Gesetz des iterierten Logarithmus

mathematischer Satz

Als Gesetz des iterierten Logarithmus werden mehrere Grenzwertsätze der Wahrscheinlichkeitstheorie bezeichnet. Sie treffen Aussagen über das asymptotische Verhalten von Summen von Zufallsvariablen beziehungsweise von stochastischen Prozessen.

Das Gesetz des iterierten Logarithmus für Summen von Zufallsvariablen Bearbeiten

Sei   eine Folge unabhängiger, identisch verteilter (i.i.d.) Zufallsvariablen mit Erwartungswert 0 und Varianz 1. Dann gilt

        fast sicher

und

        fast sicher.

Das Gesetz des iterierten Logarithmus komplettiert als wichtige Aussage über das asymptotische Verhalten von Summen von Zufallsvariablen das Gesetz der großen Zahlen und den zentralen Grenzwertsatz. Erste Beweise in einfachen Fällen stammen von Chintschin (1924) und Kolmogorow (1929), der Beweis für den hier angeführten allgemeinen Fall wurde 1941 von Philip Hartman und Aurel Wintner erbracht. Daher wird die Aussage auch als Satz von Hartman-Wintner bezeichnet. Ein Beweis ist beispielsweise durch den Skorochodschen Einbettungssatz in Kombination mit der Aussage für den Wiener-Prozess möglich.

Die Gesetze des iterierten Logarithmus für den Wiener-Prozess Bearbeiten

Im Folgenden sei stets   ein Standard-Wiener-Prozess auf einem geeigneten Wahrscheinlichkeitsraum  , d. h. für jedes   ist durch   eine Funktion   gegeben. Der Verlauf dieser Funktion ist von   abhängig, also zufällig. Darüber hinaus wächst die Varianz, also das Maß für die "Unbestimmtheit" von W, mit wachsendem t ins Unendliche. Umso erstaunlicher erscheint es, dass sich mit Hilfe der Gesetze des iterierten Logarithmus so präzise Aussagen über den Wiener-Prozess treffen lassen:

Das erste Gesetz Bearbeiten

 
Die ersten beiden Gesetze graphisch dargestellt: das Bild zeigt vier unabhängige Wiener-Prozesse mit 0<t<1000 und die asymptotischen Hüllkurven

Das erste Gesetz des iterierten Logarithmus besagt:

  für P-fast-alle  .

Dabei bezeichnet limsup den limes superior und loglog ist der zweimal hintereinander ausgeführte (iterierte) natürliche Logarithmus.

Das Gesetz lässt sich wie folgt deuten: Betrachtet man für ein beliebig kleines   die beiden Funktionen

  und
 ,

so gibt es stets einen (von   und   abhängigen) Zeitpunkt  , sodass

  •   (  wird also nie mehr überschritten)
  •   (  wird also immer wieder überschritten).

Das zweite Gesetz Bearbeiten

Das zweite Gesetz des iterierten Logarithmus behandelt den limes inferior des Wiener-Prozesses und ist eine einfache Folgerung aus dem ersten: da für alle Zeitpunkte   gilt (  bezeichnet hierbei die Normalverteilung) und W deshalb insbesondere symmetrisch um den Nullpunkt verteilt ist, folgt daraus

  für P-fast-alle  .

Die Interpretation dieses Sachverhaltes erfolgt ebenfalls völlig analog: man ersetzt die Funktionen   und   einfach durch ihr Negatives und das Verb "überschreiten" durch "unterschreiten". Bemerkenswert ist hierbei insbesondere die Kombination der beiden Gesetze: während die äußeren Grenzen   und   irgendwann nicht mehr erreicht werden, werden die inneren, von den äußeren Grenzen nur marginal weit entfernten Grenzen   und  , noch beide unendlich oft überquert. Der Wiener-Prozess muss also immer wieder zwischen den beiden Grenzen hin- und heroszillieren und dabei insbesondere unendlich oft das Vorzeichen wechseln.

Das dritte und vierte Gesetz Bearbeiten

 
Die entsprechende Graphik für die Gesetze drei und vier. Hier ist der Zeithorizont 0<t<0.01

Die beiden anderen Gesetze des iterierten Logarithmus sind weniger anschaulich als die ersten beiden, da sie das Verhalten des Wiener-Prozesses nicht in einem unbeschränkten, sondern nur in einem sehr kleinen Intervall beschreiben, nämlich um den Nullpunkt herum. Dort gilt:

  sowie
  jeweils für P-fast-alle  .

Analog zur obigen Interpretation betrachtet man zu beliebigem   die beiden Funktionen

  und
 .

Dann gibt es wiederum ein (diesmal unter Umständen sehr kleines)  , sodass

  • Für alle   stets   gilt, aber
  • es für alle   noch ein   gibt mit  
  • es aber auch für alle   noch ein   gibt mit  .

Da auch hier beide Gesetze gleichzeitig gelten, bedeutet das, dass der Wiener-Prozess fast sicher in jedem noch so kleinen Intervall   unendlich oft das Vorzeichen wechselt und (da der Wiener-Prozess fast sicher stetig ist und somit dem Zwischenwertsatz genügt) dort unendlich viele Nullstellen hat.

Zum Beweis der Gesetze Bearbeiten

Wie bereits erwähnt, sind die Gesetze 1 und 2 auf Grund der Symmetrie der Normalverteilung äquivalent, was gleichfalls auf die Gesetze 3 und 4 zutrifft. Des Weiteren lässt sich schnell eine Äquivalenz zwischen dem ersten und dem dritten Gesetz auf Grund der Selbstähnlichkeit

 

herstellen, die die beiden Probleme ineinander überführt. Es bleibt also lediglich das erste Gesetz zu beweisen. Dieser Beweis gelang erstmals 1929 dem russischen Mathematiker Alexandr Chintschin, also schon sechs Jahre nachdem Norbert Wiener die Existenz des Wiener-Prozesses bewiesen hatte. Es folgte später noch ein weiterer, weitaus eleganterer Beweis durch Paul Lévy unter Benutzung der Martingaltheorie, die Chintschin noch nicht bekannt war.

Literatur Bearbeiten

  • Achim Klenke: Wahrscheinlichkeitstheorie. 2. Auflage. Springer-Verlag, Berlin Heidelberg 2008, ISBN 978-3-540-76317-8, Kap. 22.