarische Bezüge (siehe Werkeverzeichnis). Er war seit 1910 korrespondierendes Mitglied der ungarischen Akademie der Wissenschaften. 1926 wurde er Senator der Deutschen Akademie in München sowie Ehrensenator und Ehrendoktor der Universität Tübingen.

In mehreren deutschen Städten wurden Straßen nach ihm benannt, darunter in Gerlingen, Haßmersheim, München[1], Pocking und Schwäbisch Gmünd.

Politische Tätigkeiten Bearbeiten

In den Jahren von 1920 bis 1926 gehörte Bleyer einem neu gegründeten deutschsprachigen Volksrat an, der durch die Aufrufe Karl I. als Versuch, die Habsburger Monarchie zu retten, gegründet worden war. Von 1926 bis zu seinem Tode war er Abgeordneter des Ungarischen Parlaments. Zwischen dem 15. August 1919 und dem 16. Dezember 1920 war Bleyer Minister für nationale Minderheiten (Nationalitätenminister) der christlich-national orientierten Regierungen. Am 21. August 1919 erließ er die Verordnung betreffend die Gleichberechtigung der nationalen Minderheiten, die diesen Minderheiten eine sprachliche-kulturelle Autonomie zusichern sollte. Dabei legte er besonderen Fokus auf die ländliche Bevölkerung und das deutschsprachige Analphabetentum.

Bleyer befürchtete durch die zunehmende Magyarisierung eine „Verwahrlosung der deutschsprachigen Minderheiten auf dem Land“, da sich diese seiner Auffassung nach wegen ihrer geringen Bildung sprachlich nicht assimilieren konnten. Er setzte sich vor allem für Volksschulen für die Minderheiten ein, für die deutschsprachigen Eliten hielt er eine allmähliche sprachliche Assimilierung für unvermeidlich, lehnte aber eine staatlich verordnete Zwangsassimilierung ab, ebenso wie eine Einmischung des Deutschen Reiches in die ungarische Minderheitenpolitik.[2] Bleyer war politisch für ein unabhängiges madjarisch geführtes Königreich. Er betonte in Reden und Aufsätzen, dass er die ungarische Suprematie befürworte und forderte nicht, im Gegensatz zu anderen deutschen Volksräten Ungarns wie Rudolf Brandsch, eine „östliche Schweiz“ mit mehreren Amtssprachen.[3]

Im Januar 1921 gründete er das „Sonntagsblatt für das deutsche Volk in Ungarn“, am 15. Juli 1923 den „Ungarländischen Deutschen Volksbildungsverein“ sowie im Jahre 1929 die „Deutsch-Ungarischen Heimatblätter“. Bleyer war Mitherausgeber des Philologischen Universal-Anzeigers. Als ständiger Delegierter vertrat er von 1925 bis zu seinem Tode 1933 die ungarndeutsche Minderheit im Europäischen Nationalitätenkongress, in welchem er ein gutes Verhältnis zu deutschen und jüdischen Vertretern pflegte.[4]

Schriften Bearbeiten

 
Bleyers Grab in Budapest auf dem Új köztemető : 22/1-1-203
  • Von der Erforschung des deutschen Kultureinflusses im südöstlichen Europa. In: Zs. Deutsche Rundschau. 53. Jg., Nov. 1926, S. 123–133.
  • Beheim Mihály élete és müvei (=Leben und Werke Michael Beheims). Budapest 1902.
  • Die germanischen Elemente der ungarischen Hunnensage (Habilitationsschrift).
  • Gottsched hazánkban (=Gottsched in Ungarn). Budapest 1909.
  • Friedrich Schlegel am Bundestag in Frankfurt. München 1913.
  • Das Deutschtum in Rumpfungarn. Budapest 1928.

Literatur Bearbeiten

  • Bleyer Jakob. In: Österreichisches Biographisches Lexikon 1815–1950 (ÖBL). Band 1, Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 1957, S. 93.
  • Márta Fata: Jakob Bleyer: politischer Vertreter der deutschen Minderheit in Ungarn (1917–1933). Magánk., Budapest 1991 (Freiburg i.Br., Univ., Diss., 1991), ISBN 963-400-810-0.
  • Anton Treszl: Die politische Struktur des ungarländischen Deutschtums. In: ders.: Wer ist wer? Erstes ungarndeutsches Biographielexikon. Selbstverlag, Bous 1993.
  • Eszter Kiséry: Jakob Bleyers Wien-These. In: Trans. Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften. Nr. 3, März 1998 (online).
  • Fritz Valjavec: Bleyer, Jakob. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 2, Duncker & Humblot, Berlin 1955, ISBN 3-428-00183-4, S. 302 f. (Digitalisat).
  • Fritz Wertheimer: Von deutschen Parteien und Parteiführern im Ausland. 2. Auflage. Zentral-Verlag, Berlin 1930, S. 209f.

Weblinks Bearbeiten

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Hans Dollinger: Die Münchner Straßennamen. 6., aktualisierte Auflage. München, ISBN 978-3-517-08370-4.
  2. Norbert Spannenberger: Der Volksbund der Deutschen in Ungarn 1938–1944 unter Horthy und Hitler (= Schriften des Bundesinstituts für Kultur und Geschichte der Deutschen im Östlichen Europa. Band 22). Oldenbourg, München 2002, ISBN 3-486-56710-1, S. 16.
  3. Karl Bosl (Hrsg.), Egbert Jahn: Die erste Tschechoslowakische Republik als multinationaler Parteienstaat. München. 1977. S. 206
  4. Dan Diner: Enzyklopädie jüdischer Geschichte und Kultur: Band 2: Co–Ha. Springer-Verlag, 2016, S. 286.