Flächenversiegelung

das Bedecken des natürlichen Bodens durch Bauwerke des Menschen

Flächenversiegelung oder Bodenversiegelung bezeichnet das Bedecken des natürlichen Bodens durch Bauwerke des Menschen. Von Flächenversiegelung wird deshalb gesprochen, weil in den Boden von oben kein Niederschlag mehr eindringen kann und so viele der dort normalerweise ablaufenden Prozesse gestoppt werden. Zur Versiegelung werden auch nicht sichtbare Bauwerke unter der Erdoberfläche gezählt, wie z. B. Leitungen, Kanäle, Fundamente sowie stark verdichtete Böden.

Befestigte, hier asphaltierte Straßen sind versiegelte Flächen.

Problematik Bearbeiten

 
Große Flächenversiegelung in der Stadt (Industrie- und Gewerbegebiet Hamburg-Billbrook)

Bodenversiegelung wirkt sehr negativ auf den natürlichen Wasserhaushalt, da der Boden nicht mehr als Puffer dient. Der oberflächliche Abfluss wird gesteigert und die Grundwasserspende verringert. Dadurch können Trinkwassermangel, vermehrte Dürreschäden und stärkere Hochwasser entstehen. Die Grundwasserbelastung und Stoffkonzentration kann steigen, da bei punktueller Versickerung des Niederschlags weniger Nähr- und Schadstoffe im Boden gefiltert werden können.

„Unterirdische Versiegelungen“ wie Tunnelbauten oder besonders tiefe Keller können das Strömungsverhalten des Grundwassers besonders in Hanglagen negativ beeinflussen.

Werden durch Bau von Straßen, asphaltierten Wegen und Plätzen, Häusern, Gewerbeanlagen und Industrieanlagen, auch im Rahmen von Nachverdichtung, freie Flächen in großem Umfang versiegelt, kann deutlich weniger Regenwasser versickern. In Städten und umliegenden Siedlungsräumen sind oftmals große Anteile des Bodens versiegelt.

Versiegelungen absorbieren – da überwiegend dunkle Flächen (Asphalt) entstehen – viel Energie aus der Sonneneinstrahlung; so kommt es an heißen Tagen zu einer starken Erwärmung der Stadt. Zusammen mit der fehlenden Schatten­wirkung der Pflanzen und deren fehlender Wasserverdunstung wird das Kleinklima negativ beeinflusst.

Die Versiegelung beeinträchtigt massiv die natürliche Bodenfruchtbarkeit. Da der Boden dauerhaft von Luft und Wasser abgeschlossen ist, gehen die Bodenorganismen zugrunde; damit verliert der Boden die Fähigkeit zum Auf-, Um- oder Abbau von fruchtbarem Boden.

Schließlich ist die Entsiegelung von Boden aufwändig und teuer, zudem bleibt die Bodenstruktur dauerhaft gestört, beispielsweise durch Fremdstoffe wie Beton- oder Asphaltbrocken, Kunststoffsplitter oder Schadstoffe. Die ursprüngliche Bodenfruchtbarkeit bildet sich nur langsam und über längere Zeiträume zurück, oft ist die vorherige Qualität nicht mehr herstellbar.[1]

Gegenmaßnahmen und stadtklimatische Wirkung einer Entsiegelung Bearbeiten

Um der Versiegelung entgegenzuwirken, nutzen staatliche Stellen Instrumente der Raumordnung und Stadtplanung. In Deutschland zum Beispiel regeln das Raumordnungsgesetz und Flächennutzungspläne, welche Flächen bebaut werden dürfen. In der Konkretisierung des Flächennutzungsplans, dem Bebauungsplan, ist des Weiteren gemäß § 9 I 1 BauGB und § 19 IV 3 BauNVO der Mindestanteil an entsiegelter Fläche festgelegt, durch die Vorgabe der maximal bebaubaren Fläche.

Bei Baumaßnahmen mit großer Flächenversiegelung sollten ökologische Ausgleichsflächen geschaffen werden. Eingriffe in Natur und Landschaft kann man so an anderer Stelle kompensieren. Dabei werden Feldrandhecken und Magerrasen­flächen angepflanzt, Feuchtflächen angelegt und Bäche renaturiert. Diese Biotope sind aus Naturschutzsicht sehr wertvoll, da sie sehr artenreich sind.[2]

In Bezug auf die Reduzierung der städtischen Wärmeinseln hat die Entsiegelung von Flächen eine nachgewiesene positive Wirkung. So konnte in einer in Nikosia durchgeführten Untersuchung festgestellt werden, dass ein Entsiegelungsgrad des Bodens von 40 % die Wärmeinsel um 20 % verringern konnte und ein Entsiegelungsgrad von 20 % zu einer Senkung des Wärmeinseleffekts um 0,8 bis 1,8 °C führten.[3]

In einer in Bonn durchgeführten Studie des Deutsche Wetterdienstes konnte festgestellt werden, dass ein Entsiegelungsgrad von 10 % auf Fußgängerebene (2 m über dem Boden) überwiegend bessere Ergebnisse erzielt als die häufig angewendete Dachbegrünung. Die beste Wirkung wurde dabei in dicht bebauten Gebieten mit einer Senkung von 1,5 °C erreicht.[4]

Bezüglich der Landoberflächentemperatur fand eine weitere Untersuchung in Indianapolis heraus, dass es einen positiven Zusammenhang zwischen der Landoberflächentemperatur und dem Anteil an undurchlässiger Fläche gibt. Je größer der Anteil an grüner Vegetation, desto niedriger die Landoberflächentemperatur.[5](vgl. Weng et al. 2007). Diese Erkenntnis konnte in einer Studie in Nikosia mit konkreten Messwerten belegt werden: Ein Entsiegelungsgrad des Bodens von 40 % führte zu einer Senkung um 5 °C und ein Entsiegelungsgrad von 20 % zu einer Senkung um 2 °C.[3]

Dass eine Erhöhung der Landoberflächentemperatur einen Anstieg der Umgebungstemperatur zur Folge hat, konnte in einer Studie in Hongkong nachgewiesen werden.[6]

Tatsächlich versiegelte Flächen Bearbeiten

 
Die Karte des IÖR-Monitor stellt den Bodenversiegelungsgrad in einer räumlichen Auflösung von 1 km² für das Jahr 2012 dar.

Die Erhebung der tatsächlichen überbauten Fläche ist sehr schwierig. Seitens der Statistischen Ämter wird die Flächenversiegelung nicht erhoben. Das Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung und das Umweltbundesamt schätzen, dass etwa 50 % der Siedlungs- und Verkehrsfläche der Bundesrepublik Deutschland versiegelt sind.

Eine Möglichkeit, den Anteil versiegelter Flächen darzustellen, bietet der Monitor der Siedlungs- und Freiraumentwicklung (IÖR-Monitor) des Leibniz-Instituts für ökologische Raumentwicklung. Der Indikator „Bodenversiegelungsgrad“ wird für die Zeitstände 2006 und 2009 und 2012 auf verschiedenen räumlichen Bezugsebenen (ohne Meeresgebiete) zur Verfügung gestellt. Die Datengrundlage bilden Satellitendaten, die von der Europäischen Umweltagentur (European Environment Agency) bereitgestellt wurden. Unter anderem kann so der Anteil versiegelter Fläche durch Gebäude, Verkehrsflächen und anderer Bauten an der Gebietsfläche, also der Grad der Flächenversiegelung, dargestellt werden. Charakteristisch sind hierfür ein Stadt-Land-Gefälle aber auch ein Unterschied zwischen alten und neuen Bundesländern.

Altindustrialisierte Regionen wie das Rhein-Ruhr- oder Rhein-Main-Gebiet bzw. Großstadtregionen wie Hamburg, Stuttgart oder München fallen durch einen höheren Anteil versiegelter Flächen auf. In ostdeutschen altindustrialisierten Regionen sind dagegen nur moderate Bodenversiegelungsgrade zu verzeichnen. Besonders niedrige Werte erreichen der Nordosten Deutschlands (Landkreis Uckermark, Brandenburg: 1,9 % Bodenversiegelung), der Osten Niedersachsens (Kreis Lüchow-Dannenberg: 1,7 % Bodenversiegelung), die Eifel (Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen), der Bayrische Wald sowie die ländlich geprägten Gebiete der Alpen. Der niedrigste Wert konnte für den Kreis Bayreuth (Bayern, 1,6 % Bodenversiegelung), der höchste für die Stadt Herne (Nordrhein-Westfalen, 47,9 % Bodenversiegelung) ermittelt werden. Der mittlere Bodenversiegelungsgrad für die gesamte Bundesrepublik liegt bei 5,5 %.[7]

Die Siedlungs- und Verkehrsfläche wiederum wird von den Statistischen Ämtern in der Statistik tatsächlicher Flächennutzung erhoben. Zur Siedlungs- und Verkehrsfläche gehören:

  • Gebäude und gebäudebezogene Flächen für Nutzungen wie Wohnen, Handel, Dienstleistungen, Gewerbe, Industrie und Entsorgung,
  • Erholungsflächen (Sportplätze, Campingplätze),
  • Verkehrsflächen: Straßen, Wege, Plätze, Bahngelände, Flughäfen,
  • Betriebsflächen ohne Abbauland (Halden, Lager …) und
  • Friedhöfe.

Diese Flächen umfassen insgesamt ungefähr 12,5 % der Bodenfläche Deutschlands, von denen wiederum nach oben genannter Schätzung 50 % versiegelt sind. Dazu kommen aber weitere versiegelte Flächen, die nicht in der Siedlungs- und Verkehrsfläche enthalten sind (beispielsweise forst- oder landwirtschaftliche Gebäude).

Laut Angaben des Magazins Der Spiegel, die sich auf Daten des Umweltbundesamtes, des Statistischen Bundesamtes und eigener Recherchen stützte, waren 2021 22.718 km² bzw. 6,35 % der Fläche Deutschlands versiegelt.[8] Laut Angaben des Statischen Bundesamtes sind die Siedlungs- und Verkehrsflächen in Deutschland in den Jahren 2019 bis 2022 um durchschnittlich 52 Hektar pro Tag gewachsen. Das Ziel der deutschen Nachhaltigkeitsstrategie ist es, diesen Vier-Jahres-Wert bis 2030 auf 30 Hektar pro Tag zu begrenzen.[9]

Flächenverbrauch und Flächenversiegelung Bearbeiten

Ein weit verbreiteter Irrtum ist die Gleichsetzung der Siedlungs- und Verkehrsfläche mit versiegelter Fläche. Beispielsweise enthalten die „Gebäude und Freiflächen“ nicht nur versiegelte Flächen, sondern auch Hausgärten. Zur genauen Erhebung der versiegelten Flächen hat sich bisher keine Methode allgemein durchgesetzt. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass der tägliche Flächenverbrauch von ca. 69 Hektar[10] nicht aussagt, dass täglich 69 Hektar Fläche versiegelt werden, sondern, dass täglich 69 Hektar landwirtschaftlicher oder natürlich geprägter Fläche in Siedlungs- und Verkehrsfläche umgewandelt werden. Infolge dieser Umwandlung kommt es zu Versiegelung unterschiedlichen Ausmaßes, diese ist jedoch geringer als der Flächenverbrauch.

Hochwasser Bearbeiten

Der Spiegel fragte anlässlich des Hochwassers 2013 in Mitteleuropa Ist die Asphaltierung des Bodens schuld? und kam zu dem Schluss:

„Kaum. Niederschläge, die große Flüsse wie Elbe oder Rhein steigen lassen, strömen aus einem Gebiet, das fast so groß ist wie halb Deutschland. Aber nur gut ein Zehntel der Fläche Deutschlands ist mit Asphalt oder Gebäuden künstlich versiegelt. Ein Blick in die Landschaft offenbart das wahre Problem: Der Regen selbst versiegelt den Boden, Felder und Wiesen sind derzeit überschwemmt von ausgedehnten Seen.

Ursache war der starke Niederschlag in kurzer Zeit: Vielerorts fielen mehr als 300 Liter in vier Tagen, das Wasser steht dann 30 Zentimeter hoch, sofern es nicht abfließt. Der Regen füllt alle Poren in der Erde, so dass weiterer Regen nicht versickern kann – das Wasser strömt direkt in Flüsse und Bäche. 40 Prozent der Landesfläche Deutschlands hätten Ende Mai neue Bodenfeuchte-Rekorde aufgewiesen, berichtet das Center for Disaster Management and Risk Reduction Technology (Cedim). Vielerorts zählt der Mai zu den nassesten seit Aufzeichnungsbeginn vor rund hundert Jahren.“[11][12]

Auch bei den Auswirkungen der Hochwasser-Katastrophe 2021 (siehe: Hochwasser in West- und Mitteleuropa 2021) ist wohl die zunehmende Flächenversiegelung ein nicht geringer Faktor:

„Dass derartige Starkregenfälle so dramatische Konsequenzen haben, liegt zu einem großen Teil an der Versiegelung der Böden.“

Friederike Otto (Universität Oxford): Bayerischer Rundfunk[13]

Weblinks Bearbeiten

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Bodenversiegelung. Umweltbundesamt, 12. Februar 2020;.
  2. Schleswig-Flensburg Naturschutz als Aufgabe
  3. a b Paris A. Fokaides, Angeliki Kylili, Lora Nicolaou, Byron Ioannou: The effect of soil sealing on the urban heat island phenomenon. In: Indoor and Built Environment. Band 25, Nr. 7, November 2016, ISSN 1420-326X, S. 1136–1147, doi:10.1177/1420326X16644495 (sagepub.com [abgerufen am 20. Februar 2024]).
  4. Ortrun Roll, Guido Halbig und Saskia Buchholz: Messungen und Computersimulationen für eine klimaangepasste Stadtplanung. Klimawirksamkeit von Anpassungsmaßnahmen in der Stadt Bonn. Hrsg.: Deutscher Wetterdienst. Selbstverlag des Deutschen Wetterdienstes, Offenbach am Main 2021, ISBN 978-3-88148-535-7, S. 106.
  5. Qihao Weng, Hua Liu, Dengsheng Lu: Assessing the effects of land use and land cover patterns on thermal conditions using landscape metrics in city of Indianapolis, United States. Urban Ecosyst, Nr. 10, März 2007.
  6. R Giridharan, S Ganesan, S. S. Y Lau: Daytime urban heat island effect in high-rise and high-density residential developments in Hong Kong. In: Energy and Buildings. Band 36, Nr. 6, 1. Juni 2004, ISSN 0378-7788, S. 525–534, doi:10.1016/j.enbuild.2003.12.016 (sciencedirect.com [abgerufen am 20. Februar 2024]).
  7. IÖR-Monitor: Bodenversiegelungsgrad (2012) (Memento des Originals vom 9. Oktober 2016 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.ioer-monitor.de, abgerufen am 27. September 2016.
  8. Nachgezählt. In: Der Spiegel. Nr. 31, 29. Juli 2023, S. 21.
  9. Siedlungs- und Verkehrsfläche wächst jeden Tag durchschnittlich um 52 Hektar. In: destatis.de. Statistisches Bundesamt, 12. März 2024, abgerufen am 16. März 2024.
  10. Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit: Flächenverbrauch – Worum geht es?, zuletzt geändert am 1. Dezember 2015, abgerufen am 27. September 2016.
  11. Ursachen und Prognosen: Zehn Fakten zur Flut, spiegel.de vom 6. Juni 2013.
  12. Juni-Hochwasser 2013 in Mitteleuropa – Fokus Deutschland. Stand 3. Juni 2013, cedim.de (PDF; 4,1 MB) (7 S.).
  13. Yvonne Maier: Hochwasser: Ist das noch Wetter oder schon Klimawandel? Bayerischer Rundfunk, 16. Juli 2021, abgerufen am 24. Juli 2021.