Geir Lippestad

norwegischer Rechtsanwalt

Geir Lippestad (* 7. Juni 1964 in Hønefoss[1]) ist ein norwegischer Rechtsanwalt und Politiker. Bekanntheit erlangte er durch die Verteidigung des rechtsextremistischen Massenmörders Anders Behring Breivik. Von 2015 bis 2017 war er Mitglied in der Osloer Stadtregierung (Byråd) für den Bereich Wirtschaft und Kommunalbesitz. Im Oktober 2020 wurde er Vorsitzender der neu gegründeten Partei Partiet Sentrum.

Geir Lippestad (2011)

Leben Bearbeiten

Lippestad ist Inhaber einer Anwaltskanzlei in Oslo. Er ist spezialisiert auf Eigentums- und Arbeitsrecht.[2]

2002 verteidigte Lippestad im Mordfall Benjamin Hermansen einen Neonazi, der an der Ermordung des norwegisch-ghanaischen Jugendlichen Benjamin Hermansen beteiligt war und zu 17 Jahren Gefängnis verurteilt wurde.[3] Nach Lippestads eigenen Worten handelte es sich um den „erste[n] rassistisch motivierte[n] Mord in Norwegen.“[4]

International bekannt wurde Lippestad als Verteidiger des rechtsextremistischen Attentäters Anders Behring Breivik, der die Anschläge in Norwegen 2011 begangen hatte. 2013 veröffentlichte er das Buch Det vi kan stå for (etwa: Wofür wir eintreten können), in dem er in Zusammenhang mit dem Prozess die Herausforderung beschreibt, einen Massenmörder zu verteidigen. Er bekennt sich in dem Buch zu den Idealen der Demokratie und des Rechtsstaates. Mehrere bekannte Anwälte in Norwegen warfen Lippestad nach der Publikation einen Bruch der Verschwiegenheitspflicht und einen lockeren Umgang mit rechtsethischen Prinzipien vor. Die Norwegische Anwaltskammer sprach ihn von dieser Kritik jedoch frei.[5] 2015 endete das Anwaltsverhältnis zwischen Lippestad und Breivik als Breivik wegen Menschenrechtsverletzung klagen wollte, weil er im Gefängnis isoliert ist. Dabei gab es Streitigkeiten um die Strategie, Breivik wählte daraufhin einen anderen Anwalt.[6]

Politik Bearbeiten

Lippestad war Mitglied der sozialdemokratischen Arbeiderpartiet und war zeitweise stellvertretender Vorsitzender des Ortsverbandes in Nordstrand.[7] Von 2005 bis 2010 war er Generalsekretär des Norwegischen Gehörlosenverbandes (Hørselshemmedes Landsforbund).[8][9] Am 21. Oktober 2015 wurde er zum Osloer Byråd für Wirtschaft und Kommunalbesitz berufen.[10] Er blieb bis 2017 im Amt.

Im Oktober 2020 wurde er Vorsitzender der neuen Partei Partiet Sentrum, die von ihm und ehemaligen Mitgliedern des linkeren Flügels der christdemokratischen Kristelig Folkeparti gegründet worden war.[11]

Privates Bearbeiten

Er lebt in Oslo, ist in zweiter Ehe mit der Krankenschwester Signe Lippestad (geb. Husebye) verheiratet und hat acht Kinder: zwei aus seiner ersten Ehe, vier aus Signes erster Ehe, zwei gemeinsame. Eine seiner Töchter war behindert und annähernd gehörlos. Sie erkrankte während des Breivik-Prozesses und starb 2013 im Alter von 17 Jahren.[9][12]

Publikationen Bearbeiten

Weblinks Bearbeiten

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Kurzportrait der Prozessbeteiligten bei rogalandsavis.no, (norwegisch) 17. April 2012, abgerufen am 19. April 2012
  2. Verteidiger Lippestad – eine seltsame Wahl, Süddeutsche Zeitung (online) 27. Juli 2011
  3. Der Standard: Lippestadt – unfreiwilliger Sprecher eines Massenmörders
  4. Gabriela Herpell: „Ich fand ihn nie nett.“ Interview in: Süddeutsche Zeitung Magazin 29/2014, 20. Juli 2014, abgerufen am 20. Juli 2014
  5. Lippestad får full støtte i boksaken (Memento vom 16. Oktober 2014 im Internet Archive) Dagsavisen, 1. Juni 2013
  6. Silke Bigalke: «Breivik braucht Kontakt zu Menschen, sonst geht er zugrunde» Interview in: Tages-Anzeiger vom 26. November 2015.
  7. Breivik erkjenner massedrap (Memento vom 26. März 2012 im Internet Archive), NRK, 23. Juli 2011
  8. Geir Lippstad: Djevelens advokat Advokatbladet, 2011, abgerufen am 24. Juli 2014
  9. a b Spesialoppdraget Dagbladet, 29. August 2011
  10. Disse skal styre Norges hovedstad osloby.no, 21. Oktober 2015.
  11. Håvard Grønli: Tidlegare KrF-arar lagar nytt parti – vil på tinget i 2021. In: NRK. 29. September 2020, abgerufen am 23. Oktober 2020 (norwegisch (Nynorsk)).
  12. Gabriela Herpell: „Ich fand ihn nie nett.“ Interview in: Süddeutsche Zeitung Magazin 29/2014, 20. Juli 2014, abgerufen am 21. Juli 2014 (Seite 2)