Hans Stöcklein

deutscher Offizier, Kunsthistoriker, Waffenkundler und Museumsleiter

Hans Friedrich Philipp Georg Stöcklein (* 29. Juni 1874 in Neu-Ulm; † 2. September 1936 in München) war ein deutscher Offizier (Hauptmann a. D.), Kunsthistoriker und Waffenkundler. Von 1931 bis 1936 war er Direktor des Bayerischen Armeemuseums.

Leben Bearbeiten

Hans Stöcklein wurde 1874 als Sohn eines königlich-bayerischen Offiziers im schwäbischen Neu-Ulm geboren. Er absolvierte das Bayerische Kadettenkorps in München, 1894 trat er als Portepee-Fähnrich in das Königlich Bayerische 2. Infanterie Regiment „Kronprinz“ in München ein. Ein Jahr später erfolgte die Beförderung zum Leutnant. 1898 verließ er zunächst die Armee, um sich näher der Waffenkunde zu widmen. Er forschte in Waffensammlungen u. a. in Stockholm, Turin und Paris. 1911 wurde er bei Berthold Riehl am Institut für Kunstgeschichte der Universität München mit der Dissertation Meister des Eisenschnitts am Münchener Hof zum Dr. phil. promoviert.[1] Stöckleins 1922 beim P. Neff Verlag publiziertes kunst- und waffengeschichtliches Werk galt dem Waffenkundler Max Dreger als grundlegend.[2] Während des Ersten Weltkrieges 1917 veröffentlichte er – seinerzeit Oberleutnant und Adjutant – einen kunsthistorischen Führer über die nordfranzösische Gemeinde Saint-Amand-les-Eaux.

Bevor er 1920 zum Hauptkonservator am Bayerischen Armeemuseum in München ernannt wurde, war er am Zeughaus Berlin tätig[3]. Dorthin wurde der der Militärhistorie aufgeschlossene Hauptmann vom Bayerischen Kriegsministerium abkommandiert.[4] In München betreute er die Sammlung der alten Abteilung (bis 1800). Stöcklein korrespondierte mit dem Generaldirektor der Istanbuler Museen, Halil Edhem Eldem, und war 1928/29 als erster[5] Waffenkundler überhaupt mit der Erforschung der Waffensammlung des Topkapı-Palast Museums betraut. Ein vorläufiger Bericht erschien 1934 in der Fachzeitschrift Ars Islamica. Seine ursprüngliche Vermittlung nach Konstantinopel wird in der Literatur insbesondere über Friedrich Sarre, seinerzeit Direktor des Berliner Museums für Islamische Kunst, vermutet.[6] Unter anderem beriet er diesen bei musealen Waffenkäufen;[7] 1925 trug er zur Festschrift Sarres bei.[8] Darüber hinaus stand er dem Zeughaus in Coburg sowie dem Historischen Museum und dem Museum für Völkerkunde in München bei Sammlungsneuordnungen beratend zur Seite. 1931 war er im Ausstellungskomitee einer internationalen Ausstellung für iranische Kunst im Burlington House in London vertreten.[9] Im gleichen Jahr wurde Stöcklein als Nachfolger von Philipp Maria Halm Direktor des Armeemuseums. Nach der „Machtergreifung“ der Nationalsozialisten 1933 entwarf er den an den Schweizerdolch angelehnten, von Ernst Röhm initiierten und von Adolf Hitler gebilligten deutschen Dolch.[10] Er verantwortete ebenso die neue Abteilung „1. Weltkrieg“. Bis zur Eröffnung 1936 (nach seinem Tode) wurde die Weltkriegsabteilung wohl aus Sorge vor etwaigen alliierten Ansprüchen geheim aufgebaut.[11] Sein späterer Nachfolger Ernst Aichner u. a. wertete die Abteilung als bedeutend[12] und charakterisierte Stöcklein als „kritischen bayerischen Patrioten“, der ob seiner Monarchie-Nähe „ein ungeschminktes Bild des Weltkrieges zeigen wollte“.[13]

Der Historiker Reinhard Baumann beurteilt seine beim Bibliographischen Institut erschienene Abhandlung über die Landsknechte, die in der Zeit des Nationalsozialismus entstand, als aus „völkisch-heldischer Sicht“ verfasst.[14]

Er war unter anderem Mitglied der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft[15] und des Vereins für historische Waffenkunde.

Stöcklein war mit der Tochter des Zoologen Albrecht Poppe verheiratet.

Schriften (Auswahl) Bearbeiten

  • St. Amand. Ein kunstgeschichtlicher Fuehrer. Verlag der Liller Kriegszeitung, Lille 1917.
  • Meister des Eisenschnittes. Beiträge zur Kunst- und Waffengeschichte im 16. und 17. Jahrhundert. P. Neff, Esslingen 1922.
  • Das Papstschwert des Kurfürsten Maximilian I. von Bayern. Mit Ausführungen über die Weihe und das Ceremoniell der Verleihung von Papstschwertern im allgemeinen (= Waffengeschichtliche Forschungen. 2). Alte Meister Guenther Koch & Co., München 1931.
  • Der deutschen Nation Landsknecht (= Meyers bunte Bändchen. [11]). Bibliographisches Institut, Leipzig 1935.

Literatur Bearbeiten

Weblinks Bearbeiten

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Abgeschlossene Dissertationen am Institut für Kunstgeschichte 1873–2001, kunstgeschichte.uni-muenchen.de, abgerufen am 10. Juni 2017.
  2. Max Dreger: Ein Degen aus der Sammlung Dreger. In: Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde 9 (1921/22), S. 199–202, hier: S. 202.
  3. Filiz Çakir Phillip: Iranische Hieb-, Stich- und Schutzwaffen des 15. bis 19. Jahrhunderts. Die Sammlungen des Museums für Islamische Kunst der Staatlichen Museen zu Berlin und des Deutschen Historischen Museums (Zeughaus) in Berlin. De Gruyter, Berlin 2016, ISBN 978-3-11-031813-5, S. 46.
  4. Heinrich Müller: Das Berliner Zeughaus. Vom Arsenal zum Museum (= Bausteine des Deutschen Historischen Museums. 12). Deutsches Historisches Museum, Berlin 1994, ISBN 3-89488-054-6, S. 191.
  5. Filiz Çakir Phillip: Iranische Hieb-, Stich- und Schutzwaffen des 15. bis 19. Jahrhunderts. Die Sammlungen des Museums für Islamische Kunst der Staatlichen Museen zu Berlin und des Deutschen Historischen Museums (Zeughaus) in Berlin. De Gruyter, Berlin 2016, ISBN 978-3-11-031813-5, S. 18.
  6. Vgl. Filiz Çakir Phillip: Iranische Hieb-, Stich- und Schutzwaffen des 15. bis 19. Jahrhunderts. Die Sammlungen des Museums für Islamische Kunst der Staatlichen Museen zu Berlin und des Deutschen Historischen Museums (Zeughaus) in Berlin. De Gruyter, Berlin 2016, ISBN 978-3-11-031813-5, S. 52 f.
  7. Filiz Çakir Phillip: Iranische Hieb-, Stich- und Schutzwaffen des 15. bis 19. Jahrhunderts. Die Sammlungen des Museums für Islamische Kunst der Staatlichen Museen zu Berlin und des Deutschen Historischen Museums (Zeughaus) in Berlin. De Gruyter, Berlin 2016, ISBN 978-3-11-031813-5, S. 41, 53.
  8. Joachim Gierlichs: Philipp Walter Schulz and Friedrich Sarre. Two German Pioneers in the Development of Persian Art Studies. In: Yuka Kadoi, Iván Szántó (Hrsg.): The Shaping of Persian Art. Collections and Interpretations of the Art of Islamic Iran and Central Asia. Cambridge Scholars Publishing, Newcastle upon Tyne 2013, ISBN 978-1-4438-4924-1, S. 213–236, hier: S. 215.
  9. Filiz Çakir Phillip: Iranische Hieb-, Stich- und Schutzwaffen des 15. bis 19. Jahrhunderts. Die Sammlungen des Museums für Islamische Kunst der Staatlichen Museen zu Berlin und des Deutschen Historischen Museums (Zeughaus) in Berlin. De Gruyter, Berlin 2016, ISBN 978-3-11-031813-5, S. 20.
  10. Franz Egger: Der Schweizerdolch – von der Waffe zum Symbol. In: Jahresbericht Historisches Museum Basel (2005), S. 35–45, hier: S. 41.
  11. Christine Beil: Der ausgestellte Krieg. Präsentationen des Ersten Weltkriegs 1914–1939 (= Ludwig-Uhland-Institut für Empirische Kulturwissenschaft: Untersuchungen. Bd. 97). Tübinger Vereinigung für Volkskunde, Tübingen 2004, ISBN 3-932512-27-8, S. 305.
  12. Ernst Aichner, Peter Jaeckel, Jürgen Kraus, Jürgen Schalkhaußer: Bayerisches Armeemuseum, Ingolstadt (= Museum. 1981, April). Westermann, Braunschweig 1981, S. 20.
  13. Ernst Aichner: Die Darstellung des Ersten Weltkrieges im Bayerischen Armeemuseum vor 60 Jahren und heute. In: Hans-Martin Hinz (Hrsg.): Der Krieg und seine Museen. Campus-Verlag, Frankfurt am Main u. a. 1997, ISBN 3-593-35838-7, S. 108–125, hier: S. 111.
  14. Reinhard Baumann, Landsknechte, publiziert am 23. August 2010; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Landsknechte> (10.06.2017); vgl. Birgit von Seggern, die in ihrer Bonner Dissertation von 2003 Stöckleins Beitrag als nationalsozialistisch auswies – er stehe in einer Reihe mit jenen von Martin Lezius und Paul Schmitthenner und sei als „äußerst kritisch zu beurteilen“ (S. 21) bei der Universitäts- und Landesbibliothek Bonn, urn:nbn:de:hbz:5-02856.
  15. Verzeichnis der Mitglieder der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft am 31. Oktober 1926. In: Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft 80 = NF 5 (1926) 4, S. LXXXVII-CXXI, hier: CXIII.