Generalanwalt (EuGH)

Position im Europäischen Gerichtshof

Die Generalanwälte am Europäischen Gerichtshof unterstützen die Richter des Europäischen Gerichtshofs in ihrer Entscheidungsfindung. Derzeit gibt es elf Generalanwälte.

Rechtliche Grundlage

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Art. 252 des AEU-Vertrags sah vor, dass der Europäische Gerichtshof von acht Generalanwälten unterstützt wird, deren Zahl durch den Rat durch einstimmigen Beschluss erhöht werden kann. Anlässlich der Unterzeichnung des Vertrags von Lissabon erklärten die Mitgliedstaaten, dass die Zahl der Generalanwälte auf 11 erhöht werden solle, wenn dies der Gerichtshof beantragt.[1] Im Juni 2013 wurde beschlossen, die Zahl der Generalanwälte baldmöglichst auf neun und vom Oktober 2015 an auf 11 zu erhöhen.[2]

Der Generalanwalt hat die Aufgabe, nach der mündlichen Verhandlung öffentlich und in völliger Unparteilichkeit und Unabhängigkeit einen Vorschlag für ein Urteil in der Form von begründeten Schlussanträgen zu stellen, soweit nach der Satzung des Gerichtshofs seine Mitwirkung erforderlich ist. Seine Aufgabe ist daher nicht mit der eines Staatsanwaltes vergleichbar. Die Funktion des Generalanwalts wurde vielmehr als Ersatz für einen in einigen Verfahrensarten fehlenden Instanzenzug vorgesehen.[3] Seine Schlussanträge lassen sich dabei mit einer hypothetischen erstinstanzlichen Beurteilung vergleichen, welche sogleich einer gedachten nächsten Instanz, hier dem tatsächlichen Spruchkörper des Gerichtshofs, vorgelegt wird.[4] Dazu fasst der Generalanwalt die bisherige Rechtsprechung des EuGH in ähnlichen Fällen zusammen und nutzt diese, um seine Vorstellungen hinsichtlich der Beurteilung des vorliegenden Falls zu begründen. Der Generalanwalt ist daher nicht Vertreter einer der beiden Parteien, sondern soll seinen Vorschlag unabhängig und neutral entwickeln. Der EuGH ist an diese Vorschläge nicht gebunden. Er folgt in der Praxis jedoch in etwa drei Viertel aller Fälle den Vorschlägen des Generalanwalts.

Mündliche Verhandlung und Schlussanträge im Verfahren

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Der Gerichtshof entscheidet auf Bericht des Berichterstatters und nach Anhörung des Generalanwalts, ob die Rechtssache eine Beweisaufnahme erfordert, welchem Spruchkörper die Rechtssache zugewiesen wird und ob eine mündliche Verhandlung stattfindet. In der mündlichen Verhandlung vor dem EuGH tragen die Parteien ihre Ausführungen dem Spruchkörper und dem Generalanwalt vor. Die Richter und der Generalanwalt können den Parteien die Fragen stellen, die sie für zweckdienlich erachten. Einige Wochen später, wiederum in öffentlicher Sitzung, trägt der Generalanwalt dem Gerichtshof seine Schlussanträge vor. Darin geht er insbesondere auf die rechtlichen Fragen des Rechtsstreits ein und schlägt dem Gerichtshof in völliger Unabhängigkeit die Entscheidung vor, die seiner Meinung nach in dem Rechtsstreit ergehen sollte. Damit ist das mündliche Verfahren abgeschlossen. Wirft eine Rechtssache keine neuen Rechtsfragen auf, so kann der Gerichtshof nach Anhörung des Generalanwalts beschließen, ohne Schlussanträge zu entscheiden.

Liste der Generalanwälte

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Die Generalanwälte werden durch einen einstimmigen Beschluss der Regierungen der Mitgliedstaaten nach Anhörung des gemäß Art. 255 AEUV gebildeten Expertenausschusses ernannt, was de facto einem einstimmigen Beschluss des Rates der Europäischen Union entspricht. Dabei stellen die fünf großen Mitgliedstaaten Deutschland, Frankreich, Italien, Polen und Spanien einen ständigen Generalanwalt. Die verbleibenden sechs Generalanwälte werden nach einem Rotationsprinzip mit Vertretern der kleinen Mitgliedstaaten besetzt. Derzeit ist die folgende Reihenfolge vorgesehen: Schweden, Belgien, Bulgarien, Tschechische Republik, Dänemark, Estland, Irland, Griechenland, Zypern, Lettland, Litauen, Luxemburg, Ungarn, Malta, Niederlande, Österreich, Portugal, Rumänien.[1]

Die folgende Liste enthält alle Personen, die mit Stand vom Juni 2022 als Generalanwälte am Europäischen Gerichtshof tätig waren oder sind. Die Namen der elf aktuell amtierenden Generalanwälte[5] sind durch Fettsatz hervorgehoben.

Herkunftsland Name Amtszeit
Frankreich  Frankreich Maurice Lagrange 1952–1964
Deutschland  Deutschland Karl Roemer 1953–1973
Italien  Italien Alberto Trabucchi 1973–1976
Frankreich  Frankreich Joseph Gand 1964–1970
Frankreich  Frankreich Alain Louis Dutheillet de Lamothe 1970–1972
Frankreich  Frankreich Henri Mayras 1972–1981
Vereinigtes Konigreich  Vereinigtes Königreich Jean-Pierre Warner 1973–1981
Deutschland  Deutschland Gerhard Reischl 1973–1984
Italien  Italien Francesco Capotorti 1976–1982
Vereinigtes Konigreich  Vereinigtes Königreich Gordon Slynn 1981–1988
Frankreich  Frankreich Simone Rozès 1981–1984
Niederlande  Niederlande Pieter Verloren van Themaat 1981–1986
Italien  Italien G. Federico Mancini 1982–1988
Deutschland  Deutschland Carl Otto Lenz 1984–1997
Frankreich  Frankreich Marco Darmon 1984–1994
Luxemburg  Luxemburg Jean Mischo 1986–1991
1997–2003
Portugal  Portugal José Luís da Cruz Vilaça 1986–1988
Belgien  Belgien Walter van Gerven 1988–1994
Vereinigtes Konigreich  Vereinigtes Königreich Francis Geoffrey Jacobs 1988–2006
Italien  Italien Giuseppe Tesauro 1988–1998
Danemark  Dänemark Claus Christian Gulmann 1991–1994
Griechenland  Griechenland Georgios Cosmas 1994–2000
Danemark  Dänemark Michael Bendik Elmer 1994–1997
Frankreich  Frankreich Philippe Léger 1994–2006
Italien  Italien Antonio Mario La Pergola 1995–1999
Irland  Irland Nial Fennelly 1995–2000
Spanien  Spanien Dámaso Ruiz-Jarabo Colomer 1995–2009
Deutschland  Deutschland Siegbert Alber 1997–2003
Italien  Italien Antonio Saggio 1998–2000
Italien  Italien Antonio Tizzano 2000–2006
Niederlande  Niederlande Leendert Adrie Geelhoed 2000–2006
Osterreich  Österreich Christine Stix-Hackl 2000–2006
Deutschland  Deutschland Juliane Kokott 2003–2024
Portugal  Portugal Miguel Poiares Maduro 2003–2009
Vereinigtes Konigreich  Vereinigtes Königreich Eleanor Sharpston 2006–2020
Italien  Italien Paolo Mengozzi 2006–2018
Frankreich  Frankreich Yves Bot 2006–2019
Slowakei  Slowakei Ján Mazák 2006–2012
Slowenien  Slowenien Verica Trstenjak 2006–2012
Finnland  Finnland Niilo Jääskinen 2009–2015
Spanien  Spanien Pedro Cruz Villalón 2009–2015
Belgien  Belgien Melchior Wathelet 2012–2018
Schweden  Schweden Nils Wahl 2012–2018
Polen  Polen Maciej Szpunar 2013–2024
Tschechien  Tschechien Michal Bobek 2015–2021
Danemark  Dänemark Henrik Saugmandsgaard Øe 2015–2021
Spanien  Spanien Manuel Campos Sánchez-Bordona 2015–2027
Bulgarien  Bulgarien Evgeni Tanchev 2016–2021
Irland  Irland Gerard Hogan 2018–2021
Italien  Italien Giovanni Pitruzzella 2018–2024
Estland  Estland Priit Pikamäe 2019–2025
Griechenland  Griechenland Athanasios Rantos 2020–2027
Frankreich  Frankreich Jean Richard de la Tour 2020–2027
Irland  Irland Anthony Michael Collins 2021–2024
Lettland  Lettland Laila Medina 2021–2027
Zypern Republik  Zypern Nicholas Emiliou 2021–2027
Kroatien  Kroatien Tamara Ćapeta 2021–2027
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Einzelnachweise

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  1. a b Erklärung der Konferenz der Mitgliedstaaten zu Art. 222 AEUV (PDF; 11 kB)
  2. Pressemitteilung (PDF; 215 kB) vom 25. Juni 2013. Abgerufen am 23. Oktober 2013.
  3. "Die Verfassung der Europäischen Union" (Seminar von Thomas Schmitz), abgerufen am 2. September 2020
  4. siehe z. B. Magisterarbeit von Branislav Urbanič (Berlin), S. 32 mit darin enthaltenem Nachweis, abgerufen am 2. September 2020
  5. Seite des Europäischen Gerichtshofes, Liste der Richter und Generalanwälte, abgerufen am 20. September 2016.