Flugtagunglück von Lemberg

Absturz einer ukrainischen Militärmaschine bei einem Flugtag

Der Absturz einer Suchoi Su-27 während einer Flugschau am 27. Juli 2002 auf dem ukrainischen Militärflugplatz Sknyliw nahe Lemberg (ukrainisch Lwiw) ist bis heute der schwerste Unfall, der sich je bei einer Kunstflugvorführung ereignet hat. 77 Menschen kamen ums Leben (28 davon Kinder); 543 wurden verletzt.[1]

Flugtagunglück von Lemberg

Eine Sukhoi Su-27UB bei einer Flugschau

Unfall-Zusammenfassung
Unfallart Kontrollverlust
Ort Flughafen Lwiw, bei Lwiw, Ukraine Ukraine
Datum 27. Juli 2002
Überlebende 2
Verletzte 2
Todesopfer am Boden Über 84
Verletzte am Boden über 500
Luftfahrzeug
Luftfahrzeugtyp Sowjetunion 1955 Suchoi Su-27UB
Betreiber UkraineUkraine Ukrainische Luftstreitkräfte (Ukrainian Falcons)
Besatzung 2
Listen von Luftfahrt-Zwischenfällen

Unfallhergang Bearbeiten

Die Suchoi Su-27 (NATO-Bezeichnung „Flanker“) der ukrainischen Luftwaffe wurde von den zwei erfahrenen Piloten Wolodymyr Toponar und Yuriy Yegorov geflogen. Der verantwortliche Pilot der Maschine, Oberstleutnant Wolodymyr Toponar, war Angehöriger der Kunstflugstaffel „Ukrainische Falken“, hatte jedoch zwischen Januar 2002 und Ende Juli 2002 nur 4 Flugstunden bestritten.[2] Es gibt mehrere Filmaufnahmen, die den Unfallhergang lückenlos zeigen.[3] Nur 2 Minuten nach dem Start der Flugvorführung um 12:43 Uhr sieht man, dass das Flugzeug während einer engen Linkskurve mit beinahe 90°-Querneigung offensichtlich am inneren Flügel einen Strömungsabriss hat. Dies führt zu einer vermutlich ungewollten Viertelrolle auf den Rücken. Anstatt nun mit einer halben Rolle in die Normalfluglage zu rollen, zieht der Pilot das Flugzeug mit einem halben Looping nach unten heraus. Dabei zieht er aber offensichtlich zu stark, vielleicht wegen der Nähe zum Boden. Dadurch reißt die Strömung wieder ab (diesmal aber symmetrisch), und das Flugzeug sinkt nun unkontrolliert weiter bis zum Aufschlag auf den Boden. Die Maschine schlittert danach über das Flugfeld und durch die Zuschauermenge, ehe sie explodiert. Beide Piloten konnten sich mit dem Schleudersitz retten.[4]

Bis heute ist die gänzlich korrekte Topografie des Flugplatzes inklusive Displaybereich nicht geklärt. Es sieht auf Videoaufzeichnungen aus, als würde die Flugvorführung irgendwo über dem Flugplatz stattfinden, ohne jegliche Einschränkung.

77 Menschen starben, darunter 28 Kinder. Mehr als 350 Zuschauer wurden verletzt, einige erlitten schwere psychische Störungen durch das, was sie sahen[5].

Unglücksursache Bearbeiten

Für den Unfall wurden von Experten folgende mögliche Ursachen untersucht:

  • Pilotenfehler
  • Triebwerkschaden
  • Verletzung der Sicherheitsrichtlinien für Kunstflugvorführungen durch die Piloten oder Bodenpersonal
  • ungenauer Flugplan
  • Überladung der Maschine durch zu viel Treibstoff
  • Nicht genehmigte Anfrage des Piloten nach einem Trainingsflug vor der Veranstaltung[6]

Auf zahlreichen Amateurvideos des Unfallhergangs ist hörbar, dass die Triebwerke unmittelbar vor dem Rollmanöver (ca. zehn Sekunden vor der Bodenberührung) verstummen, nach etwa zwei Sekunden aber wieder aufheulen.

Wie meistens bei solchen Unfällen führt erst eine Verkettung von mehreren Fehlern zur Katastrophe:

  • Der Strömungsabriss als unmittelbarer Auslöser des Ereignisablaufs (durch Piloten- oder technischen Fehler verursacht)
  • Entscheidung des Piloten, trotz der Bodennähe anstatt mit einer halben Rolle mit einem halben Looping zu retablieren
  • Warum befindet sich das Flugzeug überhaupt in einer Position, aus der es bei einem solchen Fehler in die Zuschauer rast?

Von offizieller Seite wurde letztlich die Hauptschuld den beiden Piloten angelastet.

Folgen Bearbeiten

Der ukrainische Staatspräsident Leonid Kutschma, der sich vor Ort ein Bild des Unglücks machte, machte öffentlich das Militär für den Unfall verantwortlich und entließ den Chef der Luftstreitkräfte, General Wolodymyr Strelnykow. Verteidigungsminister Wolodymyr Schkidtschenko bot seinen Rücktritt an, dieser wurde von Präsident Kutschma aber abgelehnt. Am 24. Juni 2005 verurteilte ein Militärgericht den Piloten Wolodymyr Toponar zu vierzehn Jahren Haft. Sein Copilot Juri Jegorow wurde zu acht Jahren Haft verurteilt. Beide haben zudem hohe Summen an die Familien der Opfer zu leisten. Neben den Piloten erhielten drei weitere Militärangehörige Haftstrafen von bis zu vier Jahren.

Die Piloten wurden nach 8 bzw. 2,5 Jahren aus der Haft entlassen.[7][8]

Weblinks Bearbeiten

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Das Flugtagunglück von Lemberg – eine vergessene ukrainische Tragödie. 27. Oktober 2023, abgerufen am 2. Februar 2024 (deutsch).
  2. Mit Video: Die vergessene Tragödie - das Flugtagunglück von Lemberg im Jahr 2002. 1. Oktober 2022, abgerufen am 2. Februar 2024 (österreichisches Deutsch).
  3. Sukhoi Su-27 Airshow Crash. Abgerufen am 2. Februar 2024 (deutsch).
  4. Mit Video: Die vergessene Tragödie - das Flugtagunglück von Lemberg im Jahr 2002. 1. Oktober 2022, abgerufen am 2. Februar 2024 (österreichisches Deutsch).
  5. Історія авіакатастроф у Львові - lviv-future.com.ua. 6. Februar 2023, abgerufen am 9. Februar 2023 (ukrainisch).
  6. Mit Video: Die vergessene Tragödie - das Flugtagunglück von Lemberg im Jahr 2002. 1. Oktober 2022, abgerufen am 2. Februar 2024 (österreichisches Deutsch).
  7. 17 лет Скниловской трагедии: почему погибли 77 человек и кто за это ответил. 27. Juli 2019, abgerufen am 2. Januar 2023 (russisch).
  8. Владимир Топонарь: «За мной вины нет. Меня просто сделали козлом отпущения». Abgerufen am 2. Januar 2023 (russisch).