Haus der Deutschen Erziehung

Bauwerk in Deutschland

Das Haus der Deutschen Erziehung in Bayreuth war Verwaltungssitz und Schulungszentrum des Nationalsozialistischen Lehrerbunds (NSLB). Heute beherbergt es die Regionalleitung für Oberfranken des Bayernwerks, Eigentümer des Gebäudes ist das Bayernwerk.[1]

Das Gebäude im März 2011

Lage Bearbeiten

Der Bau steht mit der Anschrift Luitpoldplatz 5 in der Innenstadt an der Kanalstraße und am La-Spezia-Platz.[2] Bei der Errichtung wurde ein Abschnitt des Mühlkanals – eines Seitenarms des Roten Mains – überbaut.

Geschichte Bearbeiten

Das Haus der Deutschen Erziehung war das beherrschende Bauwerk unter den Neubauten des „Dritten Reichs“ in der Stadt.[3] Die Grundsteinlegung erfolgte am 24. September 1933 durch Hans Schemm,[4] den Reichswalter des NSLB, Kultusminister Bayerns und Gauleiter des Gaues Bayerische Ostmark. Seitens der NSDAP erfolgte die Auflage, den Erdaushub von Hand ausführen zu lassen, um möglichst viele Arbeitslose öffentlichkeitswirksam zu beschäftigen. Die notwendige Umleitung des Mühlkanals erforderte letztlich aber doch den Einsatz eines Baggers. Finanziert wurde der Bau durch Zwangsabgaben der NS-Lehrerschaft.[5]

Am 8. Dezember 1934 wurde das Richtfest gefeiert.[6] Die Fertigstellung war 1936; anlässlich der Reichstagung des NSLB fand am 12. Juli 1936 die Einweihung statt,[7] zu der rund 30.000 Lehrkräfte nach Bayreuth kamen.[3] Architekt des Gebäudes war Hans Reissinger,[8] der auch andere Großprojekte in der Stadt entwarf. In der Umgebung der markgräflichen Bauten wirkte das Gebäude als „brutaler architektonischer Fremdkörper“.[9]

Das dominierende Hauptgebäude, ein Stahlskelettbau, wies eine Rhätsandsteinfassade und ein überdimensionales, schiefergedecktes Walmdach auf.[3] Adolf Hitler, dem die fensterlose Fassade nicht gefiel, sah beim Vorbeifahren am Haus der Deutschen Erziehung anfangs demonstrativ zur anderen Straßenseite.[Anm. 1] Zwei Wochen nach dessen Einweihung besichtigte er in Begleitung von Joseph Goebbels, Albert Speer und dem örtlichen Gauleiter Fritz Wächtler das Innere des Hauses. Goebbels notierte in seinem Tagebuch, es sei ein schauriger, stilloser Kasten ohne Zweck und Sinn.[5]

Der bedeutendste Raum war die sakral wirkende „Weihehalle“, auch als „Ehrenhalle für die Deutsche Mutter“ bezeichnet. Sie wurde von Reissinger nach den Vorstellungen Schemms als eine Art Sakralbau gestaltet.[10] An ihren Stirnseiten standen ein mehrere Meter hohes Standbild von Willi Hoselmann, das eine Frau mit drei Kindern darstellte,[11] und gegenüber – über dem Eingangstor – eine große Orgel.[10] Das Standbild spiegelte das frauenpolitische Programm des Nationalsozialismus, des NSLB und der NS-Frauenschaft künstlerisch wider. In halber Höhe ließ Schemm an der rechten Wand eine Art Kanzel anbringen, von der aus er nach der Fertigstellung des Gebäudes seine Reden halten wollte.[12]

Am Faschingsdienstag des Jahres 1935 starb Schemm nach einem Flugzeugabsturz.[13] Die Trauerfeier wurde durch Hans Reissinger unter Teilnahme Hitlers im Haus der Deutschen Erziehung als Staatsakt aufwendig inszeniert.[14] Der Platz vor dem Haus (und damit die Anschrift des Gebäudes) wurde in Hans-Schemm-Platz umbenannt.[12] Im Gebäude wurde ein Gedächtnisraum für Schemm eingerichtet,[15] in dem u. a. Teile des verunglückten Flugzeugs ausgestellt waren. Der in der „Weihehalle“ vorgesehene Gruftraum für ihn wurde nicht vollendet, sein bereits fertiggestellter Sarkophag blieb leer. Die Kanzel wurde noch im selben Jahr wieder abgebrochen.[14][16][17]

Geraume Zeit nach Schemms Tod wurde in der Weihehalle die „sonntägliche Feierstunde“ eingerichtet. Zunächst war sie weitgehend musikalisch geprägt; die NSDAP wollte sich so – mit viel klassischer Musik – als Kulturträger empfehlen. Die Zahl der Zuhörer ließ noch 1938 offenbar zu wünschen übrig. Nach dem Beginn des Zweiten Weltkriegs wurden die Besucher immer unverhohlener auf Krieg, Kampf und Opfertod eingestimmt, und die klassische Musik wurde immer mehr zum Rahmen der Durchhalte-Propaganda. Um einen offenen Konflikt mit den Kirchen zu vermeiden, wurden die Veranstaltungen zeitlich von den Gottesdiensten abgesetzt. Bald brauchten sich die Parteifunktionäre um ein volles Haus nicht mehr zu sorgen: Soldaten, Hitlerjungen und BDM-Mädchen marschierten kolonnenweise in die Partei-Kathedrale am Luitpoldplatz. Die örtliche Tageszeitung schrieb von einer „gern geliebten Sonntagsgewohnheit für eine große Zahl von Volksgenossen“.[10]

Bereits im ersten Winter des Zweiten Weltkriegs wurden Bayreuths Schulen wegen Kohlemangels ab Januar 1940 monatelang geschlossen. Die Weihehalle des Hauses der Deutschen Erziehung wurde als Ausweichquartier für einen „provisorischen Unterricht“ für Volks- und Mittelschulen ausersehen.[9] Im Keller des Gebäudes richtete Fritz Wächtler, Schemms Nachfolger als Gauleiter, seinen „Gaubefehlsstand“ ein. Für drei gefallene HJ-Führer fand am 3. März 1945 in der Weihehalle letztmals eine Gefallenen-Ehrenfeier statt.[18]

Bei der dritten Bombardierung der Stadt im Zweiten Weltkrieg am 11. April 1945 wurde auch das Haus der Deutschen Erziehung durch die Royal Air Force beschädigt.[19][20] Nach dem Krieg erfolgte von 1947 bis 1950 ein Umbau und damit eine Entmonumentalisierung durch den Architekten Franz Hart,[21] wobei das Walmdach[22] nicht wiederhergestellt wurde[5]. Der ursprüngliche Architekt Reissinger war dadurch zu dem Kommentar veranlasst, eine Bauidee sei damit vernichtet worden.

In der Nachkriegszeit wurde das Gebäude von der 1914 in Bayreuth gegründeten Bayerischen Elektricitäts-Lieferungs-Gesellschaft AG (BELG) genutzt,[23] da deren 1925 vollendetes Verwaltungsgebäude am Josephsplatz 3 im April 1945 zerstört worden war.[24] Diese präsentierte in einem ihrer Schaufenster Ende März 1956 erstmals in der Stadt Fernsehempfang.[25]

In der Gegenwart ist das ehemalige Haus der Deutschen Erziehung ein Verwaltungsgebäude des E.ON-Konzerns.[26]

Siehe auch Bearbeiten

Anmerkungen Bearbeiten

  1. Auf dem Weg von seiner Unterkunft im Haus Wahnfried bzw. in der Parkstraße zum Richard-Wagner-Festspielhaus kam Hitler häufig an dem Gebäude vorbei.

Literatur Bearbeiten

  • Karlheinz König: Spezialuntersuchung: Das Haus der Deutschen Erziehung in Bayreuth. Überblick über die Baugeschichte der NSLB Verwaltungs- und Schulungszentrale sowie über die Organisation und die Arbeit des Hauptamtes für Erzieher und des Nationalsozialistischen Lehrerbundes. In: Max Liedtke (Hrsg.): Handbuch der Geschichte des Bayerischen Bildungswesens. Band III: Geschichte der Schulen in Bayern von 1918 bis 1990. Klinkhardt, Bad Heilbrunn/Obb. 1997, ISBN 3-7815-0663-0, S. 322–387.
  • Hans Schemm: Das Haus der deutschen Erziehung. In: Hans Schemm spricht. Seine Reden und sein Werk. Bearb. von Gertrud Kahl-Furthmann. Hrsg.: Gauleitung der Bayerischen Ostmark, Hauptamtsleitung des nationalsozialistischen Lehrerbundes. 1.–10. Tsd. Gauverlag Bayerische Ostmark, Bayreuth 1935, DNB 575990007.

Weblinks Bearbeiten

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Rehau: Entwicklung war absehbar. In: Nordbayerischer Kurier. 9. Juli 2020, S. 7.
  2. E.ON Bayern AG Regionalleitung Oberfranken. Region Bayreuth, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 6. Dezember 2013; abgerufen am 28. Mai 2013.
  3. a b c Karl Müssel: Bayreuth in acht Jahrhunderten. 1. Auflage. Gondrom, Bindlach 1993, ISBN 3-8112-0809-8, S. 200 f.
  4. Heinrich Friedmann, Benedikt Lochmüller: Das Haus der deutschen Erziehung. Zum Gedenken an die Grundsteinlegung in Bayreuth am 24. Scheiding 1933 (= Der junge Staat. Nr. 5). NS-Kulturverlag, Bayreuth 1933, DNB 579883914.
  5. a b c Bernd Mayer: Bayreuth – Die letzten 50 Jahre. Ellwanger, Bayreuth 1983, S. 49 ff.
  6. Bernd und Gerda Mayer: Arbeiten und Leben in Bayreuth. Sutton, Erfurt 2010, ISBN 978-3-86680-745-7, S. 24.
  7. Helmut W. Schaller: Bayerische Ostmark, 1933–1945: Verwaltung und Machtausübung. In: Historisches Lexikon Bayerns. 2017, abgerufen am 18. November 2017.
  8. Bernd Mayer: Zerstört und wiedererstanden. In: Heimatkurier des Nordbayerischen Kuriers. 2/2005, S. 6.
  9. a b Bernd Mayer: Als selbst Katzenzüchter verdächtig waren. In: Heimatkurier des Nordbayerischen Kuriers. 2/2001, S. 6 f.
  10. a b c Bernd Mayer: Weihehalle als Ersatzkirche. In: Heimatkurier des Nordbayerischen Kuriers. 1/2000, S. 6 f.
  11. Bernd Mayer: Bayreuth April 1945. Über Kriegs-Festspiele, Luftangriffe und den Alltag in Ruinen. Wartberg-Verlag, Gudensberg-Gleichen 2004, ISBN 3-8313-1463-2, S. 8.
  12. a b Bernd Mayer: Bayreuth wie es war. Blitzlichter aus der Stadtgeschichte 1850–1950. Gondrom, Bayreuth 1981, S. 173.
  13. Bernd Mayer: Weihehalle als Ersatzkirche in: Heimatkurier 1/2000 des Nordbayerischen Kuriers, S. 6 f.
  14. a b Bernd Mayer: Über eine braune Kultfigur wächst Gras in: Heimatkurier 2/1996 des Nordbayerischen Kuriers, S. 3.
  15. Sepp Neugirg: Hans Schemm zum 4. Todestag am 5. März 1938. Fotografie, Bayreuth 1938.
  16. Bayreuth, Hans-Schemm-Platz. In: kasernen-und-gebaeude.de. 2017, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 26. Juni 2016; abgerufen am 13. April 2017 (Auf den Abbildungen ist rechts das Reitzenstein-Palais und direkt anschließend dahinter das Haus der Deutschen Erziehung zu sehen).
  17. Axel Polnik: Die Bayreuther Feuerwehren im Dritten Reich. Der Brandschutz in der Gauhauptstadt Bayreuth. Eine zeitgenössische Darstellung. Books on Demand, Norderstedt 2011, ISBN 978-3-8423-9563-3, S. 544 (Online-Ressource).
  18. Helmut Paulus: „Wir werden weiter marschieren …“ in: Heimatkurier 2/2010 des Nordbayerischen Kuriers, S. 10 ff.
  19. Jörg Friedrich: Der Brand. Deutschland im Bombenkrieg 1940–1945. Ullstein-Heine-List, München 2002, ISBN 3-548-60432-3.
  20. Karl Müssel: Bayreuth in acht Jahrhunderten. Geschichte der Stadt. Gondrom, Bindlach 1993, ISBN 3-8112-0809-8, S. 210.
  21. Cornelius Tafel: Die vielen Berufe des Franz Hart. In: TEC21. Band 138: Franz Hart in München. 2012, Heft 26, S. 22 (online in E-Periodica).
  22. Bernd Mayer: Bayreuth im zwanzigsten Jahrhundert. Nordbayerischer Kurier, Bayreuth 1999, OCLC 163491214, S. 62.
  23. Geschichte: Die Bayernwerk AG – der regionale Netzbetreiber in Bayern. Bayernwerk, 2019, abgerufen am 8. Januar 2019.
  24. Bayreuth – einst und jetzt in: Heimatkurier 2/1996 des Nordbayerischen Kuriers, S. 21.
  25. Bernd Mayer: Bayreuth im zwanzigsten Jahrhundert. S. 94.
  26. Kurt Herterich: Vom Bayreuther Schloßturm zum Festspielhügel über den Luitpoldplatz, die Bahnhofstraße und die Bürgerreuther Straße mit näherer Umgebung. Vergangenheit und Gegenwart. Ellwanger, Bayreuth 2003, ISBN 3-925361-47-2, S. 49.

Koordinaten: 49° 56′ 43,6″ N, 11° 34′ 35,7″ O