Ein Großinquisitor, auch Generalinquisitor, war im Mittelalter ein Inquisitor mit besonderen territorialen Befugnissen. In der Frühen Neuzeit war er der Vorsteher der Inquisition für ein Land. Im heutigen Sprachgebrauch wird der negative Assoziationen weckende Begriff auch außerhalb seiner eigentlichen historischen Bedeutung metaphorisch gebraucht.

Kardinalinquisitor Don Fernando Niño de Guevara in einem Gemälde von El Greco (um 1600)

Mittelalter Bearbeiten

Die Inquisitoren wurden im Mittelalter üblicherweise vom Heiligen Stuhl eingesetzt und bevollmächtigt, im Rahmen von kirchlichen Inquisitionsverfahren gegen so genannte Ketzer vorzugehen. In einigen Fällen wurden vom Papst für bestimmte Herrschaftsgebiete Generalinquisitoren ernannt. Im Jahr 1235 ernannte Papst Gregor IX. den ersten Generalinquisitor für Frankreich.[1] Eine strikte Weisungsbefugnis gegenüber seinen Kollegen in der Provinz darf man aus diesem Titel allerdings nicht ableiten.[2]

In den deutschen Landen wird für das frühe 13. Jahrhundert Konrad von Marburg aufgrund seiner Machtfülle als Großinquisitor angesehen, wohingegen als erster offizieller Großinquisitor für Deutschland der 1348 in dieses Amt berufene Johann Schadland gilt.[3]

Spanische Inquisition Bearbeiten

Die Spanische Inquisition wurde am Ende des 15. Jahrhunderts auf Antrag des kastilischen Königspaares Isabella und Ferdinand durch Papst Sixtus IV. genehmigt. Der Papst übertrug die Einrichtung, Verwaltung und Finanzierung der Inquisition auf die Herrscher der Krone von Kastilien und später auch der Krone von Aragonien. Der Generalinquisitor nahm in Spanien eine Doppelstellung ein. Rechtlich war der Generalinquisitor ein Beauftragter des Papstes. Er übte als oberster vom Papst ernannter Inquisitionsrichter eine kirchliche Jurisdiktion aus. Als vom König beauftragter Vorsitzender des Consejo de la Suprema y General Inquisición, war er Leiter der staatlichen Institution Spanische Inquisition.[4] Die wichtigsten Aufgaben des Generalinquisitors waren der Vorsitz im Consejo de la Suprema y General Inquisición, der Vorschlag neuer Mitgliedern und die Leitung der wichtigsten Aktivitäten dieser Behörde. Er war zuständig für die Besetzung der Ämter der verschiedenen örtlichen Tribunale sowie die Aufhebung, Bestätigung oder Änderung der Entscheidungen der örtlichen Inquisitoren.[5] Zusammen mit den Mitgliedern des Consejos de la Suprema y General Inquisición regelte er die gesamten wirtschaftlichen Angelegenheiten der Spanischen Inquisition. Das betraf sowohl die Kosten für den Unterhalt der Behörde, wie auch die Einnahmen durch Strafzahlungen, Konfiskationen und Nutzung von Gütern von Verurteilten. Die von den Generalinquisitoren herausgegebenen „Instrucciones“, eine Sammlungen der Richtlinien des Oficio de la Santa Inquisicion[6] werden als die „Gesetze der Spanischen Inquisition“ bezeichnet. Sie regeln sowohl das Vorgehen der Inquisitoren bei der Tataufklärung als auch die Grundlagen der Strafzumessung.[7]

Liste der Großinquisitoren der Römische Inquisition Bearbeiten

Liste der spanischen Großinquisitoren Bearbeiten

Aus Zu Großinquisitor Andere Ämter
1483 1498 Thomas von Torquemada Prior des Dominikanerklosters Santa Cruz, Segovia, 1477–1498
1499 1506 Diego de Deza Tavera Erzbischof von Sevilla
1506 1507 Diego Ramirez de Guzmán Bischof von Catania, Bischof von Lugo

Trennung der Inquisitionen von Kastilien und Aragonien Bearbeiten

Kastilien Bearbeiten
Aus Zu Großinquisitor Andere Ämter
1507 1517 Francisco Jiménez de Cisneros Kardinal, Erzbischof von Toledo
Aragonien Bearbeiten
Aus Zu Großinquisitor Andere Ämter
1507 1513 Juan Enguera Bischof von Vich, Bischof von Lleida, Bischof von Tortosa
1513 1516 Luis Mercader Escolano Bischof von Tortosa
1516 1517 Adrian von Utrecht Kardinalpriester von Ss. Giovanni e Paolo, Bischof von Tortosa, später Papst

Wiedervereinigung der Inquisitionen Bearbeiten

Aus Zu Großinquisitor Andere Ämter
1518 1522 Adrian von Utrecht Kardinalpriester von Ss. Giovanni e Paolo, Bischof von Tortosa, später Papst
1523 1538 Alonso Manrique de Lara Bischof von Badajoz, Erzbischof von Sevilla, Kardinal
1539 1545 Juan Pardo de Tavera Erzbischof von Toledo
1546 1546 Garcia de Loaysa Erzbischof von Sevilla
1547 1566 Fernando de Valdés y Salas Erzbischof von Sevilla
1566 1572 Diego de Espinosa Bischof von Sigüenza, Bischof von Cuenca
1572 1572 Pedro Ponce de León Bischof von Rodrigo City, Bischof von Placenta
1573 1594 Gaspar de Quiroga y Vela Erzbischof von Toledo
1595 1595 Jerónimo Manrique de Lara Bischof von Cartagena, Bischof von Ávila
1596 1599 Pedro de Portocarrero Bischof von Calahorra, Bischof von Cuenca
1599 1602 Fernando Niño de Guevara Erzbischof von Sevilla
1602 1602 Juan de Zúñiga Flores Bischof von Cartagena
1603 1608 Juan Bautista de Acevedo Bischof von Valladolid, Patriarch von Indien
1608 1618 Bernardo de Sandoval y Rojas Erzbischof von Toledo
1619 1621 Ludwig von Aliaga Martinez
1622 1626 Andres Pacheco Bischof von Cuenca, Patriarch von Indien
1627 1632 Antonio de Zapata y Cisneros Erzbischof von Burgos
1632 1643 Antonio de Sotomayor Prior von Santo Domingo
1643 1665 Diego de Arce y Reinoso Bischof von Tuy, Bischof von Avila, Bischof von Palencia
1665 1665 Pascual von Aragon Erzbischof von Toledo
1666 1669 Juan Everardo Nithard bzw. Johann Eberhard Neidhardt
1669 1695 Diego Sarmiento de Valladares Bischof von Oviedo, Bischof von Plasencia
1695 1699 Juan Tomás de Rocaberti Prior von Santo Domingo, Erzbischof von Valencia
1699 1699 Alonso Fernandez de Cordoba y Aguilar Ernennung zum Großinquisitor, verstarb jedoch, bevor er dieses Amt übernehmen konnte.
1699 1705 Baltasar de Mendoza y Sandoval Bischof von Segovia
1705 1709 Vidal Marin del Campo Erzbischof von Burgos
1709 1710 Antonio Ibanez von Riva Herrera Erzbischof von Saragossa, Erzbischof von Toledo
1711 1716 Francesco del Giudice Erzbischof von Monreale
1715 1715 Felipe Antonio Gil de Taboada Als Großinquisitor ernannt, diente aber nicht.
1717 1717 José de Molines In Rom proklamiert, aber von Österreichern festgenommen und ohne Dienst gestorben.
1718 1718 Felipe de Arcemendi Ohne Dienst gestorben.
1720 1720 Diego de Astorga y Céspedes Erzbischof von Toledo
1720 1733 Johannes von Camargo y Angle Bischof von Pamplona
1733 1740 Andrés de Orbe y Larreategui Erzbischof von Valencia
1742 1746 Manuel Isidro Orozco Manrique de Lara Erzbischof von Santiago
1746 1755 Francisco Pérez de Prado Bischof von Teruel
1755 1774 Manuel Quintano Bonifaz Titularerzbischof von Farsala
1775 1783 Felipe Beltran Serrano Bischof von Salamanca
1784 1793 Agustín Rubin de Ceballos Bischof von Jaen
1793 1794 Manuel Abad y Lasierra Titularerzbischof von Selymbria
1794 1797 Francisco Antonio Lorenzana y Butrón Erzbischof von Toledo
1797 1808 Ramón José de Arce y Rebollar Erzbischof von Burgos
1808 1814 Abschaffung der Inquisition
1814 1818 Francisco Javier Mier Campillo Bischof von Almeria
1818 1818 Christopher Bencomo y Rodriguez Titularerzbischof von Herakleia
1818 1820 Gerónimo Castillón y Salas Bischof von Tarazona

Liste der Generalinquisitoren von Portugal Bearbeiten

  • Diogo da Silva (1536–1539), Erzbischof von Braga.
  • Kardinal Dom Henrique (1539–1579), Erzbischof von Braga, wurde König von Portugal.
  • Manuel de Meneses (1578–), Bischof von Lamego und Bischof von Coimbra, getötet in der Schlacht von Alcacer Quibir.
  • Jorge de Almeida (1580–1585), Erzbischof von Lissabon.
  • Albert VII., Erzherzog von Österreich (1586–1593), Kardinal und Erzbischof von Toledo, Vizekönig von Portugal.
  • António de Matos de Noronha (1596–1602), Bischof von Elvas.
  • Jorge de Ataíde (1602), Bischof von Viseu, lehnte das Amt ab.
  • Alexandre de Bragança (1602–1604), Erzbischof von Evora.
  • Pedro de Castilho (1605–1615), Großkaplan von König Philipp II. von Portugal.
  • Fernando Martins de Mascarenhas (1615–1628), Bischof der Algarve und Bischof von Faro.
  • Francisco de Castro (1630–1653), Bischof von Guarda.
  • Sebastião César de Meneses (1663–1668). Von Portugal ernannt, aber von Papst Alexander VII. nicht bestätigt, da der neue portugiesische Staat vom Heiligen Stuhl nicht anerkannt wurde.
  • Pedro de Lencastre (1671–1673), Erzbischof von Braga und Herzog von Aveiro.
  • Veríssimo de Lencastre (1676–1692), Erzbischof von Braga.
  • Frei José de Lencastre (1693–1705), Bischof von Bragança-Miranda und Bischof von Leiria.
  • Nuno da Cunha e Ataíde (1707–1750), Großkaplan von König Pedro II. von Portugal und Johannes V. von Portugal.
  • José de Bragança (1758–1760), unehelicher Sohn von Johannes V. von Portugal.
  • João Cosme da Cunha (1770–1783), Erzbischof von Evora und Justizminister.
  • Bruder Inácio de São Caetano (1787–1788), Beichtvater von Königin Maria I. von Portugal.
  • José Maria de Melo (1790–1818), Bischof der Algarve, Bischof von Faro und Beichtvater von Königin Maria I. von Portugal.
  • José Joaquim da Cunha Azeredo Coutinho (1818–1821), Bischof von Elvas.

Gegenwart Bearbeiten

Großinquisitor der sogenannten Römischen Inquisition (heute Dikasterium für die Glaubenslehre) war von 1602 bis 1908 (Umbenennung der Behörde in Sanctum Officium) bzw. 1965 (Ende der Ausübung des Präfektenamtes durch den Papst) der Papst selbst.

In der Gegenwart bildet das Wort Großinquisitor überwiegend eine politische, mediale oder literarische Metapher, die auf kollektive klischeehafte Assoziationen im Zusammenhang mit der Inquisition oder der Hexenverfolgung abzielt, die im Kern die negative Vorstellung einer Person gemeinsam haben, die im öffentlichen Auftrag Andersdenkende in böser Absicht oder Verblendung verfolgt und dabei von Grausamkeit und Machtmissbrauch geleitet wird.

Aufgrund der Plakativität des Begriffes ist er für die mediale Verwendung besonders attraktiv. Die Bezeichnung wurde und wird deshalb dazu verwendet, Personen in polemischer Weise mit der negativen Konnotation des Begriffs in Verbindung zu bringen. Beispielsweise wird der jeweilige Präfekt der Glaubenskongregation, der Nachfolgeorganisation der Römischen Inquisition, gelegentlich mit kritischem oder auch ironischem Unterton als „Großinquisitor“ bezeichnet. Beispiele von Personen, die mit diesem Begriff belegt wurden (siehe in den jeweiligen Artikeln): Abraham Calov, Ettore Majorana und Heinrich Himmler.

Die eher literarischen oder Bühnenbearbeitungen, in denen der Begriff aufgegriffen wird, behandeln zumeist schlimme Erfahrungen mit Diktatur, Überwachungsstaat und totalitärer Herrschaft (z. B. Zarenherrschaft, Ostblock, Nationalsozialismus).

Künstlerische Rezeption Bearbeiten

Literatur Bearbeiten

  • Feliciano Barrios Pintado: Las competencias privativas del Inquisidor General en al normativa regia de los siglos XVI y XVII – Una aproximación al tema. In: Revista de la Inquisición: (intolerancia y derechos humanos). Nr. 1, 1991, ISSN 1131-5571, S. 121–140 (spanisch, [4] [abgerufen am 1. August 2019]).
  • Hans Hagen (d. i.: Hans Müller): Konrad von Marburg, deutscher Ketzermeister und Großinquisitor. Trauerspiel in fünf Akten. Frei nach der Geschichte bearbeitet. Leopold & Bär, Leipzig 1890.
  • Tim Heilbronner: El Greco als Porträtmaler: Das Bildnis des Kardinals Don Fernando Niño de Guevara, München/Ravensburg 2004, ISBN 978-3-638-71209-5
  • Alfons Motschenbacher: Katechon oder Großinquisitor? Eine Studie zu Inhalt und Struktur der politischen Theologie Carl Schmitts. Tectum-Verlag, Marburg 2000, ISBN 3-8288-8149-1 (Zugleich: Bamberg, Universität, Dissertation 1997).
  • Michael Scholz-Hänsel: El Greco, Der Großinquisitor. Neues Licht auf die Schwarze Legende (= Fischer-Taschenbücher 10128 Kunststück). Original-Ausgabe. Fischer-Taschenbuch-Verlag, Frankfurt am Main 1991, ISBN 3-596-10128-X.
  • Julius von Voß: Der Großinquisitor von Portugal oder das Erdbeben in Oporto. Letzter Roman. Curths, Berlin 1833 (Mikrofiche-Ausgabe. (= Bibliothek der deutschen Literatur 12264). Saur, München u. a. 1994, ISBN 3-598-53065-X).

Siehe auch Bearbeiten

Weblinks Bearbeiten

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. José Antonio Escudero López: La Inquisición española. In: Francisco J. Mateos Ascacibar, Felipe Lorenzana de la Puente (Hrsg.): Actas de la II Jornada de historia de Llerena. Llerena 2001, ISBN 84-95251-59-0, S. 20 (spanisch, [1] [abgerufen am 15. September 2019]).
  2. Gerd Schwerhoff: Die Inquisition – Ketzerverfolgung in Mittelalter und Neuzeit. 3. Auflage. Verlag C. H. Beck, München 2009, S. 40.
  3. Alexander Patschovsky: Straßburger Beginenverfolgungen im 14. Jahrhundert
  4. Eduardo Galván Rodríguez: El Inquisidor General y los gastos de la guerra. In: Leandro Martínez Peñas, Manuela Fernández Rodríguez (Hrsg.): De las Navas de Tolosa a la Constitución de Cádiz. El Ejército y la guerra en la construcción del Estado. Asociación Veritas para el Estudio de la Historia, el Derecho y las Instituciones, Valladolid 2012, ISBN 978-84-615-9451-1, S. 187 ff. (spanisch, [2] [abgerufen am 1. August 2019]).
  5. Ana Vanessa Torrente Martínez: El proceso penal del la inquisición: un modelo histórico en la evolución del proceso penal. In: Revista jurídica de la Región de Murcia. Nr. 41, 2009, ISSN 0213-4799, S. 58 (spanisch, unirioja.es [abgerufen am 15. September 2019]).
  6. Tomás de Torquemada et al.: Compilacion de las Instrucciones del Oficio de la Santa Inquisicion. Hrsg.: Tribunal del Santo Oficio. Diego Diaz de la Carrera, Madrid 1667 (spanisch, [3] [abgerufen am 1. November 2019]).
  7. Joseph Pérez: Crónica de la inquisición en España. Ediciones Martínez Roca, Barcelona 2002, ISBN 84-270-2773-7, S. 92 (spanisch).
  8. Programmheft Philharmonisches Staatsorchester Hamburg vom 2./3. Februar 1969.