Gipskarstlandschaft Hainholz

Naturschutzgebiet in Niedersachsen
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Die Gipskarstlandschaft Hainholz ist ein Naturschutzgebiet am Südwestrand des Harzes in Niedersachsen. Es liegt etwa fünf Kilometer südlich von Osterode am Harz und unmittelbar westlich von Düna.

Gipskarstlandschaft Hainholz

IUCN-Kategorie IV – Habitat/Species Management Area

Blick von Westen auf das NSG

Blick von Westen auf das NSG

Lage Südwestlich von Osterode, im niedersächsischen Landkreis Göttingen
Fläche 705 ha
Kennung NSG BR 122
WDPA-ID 163253
Geographische Lage 51° 41′ N, 10° 16′ OKoordinaten: 51° 41′ 10″ N, 10° 16′ 13″ O
Gipskarstlandschaft Hainholz (Niedersachsen)
Gipskarstlandschaft Hainholz (Niedersachsen)
Einrichtungsdatum 16.02.1973
Verwaltung NLWKN

Lage und Beschaffenheit Bearbeiten

Das NSG Hainholz-Beierstein ist eines der bedeutendsten Gipskarstgebiete Europas. Altsteinzeitliche und eisenzeitliche Funde zeugen von einer langen Nutzung. Die mittelalterliche Höhenstraße führte durch das Hainholz. Bei der Gewinnung von Mergel zur Verbesserung kalkarmer Böden wurden im 18. Jahrhundert Knochenfunde (Wollhaarnashorn) gemacht, die dem Hainholz einen Platz in der Wissenschaftsgeschichte gaben. Das Hainholz war in der Zeit von 1596 bis 1732 mit Dornsträuchern, vielen Hainbuchen, älteren Eichen und wenig Buchen bewaldet.[1] Heute sind die Gipsflächen von Buchen-Bärlauch-Wald bedeckt. Der Südharzer Karstwanderweg führt durch das Naturschutzgebiet. Das intensiv verkarstete Gebiet ist repräsentativer Bestandteil der Gipskarstlandschaft des Südharzes. Auf engem Raum findet man die typischen Formen einer Karstlandschaft, wie Erdfälle, Lösungs-Dolinen, Bachschwinden, Karstquellen, Estavellen, Karstkegel, Schlotten (geologische Orgeln), Karren und alte Erdfallfüllungen (Reliefumkehr). Frühzeitig wurde das Hainholz durch seine z. T. großräumige Gips-Höhlen bekannt:

 
Waldweg im Hainholz

sowie zahlreiche Kleinhöhlen, z. B.:

  • Jettenufergrotten (17 m)
  • Pfingstspalte (15 m)
  • Aldebaranhöhle (15 m)
  • Franzspalte (15 m)
  • 6 m-Schacht (6 m)
  • Jettenbrunnen

Historische Kulturlandschaft Bearbeiten

Das Hainholz ist eine 7 km² große historische Kulturlandschaft von landesweiter Bedeutung innerhalb des Kulturlandschaftsraums Südwestliches Harzvorland/ Gipskarst. Die Zuordnung zu den Kulturlandschaften in Niedersachsen hat der Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) 2018 getroffen. Ein besonderer, rechtlich verbindlicher Schutzstatus ist mit der Klassifizierung nicht verbunden.[2]

Geschichte Bearbeiten

  • 1308 erste Erwähnung der größten Höhle des Gebietes als Gettenhelle (Jettenhöhle) in einer Katlenburger Urkunde, als erster Beleg eines Höhlennamens in Deutschland (z. B. Tomasek, 1978; Reinboth, 1996).
  • 1596 erste Erwähnung des Hainholzes im Erlass zur Standortkartierung des Genossenschaftforstes Schwiegershausen.
  • 1751 Der Naturforscher Samuel Christian Hollmann berichtet über im Mergel gefundene Knochen, die er als vom Nashorn stammend identifizierte (Vladi, 1979).
  • 1799 Der Anatom Johann Friedrich Blumenbach beschreibt auch anhand der Knochen aus dem Hainholz das Wollhaarnashorn (heute Coelodonta antiquitatis) als eines der ersten ausgestorbenen Großsäuger.
  • In den 1920er- und 1930er-Jahren untersucht Friedrich Stolberg die Höhlen des Hainholzes und vermisst Jettenhöhle und Marthahöhle. Das Hainholz erscheint in der geologischen Literatur (Stolberg, 1926, 1936).
  • 1944 wird erwogen, die Jettenhöhle für die Kriegsproduktion zu nutzen.
  • 1954 vermerkt Walter Gerd Bauer im Schwiegerhäuser Heimatbuch, dass das Gebiet schon 1930 Naturschutzgebiet war.
  • 1963 erfolgt die einstweilige Sicherstellung. Fritz Reinboth beantragt beim Verband deutscher Höhlen- und Karstforscher eine Resolution zur endgültigen Unterschutzstellung. Er untersucht weitere Höhlen des Gebietes (Polenloch) (Reinboth, 1963).
  • Rigips (Bodenwerder) und die Forstgenossenschaft als Eigentümer schließen einen „Handschlagvertrag“ über die Abbaurechte des Gebietes.
  • 1966 Der Geologe Gerhard Richter-Bernburg empfiehlt die Ablehnung eines Kompromisses zum Abbau und die Erhaltung des Gesamtgebietes.
  • 5. Oktober 1967[3] endgültige Unterschutzstellung als Gipskarstlandschaft Hainholz[4].(Amtsblatt des Reg. Bez. Hildesheim Nr. 20/67 S. 130)
  • 1967–1968 Stephan Kempe, Peter Gürtler, Lutz Möller und Willi Twardosz vermessen die Jettenhöhle durch Triangulation erneut und werden Hamburger Landessieger bei Jugend forscht.
  • 1969 Stephan Kempe wird erneut Hamburger Jugend-forscht-Landessieger mit einer Arbeit zur Genese der Gipshöhlen des Hainholzes.
  • 1969 wird die Arbeitsgemeinschaft für niedersächsische Höhlen (ArgeNH) gegründet, die sich vor allem mit der wissenschaftlichen Untersuchung des Hainholzes beschäftigt.
  • 1969 unterschreiben 160 Karstforscher während des Internationalen speläologischen Kongresses in Stuttgart eine Petition zur Erhaltung des Hainholzes.
  • 1970 kartieren Stephan Kempe, Martin Seeger und Firouz Vladi das Hainholz geologisch, das sich als tektonischer Graben erweist (später mit Ergänzungen veröffentlicht von Herrmann, 1981).
  • 1972 erscheint ein Buch über das Hainholz (Kempe et al., 1972).
  • 1973 untersuchen Andreas Brandt, Stephan Kempe, Martin Seeger und Firouz Vladi von der ArgeNH die Hydrogeologie des Hainholzes (Brandt et al., 1976).
  • 1974 werden alle Gewässer des Hainholzes 14-täglich durch die gleichen Bearbeiter beprobt (hydrogeologisches „Lottomittel-Projekt“) (Kempe, 1982).
  • Hans-Joachim Weinberg bohrt, im Rahmen seiner Diplomarbeit, die Beiersteinsenke ab und erarbeitet exemplarisch dessen Erdfallgenese (Weinberg, 1981).
  • Die Unterschutzstellung führt zu jahrelangen Gerichtsprozessen, die letztlich zu einer außergerichtlichen Einigung zwischen Industrie, Eigentümern und Naturschutz führen. Dabei gibt die Bundeswehr den Blossenberg für die Gipsindustrie frei und die Forstgenossenschaft wird mit Ausgleichsflächen entschädigt.
  • 1990 wird ein erster Rundwanderweg eingerichtet.
  • 1995 wird das Hainholz in den Südharzer Karstwanderweg eingebunden.
  • 29. Juni 1997 zerstört ein Sturm fast den gesamten alten Buchenbestand des Hainholzes.
  • 2000 wird ein größerer Rundwanderweg eingerichtet.
  • 2000 wird das Gebiet auf eine Gesamtfläche von ca. 640 ha erweitert.

Literatur Bearbeiten

  • Friedrich Stolberg: Die Höhlen des Harzes. – Der Harz, 2. Sonderheft, Magdeburg, 40 Seiten, 1926.
  • Friedrich Stolberg: Marthahöhle und Klinkerbrunnen bei Düna am Südharz. – Mitt. u. Karst- u. Höhlenforschung 1936(1): 17–26, 1936.
  • Fritz Reinboth: Das Polenloch bei Düna/Hörden. – Mitt. Verb. dt. Höhlen- u. Karstf. 9 , Nr. 1, 3–6, [4 Abb.], München, 1963.
  • Stephan Kempe, Erich Mattern, Fritz Reinboth, Martin Seeger, Firouz Vladi: Die Jettenhöhle bei Düna und ihre Umgebung. – Abh. Karst- u. Höhlenkunde A6, 63 pp, Herzberg, 1972.
  • Stephan Kempe: Wie steht es um das Hainholz? – Mitt. Verb. dt. Höhlen- u. Karstforsch. 18: 11–14, 1972.
  • Stephan Kempe, Andreas Brandt, Martin Seeger, Firouz Vladi: Fünf Aspekte der Entwicklung der Gipshöhlen im Hainholz/Südharz. – Mitt. Verb. dt. Höhlen- u. Karstforsch. 22: 7–10, 1976.
  • Andreas Brandt, Stephan Kempe, Martin Seeger, Firouz Vladi: Geochemie, Hydrographie und Morphogenese des Gipskarstgebietes von Düna/Südharz. – Geol. Jb. C 15: 3–55, 1976.
  • Tomas Tomasek: Die Namensgebung der Jettenhöhle. – Unser Harz 26(11): 209–210, 1978.
  • Firouz Vladi: Die Nashornfunde zu Düna (NSG Hainholz)vom Jahre 1751- und ihre Bedeutung für die physische Geschichte unseres Planeten. – Heimatblätter für den Südwestlichen Harzrand 35: 63–74, 1979.
  • Stephan Kempe, Kay Emeis: Geschichte einer Schlotte im Naturschutzgebiet Hainholz/Südharz. Heimatblätter für den Südwestlichen Harzrand 35: 39–54, 1979.
  • Stephan Kempe: Das Gipskarstgebiet Hainholz, Gefahr für ein bedeutendes Naturdenkmal im Südharz. – Naturschutz und Naturparke 95: 33–40, 1979.
  • Firouz Vladi: Die Nashornfunde zu Düna (NSG Hainholz) vom Jahre 1751 – und ihre Bedeutung für die „physische Geschichte unseres Planeten“. – Heimatblätter für den südwestlichen Harzrand 35: 39–54, 1979.
  • Axel Herrmann: Eine neue geologische Karte des Hainholzes bei Düna/Osterode am Harz. – Ber. Naturhist. Ges. Hannover 124, 17–33, 2 Abb., 2 Kt., Hannover, 1981
  • Firouz Vladi: Bibliographie zu den Gipskarstgebieten Hainholz und Beierstein im Landkreis Osterode. Ber. naturhistor. Ges. Hannover 124: 195–218, 1981.
  • Hans-Joachim Weinberg: Die erdgeschichtliche Entwicklung der Beiersteinsenke als Modell für die jungquartäre Morphogenese im Gipskarstgebiet Hainholz/Beierstein (südwestliches Harzvorland). – Ber. naturhist. Ges. Hannover 124: 67-112, 1981.
  • Stephan Kempe: Long-term records of CO2 pressure fluctuations in fresh waters. – Habilitationsschrift. In: „Transport of Carbon and Minerals in Major World Rivers“, Pt. 1 (ed. E.T. Degens), Mitt. Geol.-Paläont. Inst. Univ. Hamburg, SCOPE/UNEP Sonderband 52: 91–332, 1982.
  • Ernst Andreas Friedrich: Die Nashornschlotten im Hainholz, S. 16–18, in: Wenn Steine reden könnten. Band I, Landbuch-Verlag, Hannover 1989, ISBN 3-7842-0397-3.
  • Fritz Reinboth: Die Geschichte der Höhlenforschung im Harz. – Karst und Höhle, 1996, Karst und Höhle, 1994/95, (Beitrag zur Geschichte der Karst- und Höhlenforschung in Deutschland, Teil 2), München: 63–80, 1996.
  • Stephan Kempe: Gypsum karst of Germany. – In: Gypsum Karst of the World (A. Klimchouk, D. Lowe, A. Cooper & U. Sauro, eds.), Intern. J. Speleol. Spec. Issue Vol. 25(3-4): 209–224, 1996.
  • Stephan Kempe, Angela Helbing: Die „Größe“ deutscher Gipshöhlen. – Die Höhle, 51(1): 13–20, 2000.
  • Stephan Kempe: Gipskarst – ein Überblick. – Exkursionsführer und Veröffentl. DGG, 235: 30-41 (5 Abb., 1 Tab., Hannover), 2008.
  • Stephan Kempe: How deep is hypogene? Gypsum caves in the South Harz. – In: Klimchouk, A., Sasowsky, I.D., Mylroie, J., Engel, S.A., & Engel, A.S. (eds): Hypogene Cave Morphologies, Karst Waters Inst. Spec. Publ. 18: 57–64. (Proc. San Salvador, Bahamas Feb. 2–7, 2014), 2014.
  • Petra Bordfeld: Naturschutzgebiet Hainholz wird 50 Jahre. – Harzkurier, Herzberg, S. 3, 9. November 2017.

Weblinks Bearbeiten

Commons: Naturschutzgebiet Gipskarstlandschaft Hainholz – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Ina Begemann: Palynologische Untersuchungen zur Geschichte von Umwelt und Besiedlung im südwestlichen Harzvorland (unter Einbeziehung geochemischer Befunde), Dissertation zur Erlangung des Doktorgrades der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultäten der Georg-August-Universität zu Göttingen, Göttingen 2003, Seite 45, Weblink (Memento vom 12. Oktober 2012 im Internet Archive) (pdf, 2890 kB)
  2. Christian Wiegang: HK67 Hainholz in: Kulturlandschaftsräume und historische Kulturlandschaften landesweiter Bedeutung in Niedersachsen. Landesweite Erfassung, Darstellung und Bewertung, Hannover, 2019, S. 322–323
  3. Naturschutzgebiet „Gipskarstlandschaft Hainholz“. Niedersächsischer Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz, archiviert vom Original am 8. September 2012; abgerufen am 9. November 2010.
  4. Naturschutzgebiet „Gipskarstlandschaft Hainholz“. Niedersächsischer Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz, archiviert vom Original am 4. September 2012; abgerufen am 9. November 2010.