Der Term Inseratenkorruption bezeichnet in Österreich den Zusammenhang zwischen Inseraten und Werbung in einem Medium durch die Politik und der positiven Berichterstattung über die Politik in diesem Medium. Das Wort war 2021 Kandidat für das Österreichische Wort des Jahres.[1]

Definition Bearbeiten

Inseratenkorruption wird zwischen Wirtschaftsförderung und Medienmanipulation eingeordnet.[2]

Im Zuge der Ermittlungen in der ÖVP-Korruptionsaffäre wurde Inseratenkorruption in einem Amtsvermerk durch die österreichische Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft als die „direkte Relation der quantitativen und qualitativ positiven Berichterstattung (meist) in Boulevardmedien mit dem Volumen der Inseratenbeauftragung durch Politiker*innen“ bezeichnet.[3][4]

Finanzielle Bedeutung von Inseraten Bearbeiten

Aufgrund sich ändernder wirtschaftlicher Parameter sind österreichische Medien zunehmend wirtschaftlich abhängig von Werbeschaltungen durch öffentliche Institutionen. Der dadurch steigende wirtschaftliche Druck ist die Grundlage für Inseratenkorruption.[5] Die Größenordnung fasst Andy Kaltenbrunner in der Studie Scheinbar transparent II wie folgt zusammen:[6]

„Die große Bedeutung des Steuermitteleinsatzes in den Tageszeitungen lässt sich aber schon in einfachen Gegenüberstellungen feststellen: Bei praktisch allen Zeitungsverlagen ist der von uns aus Inseraten und Förderungen berechnete Erlös höher als die zuletzt für 2018 und 2019 ausgewiesenen Gewinne ihrer Verlage.“

Bei den Gratiszeitungen Heute und Österreich wird der Anteil öffentlicher Inserate am Umsatz auf 20–40 % geschätzt, beim Standard auf 15 % und bei Zeitungen aus dem Mediaprint-Verlag auf etwas über 10 %.[6]

Kritik Bearbeiten

Inseratenkorruption stand bereits mehrfach im Mittelpunkt österreichischer Untersuchungsausschüsse.[7] Auch international wird die österreichische Inseratenkorruption wahrgenommen und kritisiert.[8][9][10] Inseratenkorruption ist einer der genannten Gründe für den Abstieg Österreichs in der Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen vom 17. Platz 2021 auf den 31. Platz 2022.[11][12]

Das Ende der Inseratenkorruption war eines von fünf Kernforderungen des Rechtsstaat- und Antikorruptionsvolksbegehrens.[13] Darüber hinaus stand das Thema im Mittelpunkt einer Petition der Plattform Aufstehn.[14]

Verschiedene österreichische Medien und Politiker fordern Maßnahmen um Inseratenkorruption zu verhindern. Dazu gehören u. a. eine neue Ausrichtung der Medienförderung, eine Beschränkung der Regierungsausgaben für Inserate, einheitliche Qualitätskriterien für letztere oder auch die strikte Trennung von Geschäftsführung und Redaktion in österreichischen Zeitungen.[15][16]

Im Herbst 2023 übte der Rechnungshof (RH) Kritik an der Inseratenpolitik der Regierungen.[17] Zum Welt-Antikorruptionstag 2023 kritisierte NEOS-Abgeordnete Stephanie Krisper, dass es keine Höchstgrenzen für Regierungsinserate gebe.

Beispiele Bearbeiten

Dem ehemaligen österreichischen Bundeskanzler Werner Faymann wurde eine ausgeprägte Nähe zum Boulevard attestiert. Für seine Ausgaben für Zeitungswerbung wurde er regelmäßig kritisiert.[5][18] Ein Ermittlungsverfahren gegen ihn und den ehemaligen österreichischen Staatssekretär Josef Ostermayer, das durch eine Anzeige der FPÖ initiiert wurde, wurde 2013 eingestellt.[19] Der ehemalige grüne Abgeordnete Peter Pilz bezeichnete Faymann als „Erfinder der Inseratenkorruption“.[20]

Unter den Bundesregierungen Kurz I und Kurz II klagten mehrere Journalisten und Verleger öffentlich über den Druck, der auf sie ausgeübt wurde, darunter Horst Pirker oder Thomas Schrems.[5] Auch die Stadt Wien wird regelmäßig für ihre Medienpolitik und ihre Ausgaben für Werbeeinschaltungen kritisiert, insbesondere im Zusammenhang mit Wahlkämpfen.[21]

Wolfgang Fellner, der Herausgeber der Gratiszeitung Österreich, wird immer wieder dafür kritisiert, Druck auf politische Amtsträger für die Schaltung von Werbeanzeigen auszuüben. Diese Vorgehensweise wurde u. a. von Christian Kern, Reinhold Mitterlehner und Karin Kneissl öffentlich angeprangert.[22]

Verwandte Themen Bearbeiten

Weblinks Bearbeiten

Der österreichische Demokratieindex

Demokratie-Index

Andy Kaltenbrunner: Scheinbar transparent. Inserate und Presseförderung der österreichischen Bundesregierung. Delta X Verlag, Wien 2021, ISBN 978-3-903229-33-4.

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Wort des Jahres 2021. In: oewort - das österreichische Wort des Jahres. Gesellschaft für Österreichisches Deutsch (GSÖD), abgerufen am 18. Juni 2022 (österreichisches Deutsch).
  2. Wolfgang Vichtl: Kanzler Kurz und die "Inseratenkorruption". In: BR24. Bayerischer Rundfunk, 8. Oktober 2021, abgerufen am 18. Juni 2022.
  3. Daniel Bischof, Martin Tschiderer: Ermittlungen - Kanzler Kurz im Inseratenstrudel. In: Wiener Zeitung. Wiener Zeitung GmbH, 6. Oktober 2021, abgerufen am 18. Juni 2022 (österreichisches Deutsch).
  4. Zentrale Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftssachen und Korruption: Amtsvermerk bezüglich Hinweise auf käufliche Berichterstattung. In: Dossier. Dossier GmbH, 1. September 2021, abgerufen am 18. Juni 2022.
  5. a b c Das böse Wort Inseratenkorruption. In: oe1.orf.at. Österreichischer Rundfunk, 2. August 2021, abgerufen am 18. Juni 2022 (österreichisches Deutsch).
  6. a b Andy Kaltenbrunner: Scheinbar transparent II. Eine Analyse der Inserate der Bundesregierung in Österreichs Tageszeitungen und der Presse- und Rundfunkförderung im Pandemiejahr 2020. In: Medienhaus Wien. Medienhaus Wien, 2. Juli 2021, abgerufen am 18. Juni 2022 (österreichisches Deutsch).
  7. U-Ausschuss zu Korruption: Nächste Runde. In: oe1.orf.at. Österreichischer Rundfunk, 8. April 2017, abgerufen am 18. Juni 2022.
  8. Alexander Fanta: EU-Kommission will Transparenz bei Staatsgeld für Medien. In: netzpolitik.org. netzpolitik.org e.V., 22. Dezember 2021, abgerufen am 18. Juni 2022.
  9. Stephan Ozsváth: Einfluss auf österreichische Medien - "Wir sind schon am Weg nach Budapest". In: deutschlandfunk.de. Deutschlandradio, 15. Juli 2021, abgerufen am 18. Juni 2022.
  10. Isabelle Klein: Österreich - Indirekte Medienförderung als Einfallstor für Korruption? In: deutschlandfunk.de. Deutschlandradio, 11. Oktober 2021, abgerufen am 18. Juni 2022.
  11. Wolfgang Vichtl: Pressefreiheit in Österreich - "Diesen Absturz kann man nicht mehr schönreden". In: tagesschau.de. Norddeutscher Rundfunk, 3. Mai 2022, abgerufen am 18. Juni 2022.
  12. Country Profile - Austria. In: Reporters without Borders. Reporters without Borders, abgerufen am 18. Juni 2022 (englisch).
  13. Der Inhalt. In: antikorruptionsbegehren.at. Abgerufen am 18. Juni 2022 (österreichisches Deutsch).
  14. Schluss mit der Inseratenkorruption – für eine neue Medienförderung! In: aufstehn.at. Aufstehn.at - Verein zur Förderung zivilgesellschaftlicher Partizipation, abgerufen am 18. Juni 2022.
  15. Astrid Ebenführer, Oliver Mark, Doris Priesching: Was sich bei der Inseratenvergabe ändern muss. In: derstandard.at. Standard Verlagsgesellschaft m.b.H., 19. Oktober 2021, abgerufen am 18. Juni 2022 (österreichisches Deutsch).
  16. Chefredakteure in der Doppelmühle. In: journalistin.at. Johann Oberauer GmbH, 31. März 2022, abgerufen am 18. Juni 2022.
  17. ORF at/Agenturen red: RH kritisiert Inseratenpolitik der Ministerien. 21. Oktober 2023, abgerufen am 21. Oktober 2023.
  18. Andreas Wetz: Die 10 wichtigsten Fragen rund um die Inseraten-Affäre. In: news.at. VGN Digital GmbH, 23. Oktober 2021, abgerufen am 18. Juni 2022.
  19. Inserate: Verfahren gegen Faymann und Ostermayer eingestellt. In: diepresse.com. Die Presse Verlags-Gesellschaft m.b.H. & Co KG, 5. November 2013, abgerufen am 18. Juni 2022.
  20. U-Ausschuss: Verhandlungen über Zeugenliste geplatzt. In: diepresse.com. Die Presse Verlags-Gesellschaft m.b.H. & Co KG, 31. August 2012, abgerufen am 18. Juni 2022.
  21. Florian Skrabal: Das gekaufte Österreich. In: dossier.at. Dossier GmbH, 12. November 2021, abgerufen am 18. Juni 2022.
  22. Florian Skrabal: Wer hat Angst vor Wolfgang F.? In: dossier.at. Dossier GmbH, 2. Dezember 2019, abgerufen am 18. Juni 2022.
  23. ORF at/Agenturen red: Demokratie-Index: Respekt vor Pressefreiheit „mangelhaft“. 24. Oktober 2023, abgerufen am 24. Oktober 2023.