Fort McMurray

Ort in Alberta, Kanada

Fort McMurray ist eine unselbständige Gemeinde im nordöstlichen Teil von Kanadas Provinz Alberta. Die Stadt liegt in der Region Nord-Alberta und gehört zum Gemeindebezirk Wood Buffalo. Die Stadt ist Zentrum der kanadischen Ölsandindustrie. 2016 wurden Teile der Stadt durch einen ins Stadtgebiet übergreifenden Waldbrand schwer verwüstet.

Fort McMurray
Luftbild von Fort McMurray
Luftbild von Fort McMurray
Lage in Alberta
Fort McMurray (Alberta)
Fort McMurray (Alberta)
Fort McMurray
Staat: Kanada Kanada
Provinz: Alberta
Regional Municipality: Wood Buffalo
Koordinaten: 56° 44′ N, 111° 23′ WKoordinaten: 56° 44′ N, 111° 23′ W
Höhe: 370 m
Fläche: 35 km²
Einwohner: 61.374 (Stand: 2011[1])
Bevölkerungsdichte: 1.753,5 Einw./km²
Zeitzone: Mountain Time (UTC−7)
Postleitzahl: T9H – T9K
Gründung: 1870

Geographie Bearbeiten

Lage Bearbeiten

Fort McMurray liegt 435 km nordöstlich der Provinzhauptstadt Edmonton, knapp 60 km westlich der Grenze zur Provinz Saskatchewan, umgeben von borealem Nadelwald an der Mündung des Clearwater River in den Athabasca River. Die Region ist durch das Vorkommen der Athabasca-Ölsande (tar sands) in durchschnittlich 30 Meter Tiefe geprägt, die zwischen einem und 18 Prozent Bitumen enthalten.

Klima Bearbeiten

Die Durchschnittstemperatur beträgt −19,8 °C im Januar und +16,6 °C im Juli. Der Gesamtniederschlag pro Jahr beläuft sich auf 334,5 mm, der jährliche Schneefall beträgt 172,0 cm. Die Gesamtsumme an Sonnenschein im Jahr beträgt 2.108 Stunden im langjährigen Jahresdurchschnitt.

Geschichte Bearbeiten

Vor der Besiedlung durch weiße Pelzhändler im späten 18. Jahrhundert lebten Cree in der Region um das heutige Fort McMurray. Gegründet wurde die Siedlung 1870 als Wegposten der Hudson’s Bay Company. Die Alberta and Great Waterways Railway verknüpfte die Siedlung 1915 mit dem Eisenbahnnetz und ergänzte so den bestehenden Dampfbootverkehr auf dem Athabasca River. 1947 wurde Fort McMurray mit der Gemeinde Waterways vereint; der Namensbestandteil Fort entfiel bis 1962.

1980 wurde die Gemeinde zur Stadt erhoben; 1981 hatte sie aufgrund des Ölsandbooms bereits 31.000 Einwohner (1971: ca. 7000). In der Folge wurde sie als Zentrum der Ölsand- und Gasförderung in Alberta und wichtige Pipelinestation zu einer typischen Boomtown. Viele Menschen wanderten aus Neufundland und anderen kanadischen Ostprovinzen zu. 1996 wurde Fort McMurray mit angrenzenden Bezirken zur Municipality of Wood Buffalo (2016: ca. 125.000 Einwohner) zusammengelegt; seither gibt es keine eigenständige Stadt mehr unter dem Namen Fort McMurray.

Demographie Bearbeiten

Während sich die Einwohnerzahl bis in die 1970er Jahre nur langsam entwickelte, setzte mit Beginn der Ölsandförderung eine starke Bevölkerungszunahme ein. In den letzten Jahren hat die Stadt dadurch einen ungemeinen Aufschwung erlebt. Innerhalb von zehn Jahren ist die Bevölkerung von 33.078 im Jahr 1996 bis zum Jahr 2006 auf 47.705 Einwohner, also um fast 50 % gewachsen. Im Jahr 2011 war die Einwohnerzahl nochmals um 28,7 % auf 61.374 Einwohner, angestiegen.[2] 2011 lebten damit mehr als 93 % der Bevölkerung des Bezirks in Fort McMurray.

In der Nähe von Fort McMurray liegen mehrere kleinere Reservate mit einer Fläche von 31 Quadratkilometern für etwa 750 Angehörige der First Nations der Woodland Cree und Athabasca Chipewyan. Diese verwalten das Gebiet gemeinsam als Fort McMurray First Nation.[3]

Ölsandvorkommen und Fracking Bearbeiten

Bereits im 18. Jahrhundert dichteten die Cree ihre Kanus mit dem Bitumen aus Ölsanden, die dort in großem Umfang bis an die Erdoberfläche lagern. Seit 1921 versuchte man durch thermische Verfahren das Öl vom Sand abzuscheiden. In den 1930er Jahren gelang es dem Unternehmen Abasands Oil in größerem Umfang, das Öl durch Heißwasserextraktion vom Sand zu trennen. In den 1970er Jahren wurde wegen der Nahostkrisen der Ölsandabbau intensiviert.

Auf Grund der starken Bevölkerungszunahme sind die Preise für Immobilien stark gestiegen und übersteigen die von Toronto oder Vancouver, der teuersten Großstädte Kanadas (Stand: 2006). Obwohl 1600 Häuser pro Jahr gebaut werden und von den Ölfirmen Containerhäuser aufgestellt werden, kann das Wohnungsangebot mit dem Wachstum kaum Schritt halten. Der Jahresdurchschnittsverdienst eines Ölarbeiters betrug Ende der 2000er-Jahre 100.000 kanadische Dollar, doppelt so viel wie im übrigen Kanada.[4]

Außer auf dem Ölsandabbau beruht die Wirtschaft der Stadt auf ihren Erdgasvorkommen, der Forstwirtschaft und dem Tourismus.

Umweltprobleme Bearbeiten

Die dichte Vegetation der nördlichen borealen Zone ist durch die Trockenheit der letzten Jahre gefährdet;[5] darüber hinaus wurde sie in den nördlich von Fort McMurray liegenden acht Abbaugebieten vollständig entfernt und durch Emissionen in weiterem Umkreis stark geschädigt. Um einen Liter Bitumen aus dem Sand zu waschen, benötigt man fünf Liter Wasser, das anschließend in Klärteichen gespeichert wird. Der Schlamm in diesen Teichen ist mit Kohlenwasserstoffen, Quecksilber und Arsen verseucht. Der aus dem Bitumen extrahierte Schwefel wird in großen Halden gelagert.[6]

Das Magazin der Royal Canadian Geographic Society berichtete im Juni 2008 über die „Disaster zone“, die als Folge der täglichen Förderung von über einer Million Barrel Rohöl nördlich von Fort McMurray entstanden sei. Einige Hundert Quadratkilometer Land seien verwüstet, dicker Smog steige aus den Extraktionsanlagen und Raffinerien auf. Damals wurde eine Vervierfachung oder Verfünffachung der Förderung bis 2020 vorausgesagt,[7] was aufgrund des Verfalls des Rohölpreises nicht eingetreten ist.

Der mehrfach preisgekrönte Film „Dark Eden – Der Albtraum vom Erdöl“ der beiden in Leipzig lebenden Regisseure Jasmin Herold und Michael David Beamish zeigt ein existenzielles Drama über Segen und Fluch der Erdölgewinnung[8], er wurde der Bewegung Fridays for Future gewidmet.

Waldbrände im April/Mai 2016 Bearbeiten

 
Evakuierung der Bevölkerung am 3. Mai 2016 nach Süden über den Alberta Highway 63 (am Folgetag unpassierbar)
 
Die Brände am 4. Mai 2016 aus Sicht des NASA-Satelliten Landsat 7

Am 30. April 2016 um 16:00 Uhr wurde am Stadtrand von Fort McMurray ein Brand gemeldet.[9] Danach gab es nahe der Stadt zwei kontrollierte und einen unkontrollierten Brand, welcher später auf die Stadt überzugreifen drohte. Betroffen waren rund 130 Hektar, für einige Wohngebiete wurde die Evakuierung angeordnet oder empfohlen.[10]

Am 2. Mai ließ der Wind nach, was zwar den Brand beruhigte, aber dessen Lokalisierung aus der Luft erschwerte. Die Evakuierungsvorgaben wurden teilweise angepasst.[11]

Am 3./4. Mai 2016 wurden zunächst etwa die Hälfte und später die gesamten ca. 88.000 Bewohner der Stadt vom Katastrophenschutz aufgefordert, wegen eines Waldbrandes die Stadt zu verlassen und 20 km entfernte Schutzeinrichtungen aufzusuchen. Dies ist die größte Evakuierungsaktion, die jemals in Alberta stattfand. Die Menschen wurden aufgefordert, besonnen in Richtung Norden zu fahren, da der Alberta Highway 63 nach Süden vom Feuer erreicht wurde.[12][13] Am Abend des 4. Mai war auch die entsprechende Straße nach Norden vom Feuer blockiert.[14]

Bis zum 5. Mai wurden in Fort McMurray nach offiziellen Angaben ca. 2.000 Häuser zerstört. Die Behörden beabsichtigten, bis zu 25.000 Bewohner der Stadt über eine Luftbrücke in Sicherheit zu bringen.[15]

Am 6. Mai konnte ein großer Teil dieser Menschen doch vom Norden der Stadt in Konvois in südlicher Richtung evakuiert werden. Weitere Tausende wurden ausgeflogen.[16][17]

Bis zum 8. Mai war eine Fläche von über 160.000 ha verbrannt; in der Folge wurde eine Ausbreitung der Brände Richtung Osten in die Nachbarprovinz Saskatchewan mit einer Verdoppelung der betroffenen Fläche befürchtet.[18] Im Zuge zurückgehender Temperaturen, leichten Nieselregens und des umfassenden Einsatzes der Feuerwehr konnten die Brände in der Stadt gelöscht werden:[19] am 9. Mai wurde mitgeteilt, dass die Gemeinde vor der befürchteten ganz großen Katastrophe verschont geblieben war: ca. 10 % der Stadt, 2.400 Gebäude wurden zerstört.[20]

Zeitweilig waren an der Bekämpfung des Feuers 2.804 Feuerwehrleute, 208 Helikopter und 29 Löschflugzeuge beteiligt. 299 Feuerwehrmänner aus Südafrika, 200 aus den USA und 41 aus Mexiko unterstützen die Löscharbeiten, dazu viele Feuerwehrmänner aus anderen Provinzen Kanadas.

Am 10. Juni teilte die Provinzregierung von Alberta in einem Abschlussbericht mit, dass 5.900 Quadratkilometer Land vom Feuer betroffen waren und mehr als 535 Kilometer an Brandschneisen angelegt wurden. Die noch bestehenden Brände seien unter Kontrolle.[21] Nachdem der Winter abgewartet wurde um festzustellen, ob noch Glutnester vorhanden waren, wurde das Feuer nach über einem Jahr am 2. August 2017 endgültig für gelöscht erklärt.[22]

Als allgemeine Ursache der Waldbrände, die über das übliche Maß der in Kanadas borealen Nadelwäldern häufigen sommerlichen Brände hinausgehen, wurde die seit den 1970er Jahren verlängerte Brandperiode aufgrund steigender Durchschnittstemperaturen und zurückgegangener Niederschlagsraten infolge des Klimawandels genannt. Außerdem gingen den Bränden ein wegen des Klimaphänomens El Niño außergewöhnlich milder und trockener Winter und ein sehr frühes und heißes Frühjahr voran. Starke Winde ließen die Feuer immer wieder anfachenden. Auch die Art der jahrzehntelange geübten Bekämpfung der saisonalen Waldbrände habe die Brandentwicklung beschleunigt und verstärkt, indem sie den regelmäßigen natürlichen Abbrand z. B. des Unter- und Totholzes verhindert habe.[23]

Verkehr Bearbeiten

 
Der Alberta Highway 63 in Fort McMurray

Der Alberta Highway 63 wurde im 21. Jahrhundert zur wichtigsten Gütertransportader Kanadas für LKW (gemessen in Tonnen pro Kilometer und Zahl der LKW). Er gilt insbesondere durch Schwertransporte als überlastet[24] und wird aufgrund der Schäden, Staus und vieler Unfälle seit 2008 für etwa eine Milliarde Kanadische Dollar ausgebaut. Dieser Ausbau ist jedoch im Frühjahr 2016 immer noch nicht fertiggestellt.[25] Als Folge des Verkehrsengpasses auf dem Highway ist auch der Flughafen Fort McMurray überlastet, der inzwischen mit fast einer Million Passagiere pro Jahr mehr als das Achtfache seiner Sollkapazität bewältigen muss.

Persönlichkeiten Bearbeiten

Söhne und Töchter der Stadt Bearbeiten

Personen mit Beziehung zur Stadt Bearbeiten

Literatur Bearbeiten

  • John Vaillant: Die Bestie. Wie das Feuer von unserem Planeten Besitz ergreift. München 2023, ISBN 978-3-453-28165-3.

Weblinks Bearbeiten

Commons: Fort McMurray, Alberta – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Statistics Canada – Census Fort McMurray 2011 (Memento des Originals vom 4. Juni 2016 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www12.statcan.ca
  2. Government of Canada, Statistics Canada: Statistics Canada: 2011 Census Profile. In: www12.statcan.gc.ca. Abgerufen am 4. Mai 2016.
  3. Website der Athabasca Chipewyan First Nation
  4. Ölsand – Der dreckige Reichtum Kanadas@1@2Vorlage:Toter Link/www.3sat.de (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im April 2018. Suche in Webarchiven)  Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. Kapitel: Schnelles Geld mit Schattenseiten. hitec-Magazin auf 3sat vom 3. August 2009
  5. Zane Schwartz: Did climate change contribute to the Fort McMurray fire? McLean's, 4. Mai 2016.
  6. Ölsandabbau in Kanada: dramatische ökologische und klimatische Auswirkungen. Greenpeace 2010 (PDF; 256 kB)
  7. Scar Sands, in: Canadian Geographic, Juli 2008 (Memento des Originals vom 6. Mai 2016 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.canadiangeographic.ca
  8. „Dark Eden – Der Albtraum vom Erdöl“
  9. Fire burns on outskirts of Fort McMurray as forest fire risk raised to ‚very high‘. In: www.cbc.ca. Abgerufen am 7. Mai 2016.
  10. Fire chief expects fire to hit Fort McMurray. In: www.cbc.ca. Abgerufen am 7. Mai 2016.
  11. Fort McMurray braces for high winds in battle with wildfire. In: www.cbc.ca. Abgerufen am 7. Mai 2016.
  12. ORF, 4. Mai 2016, orf.at: 100.000 Kanadier müssen vor Waldbrand fliehen (4. Mai 2016)
  13. orf.at: 60.000 Menschen müssen fliehen: Straße Richtung Süden gesperrt, (4. Mai 2016)
  14. Frankfurter Rundschau, 5. Mai 2016, Jörg Michel, fr-online.de: Eine ganze Stadt auf der Flucht (5. Mai 2016)
  15. Waldbrände: Kanada will Zehntausende Menschen per Luftbrücke retten. Spiegel Online, 6. Mai 2016.
  16. Deutsche Welle (www.dw.com): Waldbrände in Kanada weiten sich aus | Aktuell Amerika | DW.COM | 07.05.2016. In: DW.COM. Abgerufen am 8. Mai 2016.
  17. Deutsche Welle (www.dw.com): Feuer in Kanada immer bedrohlicher | Amerika | DW.COM | 07.05.2016. In: DW.COM. Abgerufen am 8. Mai 2016.
  18. Deutschlandfunk.de, Nachrichten, 8. Mai 2016: Waldbrände könnten weitere Provinz erreichen (Memento vom 8. Mai 2016 im Internet Archive) (8. Mai 2016)
  19. Deutschlandfunk.de, Nachrichten, 13. Mai 2016: Premierminister Trudeau in Fort McMurray (Memento vom 15. Mai 2016 im Internet Archive) (15. Mai 2016)
  20. badische-zeitung.de, Panorama, 11. Mai 2016: Fort McMurray entgeht großem Inferno (15. Mai 2016)
  21. Final Update 39: 2016 Wildfires (June 10 at 4:30 p.m.). In: www.alberta.ca. Provinzregierung von Alberta, 10. Juni 2016, abgerufen am 22. Juli 2018 (englisch).
  22. It’s official – Fort McMurray wildfire finally out. Global Television Network, 1. September 2017, abgerufen am 22. Juli 2018 (englisch).
  23. spektrum.de, 6. Mai 2016, Daniel Lingenhöhl: Fort McMurray: Warum brennen die Wälder Kanadas? (15. Mai 2016)
  24. Fort McMurray today, 26. Mai 2014 (Memento des Originals vom 20. Mai 2016 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.fortmcmurraytoday.com
  25. Mitteilung der Provinzregierung, 19. Oktober 2012