Die sprechbohrer sind ein phonetisch-musikalisches Sprachkunstensemble aus Köln. Es bringt vorwiegend Werke aus dem Grenzbereich zwischen Musik, Lautpoesie, Sprechgesang, Phonetik und Sprache zur Aufführung. Die Sprechbohrer haben sowohl für Tonträger als auch für Konzerte und Uraufführungen eigener und fremder Werke große Aufmerksamkeit und etliche Preise erhalten. Alle Mitglieder des Trios arbeiten auch in angrenzenden Bereichen, sei es als Sprecher, Solokünstler, in anderen Formationen, als Instrumentallehrer, Chorleiter, Hochschuldozent, Komponist oder Buchautor.

sprechbohrer
Allgemeine Informationen
Herkunft Köln, Deutschland
Genre(s) Lautpoesie, Sprachkunst,
Sprechkunst, A cappella
Gründung 2004
Website www.sprechbohrer.de
Gründungsmitglieder
Gesang, Sprache
Sigrid Sachse
Gesang, Sprache
Harald Muenz
Gesang, Sprache
Georg Sachse
Aktuelle Besetzung
Sigrid Sachse
Gesang, Sprache
Harald Muenz
Gesang, Sprache
Georg Sachse

Geschichte Bearbeiten

Vor ihrer Gründung 2004 kannten sich die Mitglieder des Ensembles bereits jahrelang aus verschiedenen Zusammenhängen, darunter ihre gemeinsame Ausbildung am damaligen Institut für Phonetik an der Kölner Universität bei Georg Heike und der Kölner Musikhochschule. Sigrid Sachse und Georg Sachse sind verheiratet und haben gemeinsame Kinder.

Ihr erstes Programm „Jenseits der Ursonate“ führten die Sprechbohrer in der Kunst-Station in St. Peter im Oktober 2004 mit Unterstützung der SK Stiftung Kultur auf.[1] Nachdem sie im Januar desselben Jahres bereits mit dem Programm „… aus dem täglichen Leben“ im Kölner Loft gastiert hatten,[1] waren sie im Oktober 2007 erneut in dieser wegen ihrer Akustik beliebten Pfarrkirche. Dort erlebten sie 2009 im Rahmen des No Music Day (Tag ohne Musik) höchst gegensätzliche Reaktionen aus dem Publikum.[2] Der Witz ist, dass an dem Tag selber keine Musik stattfindet, also auch kein Konzert. In Sankt Peter schwieg beim Gottesdienst die Orgel und es wurde nicht gesungen. Diese 24 stillen Stunden (Intervall) haben die Sprechbohrer mit einem Konzert Decrescendo am Freitag von 23:00 bis 24:00 Uhr eingeleitet, und mit einem Crescendo am Sonntag von 00:00 bis 01:00 Uhr beendet.[1]

Seit der ersten Kölner Musiknacht wurden die Sprechbohrer regelmäßig jedes Jahr für einen Abend dieser Reihe von über hundert Veranstaltungen eingeladen. Zur 2. Kölner Musiknacht steuerten sie am 22. November 2006 in der Alten Feuerwache unter anderem die Uraufführung der Komposition Zungenwerk[3] für Stimmen, Klavier und Kontrabass von Prof. Georg Heike bei; Georg Sachses und Harald Münz’ vormaliger Institutsleiter komponierte sie frei nach Hans Magnus Enzensberger und widmete sie den Sprechbohrern.[4] Im Jahr 2008 sorgten die Sprechbohrer bei der 4. Musiknacht im Funkhaus am Wallrafplatz des WDR mit ihrem Auftritt „songs restructured“ für Aufsehen. Dabei führten sie neben neuen eigenen Stücken auch Klassiker von Helmut Heißenbüttel und das Werk „Zig-Bang“ des Franzosen Georges Aperghis auf.[5] Bei der 5. Kölner Musiknacht präsentierte das Trio in der dortigen Lutherkirche neueste Sprach- und Sprechkunst aus dem eigenen Schaffen und erinnerte zugleich mit zwei seiner Werke aus Anagrammen, Palindromen, Homophonen und Akronymen an Oskar Pastior.[6] Drei Jahre vor dessen Tod spielten die Sprechbohrer ebenfalls 2009 im Auftrag des Hessischen Rundfunks das berühmte experimentelle Sprachkunstwerk Fa:m' Ahniesgwow[7] des Schriftstellers, Sozial- und Wirtschaftshistorikers Hans G Helms in einer vom Autor autorisierten vollständigen Fassung ein.[8] Sie wurde später auf WERGO veröffentlicht und mehrfach ausgezeichnet.

Am 20. Februar 2010 gastierten die Sprechbohrer erneut in der Alten Feuerwache in Köln, wo sie nicht nur neben anderen Werken Fa:m' Ahniesgwow vollständig aufführten, sondern auch eine Diskussionsrunde zu diesem Stück veranstalteten.[1] Bei der 6. Kölner Musiknacht 2010 zum Thema „Alte Musik“ weckten sie Anmutungen von Minimal Music mit Texten aus den Merseburger Zaubersprüchen. Diese gelten als die einzigen überlieferten vorchristlichen althochdeutschen Quellen; sie entstanden vor 750. Barocke Werke aus der Feder von Gerhard Rühm und wiederum eigene Kompositionen rundeten das vielseitige Programm ab.[9][10] In der Musiknacht des Folgejahres brachten die Sprechbohrer auch die Ursonate von Kurt Schwitters auf die Bühne.[11] 2012 traten sie im Rahmen der 8. Kölner Musiknacht im Museum für Angewandte Kunst neben anderen Stücken mit gleich drei Uraufführungen auf[12] und später in der Klangwerkstatt Berlin mit einer Gesamtaufführung von Fa:m' Ahniesgwow.[13] Bei der 9. Kölner Musiknacht treten die Sprechbohrer 2013 im Institut Français mit eigenen und fremden Stücken auf[14] und am 19. September 2014 in der Alten Feuerwache in Köln beim Jubiläumskonzert „10 Jahre sprechbohrer“ wiederum mit einigen Uraufführungen und Repertoirestücken.[15]

Im Frühjahr 2014 brachte Deutschlandradio Kultur ein Radio-Feature des Reporters Florian Neuner mit dem Titel: „Musik für Sprecher. Das Kölner SprachKunstTrio sprechbohrer und die Ästhetische Phonetik.“ Die Portraitsendung enthielt neben Interviewausschnitten mit Georg Heike, Sigrid Sachse, Harald Muenz und Georg Sachse viele Musikpassagen aus dem Schaffen der Sprechbohrer.[16]

Mitglieder Bearbeiten

Die Mitglieder der Sprechbohrer sind außergewöhnlich vielseitig.

Sigrid Sachse Bearbeiten

Die Solopianistin Sigrid Sachse unterrichtet Klavier und tritt vorwiegend mit neuerer Musik auf. Zu ihrem Repertoire gehören unter anderem Werke von Frédéric Chopin, Robert Schumann, Antonín Dvořák, Claude Debussy, Maurice Ravel, Sigfrid Karg-Elert, Frank Martin und Francis Poulenc. Zusammen mit dem Flötisten Martin Becker tritt sie seit 1997 als Duo Descartes auf.[17] Gemeinsam mit ihrem Mann tritt sie unter dem Namen Kaiku, finnisch für Echo, multi-instrumental auch mit exotischen Instrumenten bei Vernissagen und Lesungen und mit eigenen Abendprogrammen auf.[18][19] Zusammen mit dem Kastagnettenkünstler José de Udaeta spielte Sigrid Sachse die CD Magie der Kastagnetten ein[20] und brachte im Jahre 2003 die Uraufführung des „Monolog für Klavier“ von Georg Sachse auf die Bühne der Aula der Universität zu Köln.[21]

Harald Muenz Bearbeiten

Der international bekannte und mit Preisen ausgezeichnete studierte Komponist und Tonmeister Harald Muenz studierte unter anderem Ästhetische Phonetik an der Kölner Universität, was er ebenda 2001–2005 auch unterrichtete. Anschließend war er sechs Jahre lang künstlerischer Leiter am Elektronischen Studio der Musikhochschule Lübeck und unterrichtet zudem seit 2005 Komposition an der School of Arts der Brunel University in London. Er schreibt Kammer-, Orchester- und Vokalmusik, insbesondere Sprechkompositionen. Er hatte Aufträge und Radiosendungen in vielen europäischen Ländern, Südkorea und den USA. Es gibt zahlreiche Publikationen über ihn und von ihm.[22] Seine Partituren erscheinen im Feedback Studio Verlag in Köln.

Georg Sachse Bearbeiten

Der Phonetiker, ästhetische Phonetiker und IPA-Mitglied Dr. Georg Sachse war als Off-Sprecher an mehreren Dutzend CD-Produktionen beteiligt, unter anderem für den WDR, die Kultusministerkonferenz, im Bereich Deutsch für Ausländer für die Verlage Hueber und Langenscheidt sowie Prüf- und Lehrmaterialien der Fernuniversität Hagen.[23][24] Er arbeitet auch als Komponist,[21] als Gitarrenlehrer und lehrt im Bereich Phonetik und Transkription an der Universität zu Köln.[25] Er wurde 2011 mit dem Lehrpreis der Philosophischen Fakultät geehrt.[26] Er gibt musikalisch-literarische Themenabende und betreut einen Kinderchor,[27][28] einen Jugendchor[29][28] und komponierte das Kindermusical Sternenstaub.[30] Er komponiert Musik für Dokumentarfilme, tritt solo als Singer-Songwriter auf,[19] als Interpret für Jazz, Free-Folk[18] und Ambient beziehungsweise Soundscape-Musik.[31][32] Im Sommer 2015 trat Sachse zusammen mit seiner Familie und Susanne Kelling im Schloss Eulenbroich in Rösrath mit „Mondnacht – Eine musikalisch-poetische Reise zum Mond“ auf.[33]

Repertoire (Auswahl) Bearbeiten

Neben etlichen Kompositionen der Ensemblemitglieder selber gehören folgende wichtige Musikstücke zum Repertoire der Sprechbohrer:

die auch auf Tonträgern verfügbar sind. Dazu kommen etliche weitere Stücke von Schwitters und Helms, sowie von John Cage, Oskar Pastior, Dieter Schnebel, Gerhard Rühm, Mauricio Kagel, Georg Heike und einigen anderen.[1]

Diskografie (Auswahl) Bearbeiten

  • Doppel-CD (plus 64 Seiten Booklet) Fa:m' Ahniesgwow, experimentelle Sprach-Komposition von Hans G. Helms, Ersteinspielung des Gesamtwerks, Mainz, WERGO, 2011.
  • CD Kurt Schwitters: ursonate und andere konsequente dichtung, Mainz, WERGO, 2014.

Preise und Auszeichnungen Bearbeiten

Zusammenarbeit mit anderen Künstlern Bearbeiten

Alle Mitglieder des Trios treten auch mit andern Künstlern zusammen auf. Neben den schon erwähnten Kooperationen sind an den von Georg Sachse geleiteten Chorkonzerten oft weitere Interpreten beteiligt.[19] Außerdem gibt es eine Zusammenarbeit zwischen den Komponisten Peter Behrendsen, Hans Peter Reutter und Stefan Streich und den Sprechbohrern.[34][1]

Literatur Bearbeiten

  • Harald Muenz, Florian Neuner (Hrsg.): Autorenmusik. Erkundungen im Zwischenreich von Sprache und Musik. Mit CD-Beilage (eingespielt vom Ensemble sprechbohrer). [Dokumentation der öffentlich geförderten Projekte "Autorenmusik" der sprechbohrer]. Reinecke & Voß, Leipzig 2019, ISBN 978-3-942901-33-8.
  • Bernd J. Kröger, Christine Riek, Georg Sachse (Hrsg.): Festschrift Georg Heike. zum 65. Geburtstag und zur Emeritierung (= Forum Phoneticum. Nr. 66). Wissenschaftliche Buchhandlung Hector, Frankfurt am Main 1998, ISBN 3-930110-14-8.
  • Georg Sachse: Sprechmelodien, Mischklänge, Atemzüge. Phonetische Aspekte im Vokalwerk Steve Reichs (= Kölner Beiträge zur Musikwissenschaft, herausgegeben von Christoph von Blumröder und Wolfram Steinbeck. Band 2). Gustav Bosse Verlag, Kassel 2004, ISBN 3-7649-2702-X (Dissertation 2002).
  • Ulrike Groß, Michael Thiergart (Hrsg.): Sprache und Musik. Hommage an Georg Heike. Festschrift zum 80. Geburtstag des Phonetikers, Musikers, Komponisten und vielfältigen Wegbereiters. Kompositionen und wissenschaftliche Texte unter vielen andern von Klarenz Barlow, Reinhold Greisbach, Ursula Hirschfeld und Eberhard Stock, Stefan Fricke, Harald Muenz, Georg Sachse. In: Lutz Christian Anders, Ines Bosse, Ursula Hirschfeld, Eva-Maria Krech, Baldur Neuber, Eberhard Stock (Hrsg.): Hallesche Schriften zur Sprechwissenschaft und Phonetik, Band 45. Peter Lang Edition, Frankfurt am Main 2013. ISBN 978-3-631-64362-4, ISBN 978-3-653-03443-1

Weblinks Bearbeiten

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. a b c d e f sprechbohrer – Programme. Abgerufen am 27. Juli 2014.
  2. Wie Georg Sachse in einem seiner Seminare im Kontext „subjektiver Musikperzeption“ berichtet.
  3. Zungenwerk – YouTube. Abgerufen am 31. Juli 2014.
  4. Georg Heike, Kompositionen. Abgerufen am 28. Juli 2014.
  5. sprechbohrer – „songs restructured“ – 20. September 2008 – 4. Kölner Musiknacht. Abgerufen am 27. Juli 2014.
  6. sprechbohrer – „Wortmeldungen“ – 19. September 2009 – 5. Kölner Musiknacht. Abgerufen am 27. Juli 2014.
  7. Erschienen 1959/60 bei DuMont Schauberg in Köln
  8. sprechbohrer. Abgerufen am 27. Juli 2014.
  9. sprechbohrer – „ZeitZauberZungenZweifel“ – 25. September 2010 – 6. Kölner Musiknacht. Abgerufen am 27. Juli 2014.
  10. Einen Ausschnitt mit dem Merseburger Zauberspruch 2 gibt es bei YouTube. Abgerufen am 27. Juli 2014.
  11. sprechbohrer – 10. September 2011 – 7. Kölner Musiknacht. Abgerufen am 27. Juli 2014.
  12. sprechbohrer – „Überbleibsel, Andenken, Erinnerungen“ – 22. September 2012 – 8. Kölner Musiknacht. Abgerufen am 27. Juli 2014.
  13. Klangwerkstatt Berlin – Festival für Neue Musik – 2. bis 10. November 2012. Abgerufen am 27. Juli 2014.
  14. sprechbohrer – „Elegien jenseits von Hollywood“ – 14. September 2013 – 9. Kölner Musiknacht. Abgerufen am 27. Juli 2014.
  15. Harald Muenz – On stage. Abgerufen am 27. Juli 2014.
  16. Sendung vom Dienstag, 15. April 2014 von 00:05 bis 01:00 Uhr, von deutschlandradio.de inzwischen depubliziert, siehe jedoch „Neues“ auf sachse-musik.de. Abgerufen am 30. Juli 2014.
  17. Duo Descartes – Martin Becker und Sigrid Sachse. Archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 27. Juli 2014; abgerufen am 27. Juli 2014.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.sachse-musik.de
  18. a b kaiku. Abgerufen am 27. Juli 2014.
  19. a b c Siehe: Georg Sachse, Aufführungstermine. Abgerufen am 27. Juli 2014.
  20. Siehe: Publikationen auf Sachse-musik.de. Abgerufen am 27. Juli 2014.
  21. a b Georg Sachse – Werke. Abgerufen am 28. Juli 2014.
  22. Werke von und über Harald Muenz im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
  23. Georg Sachse – Sprecher. Abgerufen am 27. Juli 2014.
  24. Georg Sachse – About. Abgerufen am 27. Juli 2014.
  25. Universität zu Köln – Philosophische Fakultät – Institut für Linguistik – Phonetik – Dr. Georg Sachse. Abgerufen am 27. Juli 2014.
  26. Universität zu Köln – Philosophische Fakultät – Qualitätsmanagement. Abgerufen am 27. Juli 2014.
  27. AkkuRath, ein vormaliger Grundschulchor aus dem Kölner Veedel Rath, siehe: Veedelschor für Kinder – Kölner Wochenspiegel von Rath-Heumar vom Donnerstag, dem 20. Februar 2014. Abgerufen am 27. Juli 2014.
  28. a b Grönemeyer und Geisterstunde – AkkuRath und ConTakt gaben ein Chorkonzert in der Grundschule – Bergisches Handelsblatt, Ausgabe Rath/Heumar vom Donnerstag, dem 11. Oktober 2012. Abgerufen am 27. Juli 2014.
  29. Jugendchor ConTakt. Abgerufen am 27. Juli 2014.
  30. Uraufgeführt 2007, siehe auch Sternenstaub. Abgerufen am 27. Juli 2014. und Sternenstaub Inhalt. Abgerufen am 27. Juli 2014.
  31. Siehe: norrut. Abgerufen am 27. Juli 2014., „Norrut“ ist schwedisch für „nordwärts, nach Norden raus“
  32. Eisharmonisch – norrut (Georg Sachse) – YouTube. Abgerufen am 27. Juli 2014.
  33. Georg Sachse Musik, Termine. Abgerufen am 16. Juni 2015.
  34. sprechbohrer. Deutsches Musikinformationszentrum, abgerufen am 27. Juli 2014.