Günther von Rohrscheidt

deutscher Jurist

Günther Theodor Konrad von Rohrscheidt (* 24. Dezember 1888 in Gnesen;[1]17. Dezember 1963 in West-Berlin[2]) war ein deutscher Jurist. Er wurde vor allem bekannt als Verteidiger von Rudolf Heß im Nürnberger Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher von 1945/1946, in dem Heß als „Stellvertreter des Führers“, d. h. als Leiter des Parteiapparates der NSDAP, angeklagt war.

Leben und Tätigkeit Bearbeiten

Nach dem Schulbesuch studierte Rohrscheidt Rechtswissenschaften.

Verteidiger im Nürnberger Hauptkriegsverbrecherprozess Bearbeiten

Im Herbst 1945 wählten die vier Siegermächte des Zweiten Weltkriegs Rudolf Heß, der von 1933 bis 1941 als Leiter der Dienststelle „Stellvertreter des Führers“ (später in Parteikanzlei der NSDAP umbenannt) den zum Reichskanzler avancierten Adolf Hitler in der täglichen Leitung der NSDAP vertreten hatte, bevor er 1941 in britische Kriegsgefangenschaft geraten war, als einen von 21 führenden Männern der NS-Diktatur aus, die sie im ersten der Nürnberger Prozesse, dem „Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher“, vor dem von ihnen geschaffenen Internationalen Militärtribunal in Nürnberg anklagten. Bei den Nürnberger Prozessen handelte es sich um eine Reihe von Prozessen, in denen die alliierten Mächte Angehörige der deutschen Staats- und Militärführung sowie Angehörige von Organisationen der NSDAP, die sie verdächtigten, sich während des Zweiten Weltkriegs verwerflicher Handlungen schuldig gemacht zu haben, zur Klärung dieser Verdächtigungen Prozessen vor einem zu diesem Zweck eingerichteten internationalen Gericht unterwarfen. Heß wurde im ersten dieser Prozesse angeklagt, sich durch seine Tätigkeit als Leiter der Geschäfte der Nationalsozialistischen Partei und enger Vertrauter Hitlers der vier durch das Londoner Statut geschaffenen Straftatbestände schuldig gemacht zu haben, sich an der Verschwörung zur Führung eines Angriffskrieges beteiligt zu haben, sich an der Führung eines Angriffskrieges, Kriegsverbrechen begangen zu haben sowie Verbrechen gegen die Menschheit begangen zu haben.

Das Gericht gab Heß im Vorfeld des Prozesses Gelegenheit, sich während des Prozesses durch einen deutschen Anwalt vertreten zu lassen. Da Heß, von dem vielfach vermutet wurde, dass er sich in einem Zustand geistiger Verwirrung befinde, keine Anstalten machte, sich einen eigenen Anwalt zu suchen, wurde Rohrscheidt ihm als von Amts wegen zugeteilter Pflichtverteidiger zur Seite gestellt. Der folgende Prozess dauerte vom Oktober 1945 bis September 1946.

Am 5. Februar 1946 wurde Rohrscheidt als Verteidiger Heß’ durch den Münchener Rechtsanwalt Alfred Seidl abgelöst. Laut Heß’ Sohn war der Grund, weshalb sein Vater sich von Rohrscheidt trennte, der, dass beide „kein Vertrauensverhältnis zueinander“ gefunden hätten, so dass der Vater Seidl, der bereits seinen Mitangeklagten Hans Frank verteidigte, gebeten habe, auch seine Verteidigung zu übernehmen.[3]

Im Urteil vom September 1946 kam das Gericht zu dem Ergebnis, dass Heß in den ersten beiden Anklagepunkten schuldig sei, und verurteilte ihn zu lebenslanger Haft, die er bis zu seinem Tod durch Suizid im alliierten Kriegsverbrechergefängnis in Spandau verbüßte.

Weiteres Leben Bearbeiten

Rohrscheidt trat nach dem Hauptkriegsverbrecherprozess öffentlich nicht mehr nennenswert hervor. Das Amtsblatt für Berlin verzeichnet im Jahr 1964 den Tod eines Notars Günther von Rohrscheidt, der eventuell mit ihm identisch ist.[4]

Im Berliner Adressbuch von 1964 ist Günther von Rohrscheidt mit Adresse in der Begasstraße 10 in Schöneberg nachweisbar.[5]

Archivische Überlieferung Bearbeiten

Im Bundesarchiv Berlin hat sich eine Personalakte zu Rohrscheidt in der Überlieferung des Reichsjustizministeriums erhalten (R 3001/9793).

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Gothaisches genealogisches Taschenbuch der adeligen Häuser, Teil B, 34. Jahrgang, Justus Perthes Verlag, Gotha 1942, S. 444
  2. Landesarchiv Berlin: Standesamt Schöneberg: Namensverzeichnis zum Sterberegister für das Jahr 1963, S. 328 des Digitalisat (mit Verweis auf die Sterberegisternummer 1963/2584).
  3. Wolf Rüdiger Hess: Mein Vater Rudolf Hess: Englandflug und Gefangenschaft, 1984, S. 214.
  4. Amtsblatt für Berlin, Bd. 14, 1964, S. 145.
  5. Eintrag zu Rohrscheidt im Berliner Adressbuch von 1964.