Ilja Wladimirowitsch Ponomarjow

russisch-ukrainischer IT-Unternehmer, Blogger und Politiker

Ilja Wladimirowitsch Ponomarjow (russisch Илья Владимирович Пономарёв, häufig auch Пономарев,[1] ukrainisch Ілля Володимирович Пономарьов Illja Wolodymyrowytsch Ponomarjow, in englischer Transkription Ilya Vladimirovich Ponomarev; * 6. August 1975 in Moskau) ist ein russisch-ukrainischer IT-Unternehmer, Blogger[2] und Politiker.

Ilja Ponomarjow (2012)

Leben Bearbeiten

Ponomarjow beschäftigte sich schon früh in seiner Kindheit mit Computern und wurde als Wunderkind angesehen. Bereits als 14-Jähriger organisierte er am Institut für die sichere Entwicklung der Atomenergie Computerkurse für Mitarbeiter. Mit 16 gründete Ponomarjow seine erste Firma, Russprofi Ltd.[3] Es verkaufte westliches digitales Know-how an russische Konzerne und Behörden.[4] Innerhalb von zwei Jahren setzte das IT-Unternehmen zehn Millionen US-Dollar um. Als 24-Jähriger wurde Ponomarjow zum jüngsten Vizepräsidenten des damals größten russischen Ölunternehmens Yukos bestellt. Seine IT-Expertise wurde auch bei zahlreichen Regierungsprojekten zur Unterstützung von Innovation und Hochtechnologien geschätzt. Ponomarjow ist einer der Initiatoren der Innovationsstadt Skolkowo.

Politisch sozialisiert wurde Ponomarjow in der Kommunistischen Partei, deren Mitglied er von 2002 bis 2007 war.[5] Er verließ die Partei im Streit und warf den Kommunisten vor, Marionetten des Kremls zu sein. Ponomarjow war Mitorganisator der Proteste nach den russischen Parlamentswahlen 2011. Er gehörte bis 2013 dem Vorstand der Partei Gerechtes Russland an.

Anfang 2014 beteiligte er sich an der Bildung der neuen politischen Partei „Allianz der Grünen und Sozialdemokraten“. Danach vertrat er die Bürger von Nowosibirsk in der russischen Staatsduma als Abgeordneter in der Opposition. Dort prangerte er unter anderem Misswirtschaft und Korruption in Russland an.[4]

Er stimmte im März 2014 als einziger von 450 Duma-Abgeordneten gegen die Annexion der Krim durch Russland.[6][7] Kurz darauf äußerte er in einem Interview dazu: „Mit dieser Abstimmung haben wir die Ukraine verloren. Die Ukrainer haben angefangen, über die Russen als ihre Feinde zu denken. Dabei sind wir Brüder, unsere Sprache ist fast dieselbe, wir haben eine gemeinsame Kultur. Wir haben Jahrzehnte in einem Staat zusammengelebt. Die Grenzen zwischen uns sind künstlich, so wie die damals zwischen Ost- und Westdeutschland.“[8] Ponomarjow wurde nach der Abstimmung aus der Partei Gerechtes Russland ausgeschlossen.[9]

Im selben Monat schrieb Ponomarjow in seinem Blog Echo Moskwy, dass nach seiner Ansicht die „Schauergeschichten vom faschistischen Umsturz in der Ukraine und die maßlose Übertreibung der Rolle des Rechten Sektors in Russland dazu dienen, die Bevölkerung zu erschrecken und das Denken zu manipulieren“.[10]

In einem fragwürdigen Verfahren wurde ihm 2015 die Immunität entzogen.[11] Ponomarjow war zuvor nach einem Aufenthalt in den USA aus Angst vor Repressionen nicht nach Russland zurückgekehrt. Im staatsnahen Sender NTW hatte man ihn im Herbst 2014 offen als Verräter diffamiert.[12]

Am 25. März 2015 stellte der Generalstaatsanwalt in der Duma den Antrag, Ponomarjows Immunität aufzuheben. Der Vorwand zur Aufhebung der Immunität waren Unterschlagungsvorwürfe.[13] Ponomarjow und seine Unterstützer bezeichneten die Vorwürfe als politisch motiviert. Am 17. Juli 2015 stellte die zuständige russische Staatsanwaltschaft einen Antrag auf Verhaftung von Ponomarjow bei Interpol. Ponomarjow erklärte, die Entscheidung der Justiz werde zu einem internationalen Verfahren führen, das ihm erlauben werde, sein Ansehen zu verteidigen. Er hoffe, dass die internationalen Gerichte „nach anderen Normen als jenen der Gerichte der Russischen Föderation arbeiten“.[9]

Im Juni 2016 wurde ihm wegen Abwesenheit das Duma-Mandat entzogen.[14][15] Spätestens ab Dezember 2016 zog Ponomarjow in die Ukraine um.[16][17]

Nachdem der ehemalige russische Duma-Abgeordnete und in der Ukraine im Exil lebende Denis Woronenkow im April 2017 bei einem Anschlag getötet wurde, erhielt Ponomarjow Personenschutz vom Inlandsgeheimdienst der Ukraine. Woronenkow war auf dem Weg zu einem Treffen mit Ponomarjow, als er erschossen wurde.[18]

Am letzten Tag seiner Amtszeit als ukrainischer Präsident gewährte Petro Poroschenko, im Mai 2019, Ilja Ponomarjow die ukrainische Staatsbürgerschaft und verlautbarte dazu: „Das Wohlergehen der Ukraine ist der Schlüssel zu Veränderungen in Russland.“[19]

Nach dem russischen Überfall auf die Ukraine 2022 trat Ponomarjow den ukrainischen Streitkräften bei und erklärte, er kämpfe nicht gegen Russland, sondern gegen „Putin, den Putinismus und den russischen Faschismus“.[20]

Im April 2022 gründete er den Online-Sender Утро Февраля Utro Fewralja („Februarmorgen“). Laut The Guardian stellte er etwa 70 ukrainische und russische Mitarbeiter für den Sender ein, die teilweise im Untergrund in russischen Provinzstädten arbeiten würden. Zielgruppe sei die russische Bevölkerung.[21]

In einem im August 2022 veröffentlichten Appell rief Ponomarjow die russische Bevölkerung zu den Waffen und zum Sturz von Wladimir Putin und dessen Regierung auf.[4] Nach dem tödlichen Anschlag vom 20. August 2022 auf Alexander Dugins Tochter Darja in einem Moskauer Vorort wurde in seinem Kanal auf YouTube ein Bekennervideo im Auftrag der „Republikanischen Nationalen Armee“ (RNA) veröffentlicht.[22]

Ponomarjow ist verheiratet und hat zwei Kinder.[23]

Siehe auch Bearbeiten

Weblinks Bearbeiten

Commons: Ilya Ponomarev – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Vergleiche Ausführungen im Artikel zum Buchstaben Ё: „Ё wird vor allem in Druckerzeugnissen durch Е ersetzt, […]“.
  2. http://echo.msk.ru/blog/ilya_ponomarev/1310348-echo/
  3. crunchbase.com (Memento vom 29. Juli 2014 im Webarchiv archive.today)
  4. a b c Matthias Koch: Ilya Ponomarev: Der einzige Mann, der Russlands Ruf retten könnte. Abgerufen am 21. August 2022.
  5. Ilja Ponomarjow: Letzter „Weißgardist“ in der Duma. In: derStandard.at. 18. Oktober 2012, abgerufen am 14. Dezember 2017.
  6. FAZ.net vom 21. März 2014: Allein gegen Putin
  7. Neil MacFarquhar: Odd Man Out When Vote Was 445-1 on Crimea. In: The New York Times. 28. März 2014, ISSN 0362-4331 (nytimes.com [abgerufen am 21. August 2022]).
  8. Die Zeit 26. März 2014: „Das politische System in unserem Land ist nicht gesund“
  9. a b Einziger Abgeordneter gegen Krim-Annektion: Russland lässt Ponomarjow suchen. tagesschau.de, 17. Juli 2015, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 19. Juli 2015; abgerufen am 17. Juli 2015.
  10. Ein Abgeordneter der Russischen Staatsduma sieht keine „Faschisten“ in der Ukraine. In: Eurasisches Magazin, 21. März 2014.
  11. Fragwürdiges Verfahren – Kreml-Kritiker verliert Immunität, ntv, 9. April 2015
  12. spiegel.de vom 8. September 2014: Propaganda im Ukraine-Konflikt: Intellektuelle fliehen aus Putins Russland (Der Kreml duldet keine Kritik: Russische Prominente, die sich gegen Putins Ukraine-Kurs aussprechen, werden im Staatsfernsehen diffamiert, im Netz kursieren Listen vermeintlicher „Nationalverräter“. Die ersten Intellektuellen verlassen das Land)
  13. Reuters: „Russian Deputy Who Opposed Crimea Seizure Stripped of Immunity“ NYT vom 7. April 2015, gesichtet am 7. April 2015. Abgerufen am 22. August 2022.
  14. Илью Пономарева лишили мандата депутата Госдумы РФ. 10. Juni 2016, abgerufen am 23. August 2022 (russisch).
  15. Госдума лишила Илью Пономарева депутатского мандата. 10. Juni 2016, abgerufen am 23. August 2022.
  16. Новини | Українська правда. Abgerufen am 21. August 2022.
  17. Michael Weiss: Putin’s Nemesis Dmitry Gudkov Dishes on His Achilles’ Heel. In: The Daily Beast. 8. April 2016 (thedailybeast.com [abgerufen am 21. August 2022]).
  18. Denis Voronenkov: ex-Russian MP who fled to Ukraine killed in Kiev. 23. März 2017, abgerufen am 21. August 2022 (englisch).
  19. Der ehemalige Abgeordnete der Staatsduma Ilja Ponomarjow erhielt die ukrainische Staatsbürgerschaft, Nowaja Gaseta, 17. Mai 2019
  20. Ukraine: Explosions in central Kyiv amid UN chief's visit — as it happened. In: dw.com. Abgerufen am 21. August 2022 (britisches Englisch).
  21. Russian-language Ukrainian TV channel aims to topple Putin. In: theguardian.com. 7. Juni 2022, abgerufen am 22. August 2022 (englisch).
  22. Bombenanschlag - Bekenner-Video zu Autoexplosion bei Moskau. In: deutschlandfunk.de. 22. August 2022, archiviert vom Original am 22. August 2022; abgerufen am 22. August 2022.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.deutschlandfunk.de
  23. Пономарев Илья Владимирович. In: duma.spravedlivo.ru (web.archive.org). 22. Februar 2012, archiviert vom Original am 22. Februar 2012; abgerufen am 21. August 2022.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/duma.spravedlivo.ru