Gau Neletici

historische Verwaltungseinheit in den vom Heiligen Römischen Reich eroberten slawischen Gebieten

Der (auch das) Gau Neletici oder Neletizi wurde im 10. Jahrhundert auf sorbisch besiedeltem Gebiet östlich der Saale eingerichtet und nach dem sorbischen Hauptort Nehlitz benannt. Zu ihm gehörte auch Halle mit der Burg Giebichenstein.

Neletici in den sorbischen Stämmen.

Umfang Bearbeiten

König Otto I. (936–973) teilte die vom Heiligen Römischen Reich neueroberten rechtssaalischen slawischen Gebiete in Gaue ein, welche zumeist die Namen der sorbischen Volksstämme erhielten. Der ehemalige Saalkreis umfasste hier zwei sorbische Gaue, den Nudzici- und Neletici-Gau mit den gleichlautenden slawischen Hauptorten Neutz bei Wettin und Nehlitz.

Östlich der Saale gehörte zum Gau Neletici der Burgward Giebichenstein, nahe der Elstermündung in die Saale lag an der Elster der Burgward Radewell im heutigen Hallenser Stadtteil Radewell/Osendorf. Weitere Burgwarde gab es in Thobragora („Guter Berg“ – heute Gutenberg) und Brachstedt (beide zu Petersberg), sowie in Oppin und Niemberg (beide zu Landsberg).

Die Westgrenze von Neletici stellte die Saale dar, im Süden begrenzte das Überschwemmungsgebiet der Weißen Elster den Gau. Die Grenze zu Nudzici im Nordwesten war die Götsche (in ihrem Unterlauf noch heute die Grenze zwischen Halle und dem Saalkreis). Nach Nordosten wurde der Gau in etwa durch das Gebiet der Riede begrenzt, einem linken Zufluss der Fuhne.

Geschichte Bearbeiten

 
Die Quedlinburg im Jahre 956 (Recognitionszeichen MGH DD O. I, 184)

Das neueroberte Sorbenland befand sich zunächst als Königsland in der Hand Ottos. I.

Am 26. Juni 952 tauschte dieser in seiner Königspfalz Merseburg Gemarkungen (marcae) des Gaues Neletici, nämlich Osmünde mit zwei Orten (loca)[1], Trotha mit der Burg (castellum) Groitzsch[2], Thobragora[3], Brachstedt[4] und Oppin[5], gegen nicht genau lokalisierte Güter (praedia) seines Vasallen Billing im Gebiet von Göttingen.[6][7]

Diese Güter um Göttingen schenkte der König 953[8] in seiner Pfalz Quedlinburg dem Moritzkloster Magdeburg.[9] Hierbei wurden die getauschten Gemarkungen des Gaues Neletici als Gut im Slavenland[10] bezeichnet.

Am 29. Juli 961 schenkte er in seiner Pfalz Ohrdruf den Zehnt der Gaue Neletici, Nudzici, Quesizi und Zitizi ebenfalls an das Mauritiuskloster.[11]

Zu einem unbekannten Zeitpunkt vor dem 28. Juli 966 wurde ein Teil des Tausches zwischen Otto I. und Billing aus dem Jahre 952 rückgängig gemacht[12], weil Billing auch Erbgut seiner Frau hierzu verwendet hatte[13]. Vermutlich erhoben Verwandte der Frau nach deren frühen Tod Einspruch, da nach damaligem Recht dieses Gut bei einer kinderlosen Ehe an die Familie der Frau zurückgehen musste. Der Vertrag wurde gelöst, und Otto I. erhielt die getauschten Gemarkungen im Gau Neletici zurück. Am 28. Juli 966 schenkte der König in seiner Pfalz Wallhausen diese Güter ebenfalls dem Mauritiuskloster.[14] Erwähnt wurden hierbei Neustadt[15], Brogora[16], Oppin[17] und Brachstedt[18].

Grafen Bearbeiten

  • Billing (bezeugt 937–966, † wohl 967 – am 2. Dezember 958 als Graf (ohne Lokalisierung) erwähnt[19], besaß spätestens ab 963 Grafenrechte im Gau Neletici)

Literatur Bearbeiten

  • Otto Schlüter, Oskar August (Hrsg.) unter Mitwirkung zahlreicher Fachwissenschaftler: Atlas des Saale- und mittleren Elbegebietes. Verlag Enzyklopädie, Leipzig 1957–1960

Anmerkungen Bearbeiten

  1. Ozmina marcam cum duobus lucis.
  2. Tarata marcam cum castello Grodista.
  3. Thobragora marcam.
  4. Brehstedi marcam.
  5. Vpina marcam.
  6. DO I Nr. 152 vom 26. Juni 952 = RI II,1 n. 214, In: Regesta Imperii Online, URI: http://www.regesta-imperii.de/id/0952-06-26_1_0_2_1_1_404_214 (Abgerufen am 1. Februar 2018); Digitalisat der RI-Buchseite 100; Abbildung der Urkunde beim LBA Marburg.
  7. Gertraud Eva Schrage: Zur Siedlungspolitik der Ottonen. Untersuchungen zur Integration der Gebiete östlich der Saale im 10. Jahrhundert. In: Blätter für deutsche Landesgeschichte. Bd. 135, 1999, S. 189–268, hier S. 220, Anm. 239: „DO I, Nr. 152; Lokalisierung und Interpretation bei Christian Lübke: Regesten zur Geschichte der Slaven an Elbe und Oder (vom Jahr 900 an). (= Osteuropastudien der Hochschulen des Landes Hessen. Reihe 1 = Gießener Abhandlungen zur Agrar- und Wirtschaftsgeschichte des europäischen Ostens. 131, 133, 134, 152, 155). Berlin 1984–1988, T. 2, Nr. 87. Die bei Gabriele Rupp: Die Ekkehardiner, Markgrafen von Meißen, und ihre Beziehungen zum Reich und zu den Piasten. (= Europäische Hochschulschriften / European University Studies / Publications Universitaires Européennes Reihe III: Geschichte und ihre Hilfswissenschaften. Bd. 691), Peter Lang Verlag, Frankfurt 1996, ISBN 978-3-631498682, S. 64, Anm. 113 gemachten Angaben beziehen sich auf das 952 vorgenommene Tauschgeschäft Billings mit Otto I. und nicht auf Hermann (Billung).“
  8. Wahrscheinlich am (oder um den) 21. April 953, vgl. RI II,1 n. 228, in: Regesta Imperii Online, URI: http://www.regesta-imperii.de/id/0953-04-21_1_0_2_1_1_426_228 (Abgerufen am 2. Februar 2018) Digitalisat der RI-Buchseite 106 Druck in MGH DD, oder aber während seines Winteraufenthaltes in Sachsen dann im Dezember 953, vgl. RI II,1 n. 237a, In: Regesta Imperii Online, URI: http://www.regesta-imperii.de/id/0953-12-00_1_0_2_1_1_445_237a (Abgerufen am 2. Februar 2018).
  9. RI II,1 n. 229, In: Regesta Imperii Online, URI: http://www.regesta-imperii.de/id/0953-00-00_1_0_2_1_1_427_229, Digitalisat der RI-Buchseite 106, Druck in MGH DD, Abbildung beim LBA Marburg, hiernach von 0.4.953 (Wochentag: Unbekannt). (Abgerufen am 2. Februar 2018)
  10. Donavimus in patria Sclavorum.
  11. Otto I. - 961 iuli 29, Ordorff - schenkt dem kloster S. Moriz zu Magdeburg den zehnten von allen fruchten und allen nutzungen, von welchen die christen in den gauen und burgen: in Neletici mit Giebichenstein, im andern Neletici (am rechten ufer der Mulde) mit Wurzen, in Quezici mit Eilenburg, in Siusile mit Holm (unbekannt), in Zitici mit Kleinzerbst (vgl. Böttger Diöcesangr. 4, 26), in Nudzici mit Wettin, Lobejun, Rothenburg, Loponoh (nach Böttger l. c. 4, 29 Löbnitz, kr. Teicha), Trebnitz und Brandanburg (unbekannt) zu entrichten haben Aus: RI II,1 n. 305, In: Regesta Imperii Online, URI: http://www.regesta-imperii.de/id/0961-07-29_1_0_2_1_1_564_305, Digitalisat der RI-Buchseite 106, Druck in MGH DD. (Abgerufen am 29. Januar 2018).
  12. rupto concambio
  13. quitquid coniunx sua hereditarii iuris habere videbatur
  14. DO I Nr. 329 = RI II,1 n. 431, in: Regesta Imperii Online, URI: http://www.regesta-imperii.de/id/0966-07-28_1_0_2_1_1_751_431, Digitalisat der RI-Buchseite 194, Druck in MGH DD (Abgerufen am 5. Februar 2018).
  15. Nova urbs - nach den RI Vorstadt von Halle, nach Gertraud Eva Schrage: Zur Siedlungspolitik der Ottonen. Untersuchungen zur Integration der Gebiete östlich der Saale im 10. Jahrhundert. In: Blätter für deutsche Landesgeschichte. Bd. 135, 1999, S. 189–268, hier S 221: Niemberg
  16. wohl das Thobragora von 952
  17. Uppinemque
  18. Brehztod
  19. DO.I.198 = RI II,1 n. 265, in: Regesta Imperii Online, URI: http://www.regesta-imperii.de/id/0958-12-02_1_0_2_1_1_508_265; Digitalisat der RI-Buchseite 133; Druck in MGH DD. (Abgerufen am 5. Februar 2018).