Hundwil

Gemeinde im Kanton Appenzell Ausserrhoden in der Schweiz

Hundwil ist eine politische Gemeinde und eine Ortschaft im Hinterland des Kantons Appenzell Ausserrhoden in der Schweiz. Sie liegt an der Strasse zwischen Herisau und Appenzell und besteht aus dem Dorf Hundwil, zahlreichen Weilern, Einzelhöfen und Alpen sowie bis 1749 aus Stein.

Hundwil
Wappen von Hundwil
Wappen von Hundwil
Staat: Schweiz Schweiz
Kanton: Kanton Appenzell Ausserrhoden Appenzell Ausserrhoden (AR)
Bezirk: ehemaliger Bezirk Hinterlandw
BFS-Nr.: 3002i1f3f4
Postleitzahl: 9064
Koordinaten: 742081 / 247782Koordinaten: 47° 21′ 56″ N, 9° 19′ 11″ O; CH1903: 742081 / 247782
Höhe: 788 m ü. M.
Höhenbereich: 654–2501 m ü. M.[1]
Fläche: 24,08 km²[2]
Einwohner: 931 (31. Dezember 2022)[3]
Einwohnerdichte: 39 Einw. pro km²
Ausländeranteil:
(Einwohner ohne
Schweizer Bürgerrecht)
5,7 %
(31. Dezember 2022)[4]
Gemeindepräsidentin: Margrit Müller-Schoch
Website: www.hundwil.ch
Hundwil
Hundwil

Hundwil

Lage der Gemeinde
Karte von HundwilKanton Appenzell InnerrhodenKanton Appenzell InnerrhodenKanton St. GallenKanton St. GallenBezirk MittellandBezirk VorderlandHerisauHundwilSchönengrundSchwellbrunnStein ARUrnäschWaldstatt
Karte von Hundwil
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Geographie Bearbeiten

Hundwil liegt am Nordfuss der Hundwiler Höhi auf 788 m ü. M.

Hundwil hat eine Gesamtfläche von 2422 Hektaren. Davon sind 88 Hektaren bewohnte, 1412 Hektaren landwirtschaftliche und 746 Hektaren bestockte Flächen, also Wälder und Gehölze. Die restlichen 176 Hektaren gelten als unproduktive Flächen.[5]

Auf Hundwiler Gemeindegebiet liegt auch der Säntis (2502 m ü. M.), den Hundwil aber mit anderen Gemeinden teilt. Die Talstation Schwägalp der Luftseilbahn Schwägalp–Säntis gehört auch zur langgezogenen Gemarkung Hundwil.

Die Nachbargemeinden sind Urnäsch, Waldstatt, Herisau und Stein AR im Kanton Appenzell Ausserrhoden, Schlatt-Haslen, Gonten und Schwende-Rüte im Kanton Appenzell Innerrhoden sowie die sanktgallischen Gemeinden Wildhaus und Nesslau-Krummenau.

Ein Dreikantonseck zu den Kantonen Appenzell Innerrhoden und St. Gallen findet sich auf dem Gipfel des Säntis.

Geschichte Bearbeiten

 
Landsgemeindeplatz

Hundwil, die älteste Niederlassung östlich der Urnäsch, wurde ab dem 10. Jahrhundert von sankt-gallischen Gotteshausleuten kolonisiert. Es wurde 921 als Huntwilare erstmals erwähnt.[6] Unter äbtischer Herrschaft umfasste das Amt Hundwil die Rhoden Hundwil und Urnäsch. Nicht dazu gehörte die Schwägalp, die ab 1353 direkt dem Hofamt St. Gallen unterstand. Wohnsitz der klösterlichen Dienstmannen, der Edlen von Hundwil, war vermutlich der Weiler Sonder. Hier erhielten sich im Haus «Burg» Mauerreste eines ehemaligen Wohnturms. Im Reichsverband gehörte Hundwil zur Vogtei St. Gallen. Spätestens im 14. Jahrhundert verfügte die Rhode Hundwil über eine gewisse kommunale Eigenständigkeit. 1367 verband sie sich zur Abwehr äbtischer Ansprüche mit Appenzell, 1377 trat Hundwil dem Schwäbischen Städtebund bei, ab 1401 verfügte es über ein eigenes Siegel. Zusammen mit Appenzell und Urnäsch war Hundwil 1401 bis 1429 treibende Kraft in den Appenzellerkriegen. In diese Zeit fiel auch die politische Neuordnung in eine Obere (das spätere Hundwil) und eine Untere Rhode (das spätere Stein), die je über eigene Behörden verfügten, sich aber das Gemeindegut und das Rathaus teilten. Urnäsch wurde 1417 eine selbstständige Gemeinde, die in den Appenzellerkriegen beschlagnahmte Schwägalp kam nach der Grenzbereinigung mit Urnäsch 1480 zu Hundwil. Ab 1607 war Hundwil regelmässig Tagungsort des Grossen und des Kleinen Rats, 1611 bis 1997 neben Trogen zweiter Landsgemeinde­ort.[7]

 
Reformierte Kirche Hundwil

1297 ist mit der Erwähnung eines Vizeleutpriesters die Existenz einer Kirche oder Kapelle erwiesen. Sie war im 14. Jahrhundert Filialkirche von St. Laurenzen in St. Gallen, vor 1380 wurde sie zur selbstständigen Pfarrkirche mit St.-Martins-Patrozinium erhoben.[7] 1524 setzte der Hundwiler Josef Schumacher an der Landsgemeinde das Kirchhöriprinzip durch, dass jede Kirchgemeinde abstimmen konnte, ob sie beim alten katholischen Glauben bleiben oder zum neuen evangelischen Glauben übertreten wolle. 1525 trat die Gemeinde zur Reformation über, wobei sie innerhalb des Verbands der appenzellischen Rhoden eine führende Rolle einnahm. 1522 bis 1530 und 1543 bis 1567 war der Reformator Walter Klarer evangelischer Pfarrer in Hundwil.[8] 1525 trat die Gemeinde zur Reformation über, wobei Hundwil innerhalb des Verbands der appenzellischen Rhoden eine führende Rolle einnahm. Nach der Landteilung 1597 galt im konfessionell gemischten Gebiet von Stechlenegg eine Sonderlösung, die Grenze zwischen Appenzell Ausserrhoden und Appenzell Innerrhoden wurde hier erst 1851–1852 endgültig bereinigt.[7]

 
Luftbild von Walter Mittelholzer, 1923

Die Lostrennung der Unteren Rhode und die Neugründung der Gemeinde Stein, die 1749 trotz heftigen Protesten der Oberen Rhode erfolgte, leiteten den Niedergang Hundwils ein. Die Mehrzahl der vermögenden Hundwiler liess sich in Stein nieder und bürgerte sich dort ein. In Hundwil blieben vor allem die ärmeren Bevölkerungsteile und eine grosse Zahl auswärtiger Bürger. Dies brachte in den Hungerjahren 1770 und 1817 eine enorme Armenlast, von der sich Hundwil erst nach 1860 dank einer Neuordnung der Finanzen sowie verbesserter Verkehrserschliessung erholte.[7]

Bevölkerung Bearbeiten

Bevölkerungsentwicklung[9][10]
Jahr 1667 1734 1794 1850 1900 1950 1980 2000 2010 2020 2022
Einwohner 1845 3360* 1910** 1500 1523 1290 943 1038 999 967 931

*(inkl. Stein)00000 **(exkl. Stein)

Wirtschaft Bearbeiten

Flachsanbau und die Herstellung von Leinwandtuchen sind schon im frühen 16. Jahrhundert bezeugt. Im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts wurden vor allem Stickerei und Plattstichweberei (1862–1958) betrieben. Die Bleicherei im Gapf hatte bis ca. 1885 Bestand, jene im Befang 1868 bis ca. 1897. Bis um 1850 gab es in Hundwil vier Jahrmärkte. Eine herausragende Rolle spielte schon immer die Milch- und Alpwirtschaft. Hundwil und Stein waren bis um 1940 die Hochburgen der appenzellischen Molkenhändler. Dann verlagerte sich das Schwergewicht allmählich von der Milch- und Käseproduktion auf die Jungviehzucht. Das Mineralbad war um 1855 bis 1905 in Betrieb. Ab 1895 wurde Hundwil für den Fremdenverkehr, vor allem mit Ferienkolonien, attraktiv. Der Bau der Säntis-Schwebebahn 1935 begünstigte die Steuereinkünfte der Gemeinde, da die Berg- und die Talstation auf ihrem Gebiet liegen. Seit dem Zweiten Weltkrieg gilt Hundwil als strukturschwache Gemeinde, Vieh- und Milchwirtschaft sowie Holzbau bilden die wichtigsten Erwerbszweige. 2000 waren knapp zwei Fünftel der in Hundwil Beschäftigten im ersten Wirtschaftssektor tätig.[7]

Politik Bearbeiten

Margrit Müller-Schoch ist die aktuelle Gemeindepräsidentin der Gemeinde Hundwil (Stand September 2022). Hundwil verfügt über einen siebenköpfigen Gemeinderat, der unter der Leitung der Gemeindepräsidentin steht. Der Rat wird für eine vierjährige Amtszeit von den Stimmbürgerinnen und Stimmbürgern im Majorzverfahren bestimmt. Der Gemeinderat ist ein politisches Organ der Exekutive und kümmert sich im Rahmen seiner Kompetenzen um die laufenden Geschäfte der Gemeinde. Es gibt auf Gemeindeebene keine begrenzte Anzahl Amtszeiten. Folgende Personen bilden den Gemeinderat Hundwil für die Amtszeit 2019–2023 (Stand September 2022):[11]

  • Margrit Müller-Schoch, Gemeindepräsidentin, seit 2011
  • Hans Giger, Vizepräsident, seit 2012
  • Heimo Brülisauer, Gemeinderat, seit 2012
  • Ulrich Reifler, Gemeinderat, seit 2015
  • Jakob Knöpfe, Gemeinderat, seit 2016
  • Walter Nef, Gemeinderat, seit 2017
  • Agnes Ehrbar-Wehrlin, Gemeinderätin, seit 2019

Aufgrund der Einwohnerzahl hat Hundwil im Kantonsrat in Herisau, der Legislative des Kantons, einen Sitz. Die Person wird im Majorzverfahren von den Stimmbürgerinnen und Stimmbürgern für eine Amtszeit von vier Jahren gewählt. Die Kantonsrätinnen und Kantonsräte vertreten die Interessen der Gemeinde auf kantonaler Ebene. Folgende Person vertritt aktuell Hundwil im Kantonsrat (Stand September 2022):[12]

  • Margrit Müller-Schoch, parteilos, PU, seit 2011

Sehenswürdigkeiten Bearbeiten

 
Appenzellerhäuser im Dorfzentrum

Sehenswert ist neben dem hervorragend erhaltenen Ortsbild besonders die reformierte Kirche aus dem 13. Jahrhundert mit gotischen Wandmalereien.

Von den einzigen zwei erhaltenen Brücken Johann Ulrich Grubenmanns befindet sich die 1778 konstruierte Holzbrücke auf dem Gemeindegebiet. Wegen den Sprüchen und Inschriften an den Dachbalken wird sie «sprechende Brücke» genannt.

Persönlichkeiten Bearbeiten

  • Jakob Alder (1915–2004), Komponist
  • Bartholomäus Anhorn der Jüngere (1616–1700), evangelisch-reformierter Pfarrer und Historiker, 1635–1636 in Hundwil
  • Walter Klarer (1500–1567), evangelisch-reformierter Pfarrer in Hundwil, Herisau, Gossau SG und Urnäsch, Reformator im Appenzellerland, Gastwirt und Chronist
  • Jakob Künzler (1871–1949), Zimmermann, evangelischer Diakon, Krankenpfleger, Laienarzt und Retter etwa 8.000 armenischer Waisen im Osmanischen Reich und im Libanon
  • Daniel Meier (* 1972), Eishockeyspieler
  • Ulrich Meyer (1732–1809), Ratsherr, Gemeindepräsident und Mitglied des Kleinen Rats aus dem Kanton Appenzell Ausserrhoden
  • Jakob Müller (1878–1949), Landwirt, Gemeindepräsident und Kantonsrat
  • Johannes Müller (1806–1897), Maler
  • Paul Bernhard Rothen (* 1955), evangelisch-reformierter Pfarrer und Autor, seit 2010 in Hundwil
  • Johann Ulrich Schiess (1775–1849), Textilunternehmer, Gemeindepräsident, Landesrittmeister, Landesfähnrich, Landeshauptmann, Landesseckelmeister und Tagsatzungsgesandter
  • Johannes Schiess (1780–1859), Textilunternehmer und Mitglied des Kleinen Rats
  • Marlies Schoch (1940–2016), Gastwirtin und parteilose Politikerin
  • Bartholome Widmer (1713–1796), Gemeindehauptmann, Landesbauherr, Landesfähnrich, Landeshauptmann, Landesseckelmeister und Landesstatthalter
  • Jakob Zähner (1812–1892), Textilunternehmer und Politiker

Literatur Bearbeiten

  • J. Signer-Walser. Gemeindegeschichte Hundwil 1860–1930. Um 1931. Manuskript im Gemeindearchiv Hundwil.
  • Jakob Rietmann und Hans Frischknecht: Hundwil. Herisau 1965. (Typoskript).
  • Eugen Steinmann: Die Kunstdenkmäler des Kantons Appenzell Ausserrhoden, Band 1: Der Bezirk Hinterland. Birkhäuser, Basel 1973. (= Die Kunstdenkmäler der Schweiz, Band 61), S. 352–400. Digitalisat
  • Appenzeller Zeitung vom 14. April 2001.

Weblinks Bearbeiten

Commons: Hundwil – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Generalisierte Grenzen 2023. Bei späteren Gemeindefusionen Flächen aufgrund Stand 1. Januar 2020 zusammengefasst. Abruf am 7. September 2023.
  2. Generalisierte Grenzen 2023. Bei späteren Gemeindefusionen Flächen aufgrund Stand 1. Januar 2020 zusammengefasst. Abruf am 7. September 2023.
  3. Ständige Wohnbevölkerung nach Staatsangehörigkeitskategorie, Geschlecht und Gemeinde, definitive Jahresergebnisse, 2022. Bei späteren Gemeindefusionen Einwohnerzahlen aufgrund Stand 2022 zusammengefasst. Abruf am 5. September 2023
  4. Ständige Wohnbevölkerung nach Staatsangehörigkeitskategorie, Geschlecht und Gemeinde, definitive Jahresergebnisse, 2022. Bei späteren Gemeindefusionen Einwohnerzahlen aufgrund Stand 2022 zusammengefasst. Abruf am 5. September 2023
  5. Der Kanton in Zahlen, Daten und Fakten 2022/23 (Broschüre)
  6. Stiftsarchiv St. Gallen: Ersterwähnung von Hundwil in frühmittelalterlicher Urkunde. Abgerufen am 22. August 2022.
  7. a b c d e Thomas Fuchs: Hundwil. In: Historisches Lexikon der Schweiz.
  8. Andrea Vonlanthen: Mit Steinen gegen Pfarrer Hess, Interview mit Josef Rechsteiner, ideaSpektrum 20. April 2017, S. 8–11.
  9. 1667–1950 siehe: Thomas Fuchs: Hundwil. In: Historisches Lexikon der Schweiz. 27. November 2006, abgerufen am 30. August 2022.
  10. Daten der Eidgenössischen Volkszählungen ab 1850 nach Gemeinden (CSV-Datensatz). (CSV) In: Bundesamt für Statistik. Bundesamt für Statistik, 2019, abgerufen am 7. Juli 2022.
  11. Gemeinderat. In: Gemeinde Hundwil. Gemeindeverwaltung Hundwil, abgerufen am 2. September 2022 (Schweizer Hochdeutsch).
  12. Mitglieder des Kantonsrates. In: Appenzell Ausserrhoden. Appenzell Ausserrhoden, abgerufen am 2. September 2022 (Schweizer Hochdeutsch).
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