Herzog & de Meuron

Herzog & de Meuron ist ein 1978 von den Architekten Jacques Herzog (* 19. April 1950 in Basel) und Pierre de Meuron (* 8. Mai 1950 in Basel) gegründetes Schweizer Architekturbüro mit Sitz in Basel.
ÜberblickBearbeiten
Jacques Herzog und Pierre de Meuron, die sich bereits seit der Primarschule kannten,[1] gründeten nach dem im Jahr 1975 zeitgleich erworbenen Architekturdiplom an der ETH Zürich und einer dortigen Tätigkeit als Assistenten 1978 ihr Büro in der Basler Rheinschanze 6. Neben diesem Hauptsitz unterhalten sie inzwischen fünf weitere Niederlassungen in London, Hamburg, Madrid, New York City und Hongkong. Insgesamt beschäftigt das Unternehmen 420 Mitarbeiter.[2] Partner im Büro Herzog & de Meuron sind Christine Binswanger (* 1964), Ascan Mergenthaler (* 1969), Stefan Marbach (* 1970), Michael Fischer (* 1969), Jason Frantzen (* 1977), Andreas Fries (* 1976), Robert Hösl (* 1965), Wim Walschap (* 1969) und Esther Zumsteg (* 1964).[3] De Meuron und Herzog lehren ausserdem beide an der ETH Zürich und an der Harvard University.
International bekannt wurden Herzog & de Meuron mit dem Umbau der Tate Gallery of Modern Art (Tate-Galerie für Moderne Kunst) in London, deren Aussenraumgestaltung die Architekten – wie in vielen anderen Projekten – zusammen mit dem Zürcher Landschaftsarchitekten Dieter Kienast entwickelten. Die Kunstgalerie wurde in die alte Bankside Powerstation (ein ehemaliges Ölkraftwerk) eingebaut und im Jahr 2000 eröffnet. Wegen des unerwartet grossen Besucheransturms wurde in den Jahren 2010 bis 2016 ein Erweiterungsbau errichtet.[4] Zudem entwarfen Herzog und de Meuron die beiden Stadionbauten St. Jakob-Park in Basel und Allianz Arena in München. Für die Olympischen Spiele 2008 planten und bauten sie das Nationalstadion in Peking. Sie befassten sich auch mit der Planung eines grossen, neuen Stadtteils in derselben Stadt, um neue Akzente in die gleichförmige chinesische Städtebau-Architektur zu bringen. Wie beim Stadionbau wurde versucht, Geschichte, Tradition und heutige Ansprüche zu vereinen und in die Bauten einfliessen zu lassen. Das Städtebauprojekt stiess bei Fachleuten auf Begeisterung, weil es eine Identifizierung seiner Bewohner mit ihrem Stadtteil ermöglichen würde. Den chinesischen Bedürfnissen entsprechen allerdings notgedrungen eher rasche und billige Industriewohnsiedlungen.
Ihre Arbeit in der Volksrepublik China löste eine Welle an Kritik aus. Chinesische Fachleute werfen den Architekten „Effekthascherei“ und „einen Missbrauch Chinas als Experimentierfeld“ vor,[5] während Menschenrechtler die Zusammenarbeit mit China aufgrund der Menschenrechtsverletzungen durch das Regime kritisieren.[6][7] Ein weiterer Kritikpunkt sind die hohen Kosten der Bauprojekte.
Im Jahr 2005 stimmte der Hamburger Senat dem Bau der Elbphilharmonie zu. Oberhalb der mehrstöckigen Backsteinfassade (Architekt: Werner Kallmorgen) des Kaispeicher A in der Elbe ist eine mächtige Glaswelle entstanden, die unter anderem drei Konzertsäle, ein Tagungszentrum, Wohnungen und ein Hotel beherbergt, der Raum hinter der Fassade des alten Speichers wird unter anderem als Parkhaus genutzt. Ähnlich wie beim Tate Modern entstand durch Aus- und Umbau eines alten Gebäudes ein neues. Die Elbphilharmonie wurde teilweise schon während der Bauzeit zum neuen Wahrzeichen der Hansestadt stilisiert. Auch hier allerdings werden Herzog und de Meuron laut Untersuchungsbericht für die stark gestiegenen Kosten als mitverantwortlich bezeichnet, z. B. wegen mehrfach nicht eingehaltener Fristen.[8]
Neben zahlreichen weiteren Auszeichnungen erhielten die beiden Architekten 1993 den Deutschen Kritikerpreis. Im Jahre 2001 wurde ihnen der Pritzker-Architektur-Preis verliehen. Die Jury lobte ihren leidenschaftlichen Umgang mit einer ganzen Palette von Baumaterialien, mit Hilfe derer sie die Architekturkunst vorantreiben würden. Fünf Jahre darauf erhielten sie den British Design Award des Royal Institute of British Architects, im Folgejahr das Praemium Imperiale und die Große Nike des Bundes Deutscher Architekten (BDA).
Für den Pharmakonzern Roche entwarfen Herzog & de Meuron ein Hochhaus von 154 Metern. Dieses sollte in der Form an die Doppelhelix erinnern. Das Projekt wurde vom Pharmakonzern zurückgezogen.[9] Ein neuer Entwurf für das Bürogebäude, das nunmehr 178 Meter erreichen sollte, wurde am 17. Dezember 2009 von Roche bekanntgegeben. Dieser Roche-Turm wurde 2015 fertiggestellt. Es ist vor dem Prime Tower in Zürich das höchste Gebäude der Schweiz.[10][11] Ein weiterer, noch höherer Turm für Roche befindet sich seit 2017 im Bau.
Herzog & de Meuron waren auch wegführend in der Verwendung von Gabionen als gestalterischem Element bei Gebäudefassaden. Bei dem Dominus Weingut im kalifornischen Napa Valley, dem ersten aussereuropäischen Projekt des Architekturbüros im Jahr 1997, wurden Gabionen als hinterlüftete Fassade angeordnet, zum Teil statt Bruchsteins mit Glasbruch gefüllt und somit lichtdurchlässig.[12][13]
BauwerkeBearbeiten
Fertiggestellte BautenBearbeiten
- Meret Oppenheim Hochhaus; 2016–2019
- 160 Leroy Street, Wohnhochhaus im West Village, –2017
- Museum M+, West Kowloon Cultural District, Hongkong, 2013–2017.[14]
- Elbphilharmonie, Hamburg, 2007–2017.
- Schaudepot im Vitra Design Museum, Weil am Rhein, 2016.
- Restaurant und Bergstation Chäserrugg in Unterwasser SG, 2015; ausgezeichnet mit dem Architekturpreis Hase in Bronze 2015.
- Roche-Turm (Bau 1), Basel, 2012–2015.
- Blavatnik School of Government, Universität Oxford, Oxford, England.
- Erweiterungsbau des Unterlinden-Museums, Colmar, 2011–2015.
- Naturbad Riehen bei Basel, Entwurf 2007/08, Ausführung 2010–2014.[15]
- Parrish Art Museum, Water Mill, New York, Long Island, New York 2012.[16]
- 1111 Lincoln Road, Parkhaus mit Geschäften und Wohnungen, Miami Beach, 2010.
- Erweiterungsbau des Museums Küppersmühle für Moderne Kunst, Duisburg, 2009–2010.
- Portsmouth Dockland Stadium, Portsmouth, 2008–2011.
- 56 Leonard Street, New York City, 2008–2016 (Bau war bis 2012 unterbrochen).
- Südpark (Basel), 2008–2012
- 40 Bond Street, New York City, 2008
- Actelion Headquarters, Allschwil, 2007–2010
- VitraHaus, im Vitra Design Museum, Weil am Rhein, 2007–2009
- Plaza de España, Santa Cruz de Tenerife, 2006–2007
- Instituto Óscar Domínguez de Arte y Cultura Contemporánea, Santa Cruz de Tenerife, 2007
- Miami Art Museum, Miami, 2006–2010
- Neue Messehalle, Basel, 2006–2013
- Tate Gallery of Modern Art, Anbau, London, 2005–2011
- Astoria Kongresshotel, Luzern, 2005
- St. Jakob-Turm, Basel, im Zuge der Erweiterung des St. Jakob-Parks, 2005–2008
- St. Jakob-Park, Basel, 1998–2001, Ausbau für die Euro 2008 2006–2007
- Nationalstadion für die Olympischen Sommerspiele 2008, Peking, 2003–2007 (siehe auch den Dokumentarfilm Bird’s Nest – Herzog & de Meuron in China)
- Jindong New District, Jinhua, 2003–2004
- Projekt Turm Schatzalp, Davos, 2003
- Neubau REHAB, Basel, 2002
- CaixaForum, Madrid, 2001–2007
- Allianz Arena, München; 2002–2005
- Prada Aoyama Epicenter, Tokio, 2001–2003
- Erweiterungsbau des Aargauer Kunsthauses, Aarau; 2001–2003
- Forum 2004, Barcelona, 2000–2004
- Geschäftshaus Elsässertor, Basel, 2000–2004
- M. H. de Young Memorial Museum, Golden Gate Park, San Francisco, 1999–2005
- Walker Art Center, Minneapolis, 1999–2005
- Informations-, Kommunikations- und Medienzentrum an der BTU-Cottbus, Cottbus, 1998–2004
- Laban Dance Centre, Deptford Creek, London, 2003
- Schaulager, Münchenstein (bei Basel), 2003
- Museum Küppersmühle für Moderne Kunst – Sammlung Grothe, Duisburg; 2000
- Hauptsitz Gruppe Helvetia Versicherungen, St. Gallen, 2002
- Kunsthalle in den Fünf Höfen, München; 2000–2001
- Verwaltungsgebäude Ricola AG, Laufen BL; 2000
- Kramlich Residenz und Media Sammlung, Oakville; 1999–2003
- Haus Rudin, Leymen; 1997–1998
- Bürogebäude in der Herrnstraße, München; 1996–2000
- Kunstkiste-Museum für die Grothe Sammlung, Bonn; 1996
- Kulturzentrum und Theater, Zürich; 1996
- Erweiterung der Tate Gallery – Tate Gallery of Modern Art, London; 1995–1999
- Dominus Weingut im Napa Valley, Yountville; 1995–1997
- Studio Rémy Zaugg, Mülhausen; 1995–1997
- Haus Lüscher-Rasi, Arlesheim; 1995
- Haus und Garten der Familie L., Schweiz; 1995
- Apotheke des Kantonsspital, Basel; 1995–1997
- Wohngebäude in der Rue des Suisses, Paris; 1995–1996
- Haus Fröhlich, Stuttgart; 1995 wurde nicht gebaut
- Zentrales Stellwerk, Basel; 1994–1998
- Hypo-Bank Junghofstraße, Büro- und Geschäftshaus, Frankfurt am Main; 1994–1995
- Projekt für eine Bank in einer mittelgroßen Stadt (Olivetti Project); 1994
- Roche Forschungszentrum, Basel; 1994–1997
- Cartoonmuseum Basel; 1994–1996
- Städtebauliche und landschaftliche Sanierung Neustädter Feld, Magdeburg; 1994
- Fabrikationsgebäude für Ricola Europe SA, Brunstatt; 1993–1994
- Bibliothek der Technischen Universität Cottbus, Cottbus; 1993–2005
- Bibliothek der Fachhochschule Eberswalde, Eberswalde; 1993–1996
- Koechlin Haus, Riehen; 1993–1994
- Stellwerk 4 Auf dem Wolf, Basel; 1992–1995
- Novartis Laboratorium, Basel; 1992–1993
- Erweiterung des Rijksmuseum Kröller-Müller, Otterlo; 1992
- Wohn- und Geschäftshaus Schützenmattstrasse, Basel; 1992–1993
- Bibliothek, Paris; 1992
- Geschäftshaus und Warenumschlag Elsässertor, Basel; 1990–1995
- Studentenwohnheim Antipodes I, Dijon; 1990–1992
- mit Josef Peter Meier-Scupin: Sammlung Goetz, München; 1989–1992
- Sportanlagen Pfaffenholz, Saint-Louis; 1989–1993
- Lokomotivdepot Auf dem Wolf, Basel; 1988–1996
- Umbau und Erweiterung des SUVA-Haus, Basel; 1988–1993
- Lagerhaus der Ricola AG, Laufen; 1986–1991
- Wohnanlage Pilotengasse in Wien-Aspern, Wien-Bezirk 22; 1986–1991
- Wohn- und Geschäftshaus Schwitter, Basel; 1985–1988
- Haus für einen Kunstsammler, Therwil; 1985–1986
- Wohnhaus im Hof, Hebelstrasse, Basel; 1984–1988
- Sperrholz-Haus, Bottmingen; 1984–1985
- Haus für einen Tierarzt, Dagmersellen; 1983–1984
- Steinhaus (Casa de Piedra), Tavole; 1982–1988
- Ausstellungsraum Klingental, Basel; 1981
- Photostudio Frei, Weil am Rhein; 1981–1982
- Blaues Haus, Oberwil; 1979–1980
Laufende ProjekteBearbeiten
- Neubauten für die Denkfabrik (Think Tank) des Berggruen-Instituts in Kalifornien.
- Neubau für das Museum der Moderne in Berlin.
Sonstige ProjekteBearbeiten
Im April 2006 gestalteten Herzog & de Meuron das Bühnenbild für die Neuinszenierung der Oper Tristan und Isolde von Richard Wagner an der Berliner Staatsoper Unter den Linden.
Literatur (Auswahl)Bearbeiten
- Herzog & de Meuron: Das Gesamtwerk, in vier Bänden. Birkhäuser Verlag, Basel.
- Band 1: ISBN 978-3-7643-5616-3.
- Band 2: ISBN 978-3-7643-7365-8.
- Band 3: ISBN 978-3-7643-7112-8.
- Band 4. ISBN 978-3-7643-8639-9.
- Herzog & de Meuron: Naturgeschichte. 2005, ISBN 978-3-03778-050-3.
- Herzog & de Meuron: Die Schweiz. Ein städtebauliches Porträt. 3 Bände. 2006, ISBN 978-3-7643-7282-8.
WeblinksBearbeiten
QuellenBearbeiten
- ↑ Marcel Rohr, Martin Furrer: «Das Meret-Oppenheim-Hochhaus ist kein liebliches Gebäude». In: Basler Zeitung (online). 2. Juni 2019, abgerufen am 2. Juni 2019.
- ↑ Herzog & de Meuron planen Zukunft. In: Basler Zeitung. 18. März 2009.
- ↑ Luis Fernández-Galiano: Herzog & de Meuron. 2013–2017. Hrsg.: Mar Rodriguez. Architectura Viva SL, Madrid 2017, ISBN 978-84-617-6498-3, S. 276.
- ↑ Marion Löhndorf: Der neu eröffnete Erweiterungsbau der Tate Modern. In der Welt verankert. In: Neue Zürcher Zeitung. 17. Juni 2016 ([1] [abgerufen am 25. Juli 2017]).
- ↑ dasmagazin.ch (Memento vom 23. November 2010 im Internet Archive)
- ↑ Hanno Rauterberg: Wie viel Moral braucht Architektur? In: Die Zeit. 27. März 2008.
- ↑ Nur ein Idiot hätte nein gesagt. In: Der Spiegel. online.
- ↑ Christian Rickens: Untersuchungsbericht zur Elbphilharmonie: Die Chaostruppe vom Hafenrand. In: Spiegel Online. 7. Januar 2014, abgerufen am 7. Januar 2014.
- ↑ nzz-Online: Roche verzichtet auf geplanten Turmbau zu Basel.
- ↑ Badische Zeitung: Roche stellt neues Bürohochhaus vor.
- ↑ www.baunetz.de
- ↑ Seite nicht mehr abrufbar, Suche in Webarchiven: baunetzwissen.de) (
- ↑ Dominus Architecture: Winery features.
- ↑ Kulturquartier In: FAZ. 3. Juli 2013, S. 28.
- ↑ Ralph Schindel: Eine Perle für Riehen. In: Jahrbuch z’Rieche. 2014, S. 86–89.
- ↑ M wie Minimalismus. In: FAZ. 30. November 2012, S. 33.