Golden-Pass-Line

Touristenzug in der Schweiz
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Als Golden-Pass-Line (Schreibweise der Betreiberinnen: GoldenPassLine), verkürzt auch Golden-Pass genannt, wird eine von den Schweizer Bahngesellschaften Montreux-Berner Oberland-Bahn (MOB), BLS und Zentralbahn gemeinsam vermarktete Zugverbindung zwischen Montreux und Luzern bezeichnet. Diese führt vom Genfersee über die meterspurige Bahnstrecke Montreux–Zweisimmen und anschliessend über die normalspurige Simmentalbahn und Thunerseebahn nach Interlaken Ost und von dort über die wiederum meterspurige Brünigbahn nach Luzern. Die gesamte Verbindung ist 189 Kilometer lang, davon sind 53 Kilometer normalspurig. Die Fahrtdauer der seit Dezember in Zweisimmen umgespurten Expresszüge Golden-Pass-Express (GPX oder kurz PE) inklusive des Umsteigens in Interlaken beträgt gut fünf Stunden.[1]

Logo der Golden-Pass-Line
Golden-Pass-Express in Zweisimmen

Gemeinsamer MarkenauftrittBearbeiten

 
Plakat „The Golden Pass Route M.O.B.“, 1922

Im gesamtschweizerischen Fahrplan bestanden schon immer gute Zugverbindungen zwischen diesen drei Strecken. In den Jahren 2001/2002 wurde entschieden, diese Tatsache mit einem gemeinsamen Markenauftritt unter dem Namen GoldenPassLine besonders zu betonen.[2] In der Folge wurden entsprechend Fahrzeuge der MOB, der BLS[3] und der Brünigbahn (SBB)[4] mit dem neuen Farbschema weiss/gold/schwarz versehen. Im Verlaufe des Jahres 2013 endete dieser durch Farbgebung betonte formale Auftritt.

Verworfenes Konzept der dritten SchieneBearbeiten

Schon in den 1930er-Jahren entstand die Idee, auf diesen Strecken durch den Bau eines Dreischienengleises eine durchgehende Meterspurverbindung anzubieten. Danach folgten mehrere Studien, von denen die meisten infolge Geldmangels auf Eis gelegt wurden. In der letzten Expertise aus den Jahren 2005/06 wurde vor allem ein Problem im Bahnhof Spiez behandelt. Dort kreuzen die Züge Zweisimmen–Interlaken die Gleise der Lötschbergachse. Die BLS verweigerte eine Kreuzung der Meterspur auf gleichem Niveau mit der Strecke zum Lötschberg aus Kapazitätsgründen. Dies hätte ein aufwendiges Entflechtungsbauwerk erfordert, wodurch die Infrastrukturkosten auf 205 Millionen Schweizer Franken gestiegen wären.[5]
Ausser den Kosten in Spiez wären die Investitionen in das Rollmaterial hinzugekommen, denn die MOB verwendet eine Fahrleitungspannung von 900 Volt Gleichstrom, die übrigen Strecken sind dagegen mit 15 kV 16,7 Hz Wechselstrom elektrifiziert und auf der Brünigbahn verkehren die Züge zudem abschnittweise auf Zahnstange.
Im September 2006 kam das Konsortium der BLS, SBB und MOB zum Schluss, dass die notwendigen Geldmittel von insgesamt rund einer Viertelmilliarde Schweizer Franken in naher Zukunft nicht zu beschaffen seien.

Spurwechselfähige DrehgestelleBearbeiten

Am 3. Oktober 2008 präsentierte die MOB eine neue Variante mit einem massiven Einsparpotenzial gegenüber dem Konzept der dritten Schiene: die Entwicklung eines Spurwechseldrehgestells für 1435 und 1000 Millimeter Spurweite.[6]

Die in anderen Ländern benutzten Spurwechseldrehgestelle gab es nur für eine viel kleinere Umspurdistanz, beispielsweise zwischen Iberischer Breitspur und Normalspur oder mit dem System SUW 2000 / Rafil V zwischen Russischer Breitspur und Normalspur. Ein Drehgestell mit grösserer Umspurdistanz (zwischen der 1067 Millimeter breiten Kapspur und Normalspur) befand sich in Japan seit 1994 in Erprobung.[Anm. 1] Wegen der bei der MOB auf acht Tonnen beschränkten Achslast war dieses Drehgestell aber zu schwer.

Entwicklung des Drehgestells EV09Bearbeiten

 
BDs 220, der erste MOB-Wagen mit umspurbaren Drehgestellen, 2010
 
Die Ge 4/4 8003 der MOB steht im „Normalspurteil“ der Umspuranlage, die 2010 für Versuchszwecke in Montreux installiert war.
 
Mechanismus an einem Drehgestell EV18 zum Anheben der Traverse.

Das eigens für die Golden-Pass-Line entwickelte umspurbare Drehgestell besitzt Einzelräder, die je in einem seitlichen Halbrahmen angebracht sind. Jedes Rad ist auf einer kurzen Welle (Wellenstummel), die in einem Halbrahmen drehbar gelagert ist, fixiert. Über die Halbrahmen und eine Quertraverse sind die Räder miteinander verbunden. Während des Spurwechselvorgangs wird die Traverse angehoben. Die Halbrahmen sind dadurch vom Wagengewicht entlastet und lassen sich zur Veränderung der Spurweite leicht quer verschieben. Zur Anpassung an die im Normal- und im Meterspurnetz unterschiedliche Bahnsteighöhe werden die Halbrahmen gegen die Quertraverse auch vertikal verschoben. Weil auf den Einbau einer Zahnradbremse verzichtet wurde, ist der Zuglauf auf den Abschnitt Montreux–Interlaken Ost beschränkt. Dieses variable Drehgestell wurde von der MOB konzipiert,[7] vom Winterthurer Engineering-Unternehmen Prose entwickelt[8] und von Alstom in Salzgitter gefertigt. Die ersten Drehgestell-Prototypen (Bezeichnung EV09) und eine Prototyp-Umspuranlage wurden im Jahr 2010 erfolgreich getestet.[7] Die Drehgestelle waren jedoch zu schwach dimensioniert.[9]

Neue Panoramawagen mit Drehgestellen EV18Bearbeiten

 
Interfacewagen Bsi 291 mit Hilfsführerstand

Alstom erhielt von der MOB den Auftrag, die Drehgestellkonstruktion zu überarbeiten und zu verstärken. Dadurch wurden die Fahrwerke bedeutend schwerer und erreichen ein Gewicht von nahezu vier Tonnen. Ein Teil der Wagenkästen der vorhandenen Panoramic-Wagen sollte aus Kostengründen auf neue Spurwechseldrehgestelle gesetzt werden.[10] Die Gesamtkosten wurden auf 97 Millionen Schweizer Franken geschätzt, von denen 42 Millionen Schweizer Franken für den Infrastrukturteil vorgesehen waren.[11] Schliesslich wurden nur vier fast neue Panoramawagen von R+J umgerüstet und bei Stadler 19 neue Wagen bestellt.[10]

Auch die Wagenkasten tragen zur grossen Masse der GPX-Wagen bei. Um die Crashnormen der Normalspurstrecken zu erfüllen, sind sie knapp 20 Tonnen schwer geworden.[10] Die Steuerwagen haben eine eingeschränkte Zulassung für Normalspur. An der Zugspitze dürfen sie ausschliesslich auf der Strecke Zweisimmen–Interlaken verkehren.[12]

Auf dem normalspurigen Abschnitt der BLS wird für die Lokomotive Re 465 ein sogenannter Interfacewagen Bsi 291–293 benötigt. Dessen Umspurfähigkeit ist nur zur Überführung in die MOB-Werkstätte Chernex notwendig, wo grössere Unterhaltsarbeiten durchgeführt werden. Dabei wird der Wagen Richtung Montreux mit dem Hilfsführerstand an der Spitze ohne Zugsicherung geschoben. Auf der Seite mit dem Hilfsführerstand verfügen die Interfacewagen über eine Schraubenkupplung mit zwei Puffern und auf der gegenüberliegenden Seite über eine Schwab-Kupplung wie die anderen Wagen des Golden-Pass-Express.[10] Zudem erfüllen diese Wacewagen Aufgaben der Leittechnik, des Bremssystems und der Energieversorgung.[13]

Zur Einhaltung des Behindertengleichstellungsgesetzes muss der GPX über mindestens einen Niederflurwagen verfügen. Die MOB verzichtete auf die zunächst geplante Ausrüstung von vorhandenen Niederflurwagen mit umspurbaren Drehgestellen und bestellte bei Stadler vier neue Wagen BsNF 271–274. Sie werden 2023/2024 abgeliefert und in der Mitte der Züge eingereiht.[10]

Im Zusammenhang mit dem Umbau des Bahnhofes Zweisimmen 2015–2017 wurde eine Umspuranlage gebaut.[14] Im März 2019 wurden auf dieser Anlage 550 Passagen störungsfrei von Normal- auf Meterspur und umgekehrt durchgeführt.[15] Nach der Präsentation 2019 wurde die Umspuranlage verändert. Neu installierte aktive Radlenker erlauben eine präzisere Führung der Drehgestelle beim Umspuren und bieten eine Standard-Geometrie für Normalspurfahrzeuge.[10]

→ Siehe auch: Abschnitt Schweiz im Artikel Umspurung (Eisenbahnfahrzeug)

Betrieb des Golden-Pass-ExpressBearbeiten

Wagenmaterial des GPX[10]
Wagentyp Tara
[t]
Sitz-
plätze
Bemerkung
Ast 181 – 184 27,0 9+20 Steuerwagen
As 191 – 194 26,5 28
BsNF 271 – 274 25,3 43 ab 2023/24,
Niederflur
Bs 281 – 284 25,8 54
ABst 381 – 384 27,0 9+25 Steuerwagen
Bsi 291 – 293 25,1 54 nur auf BLS

Zum Fahrplanwechsel am 11. Dezember 2022 wurde der Betrieb mit je einem Zugpaar pro Richtung aufgenommen, um die Abläufe unter realen Bedingungen zu testen und Erfahrungen zu sammeln. Ab dem 11. Juni 2023 verkehren alle vier Zugpaare umsteigefrei.[16] Ursprünglich war die Betriebsaufnahme bereits auf den 13. Dezember 2020 geplant.[17] Wegen der COVID-19-Pandemie gab es Lieferverzögerungen bei den umspurbaren Drehgestellen.[18]

Speziell am Zug ist, dass er drei Reiseklassen hat. Wie in der Schweiz üblich verfügt er eine 2. und 1. Klasse. Dazu kommt eine Premiumklasse mit verstellbaren Sitzen und grossen Fenstern. Die Premiumklasse ist mit einer Reservierungsgebühr von 35 Franken und einem 1.-Klasse-Billet zugänglich.[19] In der Premium- und der 1. Klasse werden die Reisenden direkt am Platz gastronomisch bedient.[18]

Auf Meterspur wird der GPX mit einer Ge 4/4 8001–8004 befördert. Als Ersatz hat die MOB im Jahr 2021 die Beschaffung neuer Lokomotiven ausgeschrieben.[20] Bei der BLS sind die Re 465 für die Traktion zuständig.

Für eine durchgehende Verbindung nach Luzern müssten in Interlaken ebenfalls eine Umspuranlage gebaut und die Spurwechseldrehgestelle mit Bremszahnrädern oder Magnetschienenbremsen ergänzt werden. Fraglich ist, ob das Schieben von 190 Tonnen Zuggewicht auf der 120-‰-Steigung der Brünigbahn möglich ist.[10]


Ende Februar 2023 wurden erhöhte Abnutzungen an den Weichen auf der Strecke Zweisimmen–Interlaken Ost festgestellt.[21] Bis zur Ermittlung der Ursache verkehrt auf diesem Abschnitt ein Ersatzzug der BLS.[22]

TriviaBearbeiten

Für einen Werbespot von Schweiz Tourismus wurden mit einem Golden-Pass-Express im Januar 2023 im Hauptbahnhof Zürich Filmaufnahmen gemacht, bei denen auch Roger Federer und Trevor Noah zum Einsatz kamen.[12]

WeblinksBearbeiten

Commons: GoldenPass Express – Sammlung von Bildern

AnmerkungenBearbeiten

  1. Dafür wurden drei Versuchszüge Kikan Kahen Densha gebaut.

EinzelnachweiseBearbeiten

  1. Fahrplanfeld 471: Topzüge GoldenPass Line Luzern – Interlaken – Zweisimmen – Montreux. In: Offizielles Kursbuch, Fahrplanjahr 2023
  2. Walter von Andrian: Gemeinsames Design für die Golden-Pass-Route. In: Schweizer Eisenbahn-Revue. Nr. 7/2001, S. 330–331.
  3. Foto: BLS-Pendelzug im Golden-Pass-Line-Anstrich
  4. Foto: Zentralbahn-Komposition (ehemals SBB) im Golden-Pass-Line-Anstrich
  5. Walter von Andrian: Golden Pass: Spurwechsel-Wagen statt dritte Schiene?.In: Schweizer Eisenbahn-Revue. Nr. 11/2008. Minirex, ISSN 1022-7113, S. 574–575.
  6. Spurwechselfähiges Rollmaterial statt dritte Schiene. In: Neue Zürcher Zeitung (online), 3. Oktober 2008.
  7. a b Jean-Marc Forclaz, Christoph Gyr, Christoph Weiss: Entwicklung des spurwechselfähigen Laufdrehgestells EV09. In: Schweizer Eisenbahn-Revue. Nr. 8/2011, S. 382–386.
  8. Die Entwicklung eines spurwechselnden Drehgestells, mit von PROSE entworfenen Vorarbeiten, wird mit dem Alstom-Innovationspreis ausgezeichnet. Abgerufen am 12. April 2021 (deutsch).
  9. Jürg D. Lüthard, Walter von Andrian: MOB-Projekt für Spurwechselzüge auf Schlingerkurs. In: Schweizer Eisenbahn-Revue. Nr. 12/2018, S. 621.
  10. a b c d e f g h Walter von Andrian: Der umspurbare Golden-Pass-Express fährt. In: Schweizer Eisenbahn-Revue. Nr. 2/2023, S. 72–78.
  11. TransGoldenPass – Signale stehen auf Grün Berner Zeitung (online), 12. April 2011
  12. a b Walter von Andrian: Filmspektakel mit GPX in Zürich HB. In: Schweizer Eisenbahn-Revue. Nr. 3/2023, S. 112–113.
  13. C. Deiss, R. Kummrow, J.-M. Forclaz, C. Gyr, S. Bühler: TransGoldenPass und spurwechselfähiges Laufdrehgestell Typ EV09. Prose AG. Graz, 13. September 2011 (PDF; 4,2 KB)
  14. Modernisierung Bahnhof Zweisimmen – Bahnhofumbau ist auf Kurs – umsteigefreie Reise wird ab Ende 2019 möglich. BLS AG, 24. März 2017, abgerufen am 5. Juli 2017.
  15. bahnonline.ch: MOB - Die Tests für den Goldenpass Express sind überzeugend. vom 2. April 2020
  16. Stephan Frei: Der Goldenpass-Express Montreux-Interlaken. In: Eisenbahn Amateur. Nr. 10. SVEA, 2022, ISSN 0013-2764, S. 446–451.
  17. MOB-Spurwechselzüge frühestens ab Sommer 2021. In: Schweizer Eisenbahn-Revue. Nr. 3/2020, S. 167.
  18. a b Urs Jossi: Betrieb des Golden-Pass-Express. In: Schweizer Eisenbahn-Revue. Nr. 11/2022, S. 597.
  19. Goldenpass-Express. Fakten und Daten. MOB, November 2022 (PDF; 9,0 MB).
  20. Mathias Rellstab: Lokomotiven für MBC und MOB. In: Schweizer Eisenbahn-Revue. Nr. 6/2021, S. 304.
  21. Strecke Zweisimmen – Interlaken: Erhöhte Abnutzung an Weichen festgestellt. Auf bahnonline.ch. Aktualisierte Version vom 19. März 2023.
  22. Einschränkung des GoldenPass Express-Zugverkehrs. Mitteilung der MOB, abgerufen am 20. März 2023.