Fingerhüte

Gattung der Familie Wegerichgewächse (Plantaginaceae), Arznei- und Giftpflanzen

Die Fingerhüte (Digitalis) sind eine Pflanzengattung aus der Familie der Wegerichgewächse (Plantaginaceae). Die etwa 25 Arten sind in Europa, Nordafrika und im westlichen Asien verbreitet.

Fingerhüte

Roter Fingerhut (Digitalis purpurea)

Systematik
Asteriden
Euasteriden I
Ordnung: Lippenblütlerartige (Lamiales)
Familie: Wegerichgewächse (Plantaginaceae)
Tribus: Digitalideae
Gattung: Fingerhüte
Wissenschaftlicher Name
Digitalis
L.

Beschreibung Bearbeiten

Digitalis-Arten wachsen als zweijährige oder ausdauernde krautige Pflanzen, die selten an der Basis etwas verholzen. Die Stängel sind höchstens an ihrer Basis verzweigt. Die wechselständig, manchmal grundständig zusammenstehenden Laubblätter sind einfach. Der Blattrand ist glatt oder gezähnt.

Die Blüten stehen in endständigen, manchmal verzweigten, traubigen Blütenständen zusammen. Die zwittrigen Blüten sind zygomorph und fünfzählig. Die fünf Kelchblätter sind verwachsen, mit kurzen Kelchzipfeln. Die fünf Kronblätter sind röhrig bis glockenförmig verwachsen. Die Blütenkrone ist zweilippig; die Unterlippe ist dreilappig, bei der Oberlippe sind entweder die Kronlappen kaum erkennbar (z. B. bei Digitalis grandiflora) oder sie sind deutlich zweilappig (z. B. bei Digitalis lutea). Es sind nur vier Staubblätter vorhanden; sie ragen nicht aus der Kronröhre heraus. Die Staubbeutel berühren sich paarweise. Der Griffel endet in einer zweilappigen Narbe.

Die septizide, eiförmige Kapselfrucht enthält viele kleine, gerippte Samen.

 
Fingerhüte in einer Waldlichtung

Verwendung Bearbeiten

Die in den Pflanzen enthaltenen Digitalisglykoside werden therapeutisch zur symptomatischen Therapie der Herzinsuffizienz eingesetzt, da sie eine positiv inotrope Wirkung am Herzen zeigen. In hohen Dosen wirken sie als Gift, welches durch verschiedene Herzrhythmusstörungen zum Tod führt. Der Fingerhut, insbesondere der Rote Fingerhut, wurde in der Heilkunde innerlich und äußerlich[1] verabreicht.

Inhaltsstoffe Bearbeiten

 
Rostfarbiger Fingerhut (Digitalis ferruginea)
 
Großblütiger Fingerhut (Digitalis grandiflora)
 
Kahler Fingerhut (Digitalis laevigata)
 
Spanischer Fingerhut (Digitalis obscura)
 
Kleinblütiger Fingerhut (Digitalis parviflora)

Aus der Gattung Fingerhüte sind besonders viele Sekundärmetabolite isoliert worden; zu den wichtigsten zählen herzwirksame Glykoside, jedoch wurden auch verschiedene Phenole, wie Anthranoide, Phenylpropionsäuren oder Flavonoide, und auch Steroide (Steroidsaponine, Sterine) gefunden. Ferner sind phenolische Glykoside,[2] Sorbitole, Cornoside und verschiedene Phenylethanoid-Glycoside nachgewiesen worden.[3]

In Europa werden für die Produktion von Herzglykosiden die heimischen Digitalis-Arten Wolliger Fingerhut und Roter Fingerhut angebaut.[4]

Steroidsaponine Bearbeiten

Steroidsaponine entstehen aus einem Steroid, bei welchem eine Seitenkette von Cholesterin strukturelle Änderungen erzeugte, um ein Spiroketal zu formen. In Digitalis weisen diese Komponenten lediglich schwache seifenähnliche Eigenschaften auf. Typische Saponine sind Digitonin, Tigogenin und Gitogenin.[5]

Digitanole Bearbeiten

Digitanole sind C5-C6 ungesättigte Pregnane. Einige von ihnen besitzen die 14-beta-hydroxyl-Funktion, welche typisch für Cardenolide ist. Demzufolge teilen sich Cardenolide und Digitanole möglicherweise die gleichen biosynthetischen Pathways. Bekannte Digitanole sind Digiprogenin, Digipurpurogenin, Purpnigenin, Purprogenin, Digacetigenin, Digifoligenin und Diginigenin.[6]

Anthranoide Bearbeiten

Es sind etwa 40 verschiedene Anthranoide in der Gattung Digitalis identifiziert worden.[7] Digitolutein scheint ein typisches Anthranoid für alle Digitalis-Arten zu sein.[8]

Systematik und Verbreitung Bearbeiten

Die Gattung Digitalis wurde durch Carl von Linné aufgestellt. Der botanische Gattungsname Digitalis leitet sich vom lateinischen Wort digitus für „Finger“ ab.

Die Gattung Digitalis ist in Europa, Nordafrika und im westlichen Asien verbreitet, ihr Verbreitungsschwerpunkt ist Südeuropa. In Deutschland kommen drei Arten vor: der Großblütige Fingerhut, der Gelbe Fingerhut sowie der Rote Fingerhut, als Neophyt findet sich auch der Wollige Fingerhut.

Verbreitung von 19 Fingerhutarten (Digitalis) in Europa und Vorderasien. Versuch einer Darstellung gemäß der natürlichen Verbreitung nach [9][10][11]

Es gibt etwa 25 Digitalis-Arten (Auswahl):[12]

Kanarische Fingerhüte (Isoplexis) wurden ursprünglich von Carl von Linné ebenfalls in die Gattung Digitalis gestellt. Phylogenetische Untersuchungen[9] zeigen die Isoplexis-Arten eingebettet zwischen den Digitalis-Arten, sodass einige Autoren die vier Isoplexis-Arten mittlerweile wieder zu Digitalis stellen. The Plant List hält derzeit (Stand: April 2017) die Einzelstellung aufrecht.[13]

Philatelistisches Bearbeiten

Mit dem Erstausgabetag 2. November 2019 gab die Deutsche Post AG in der Serie Blumen ein Postwertzeichen im Nennwert von 370 Eurocent mit einem Abbild des Roten Fingerhuts heraus. Der Entwurf stammt von den Grafikern Stefan Klein und Olaf Neumann aus Iserlohn.

Literatur Bearbeiten

Weblinks Bearbeiten

Commons: Fingerhüte (Digitalis) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary: Fingerhut – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Adelheid Overhamm: Zur Geschichte der Digitalis unter besonderer Berücksichtigung ihrer äußerlichen Anwendung. Würzburg 1976 (= Quellen und Studien zur Geschichte der Pharmazie. Band 13).
  2. J. J. Lichius, R. Weber, M. Kirschke, S. Liedke, D. Brieger: Ein Wiener im Café – Neues vom Fingerhut und seinen Kaffeesäureestern. In: Deutsche Apotheker Ztg. Band 135, 1995, S. 3794–3800.
  3. R. M. Taskova, C. H. Gotfredsen, S. R. Jensen: Chemotaxonomic markers in Digitalideae (Plantaginaceae). In: Phytochemistry. Issue 66, 2005, S. 1440–1447.
  4. E. F. Heeger: Handbuch des Arznei- und Gewuerzpflanzenbaues, Drogengewinnung. Deutscher Landwirtschaftsverlag, Berlin 1989, ISBN 3-331-00191-0.
  5. C. Kole (Hrsg.): Wild Crop Relatives: Genomic and Breeding Resources, Plantation and Ornamental Crops. Springer-Verlag, Heidelberg 2011, ISBN 978-3-642-21200-0.
  6. S. Liedtke, M. Wichtl: Digitanol glycosides from Digitalis lanata Erh. and Digitalis purpurea L., part 2: Glucodiginin and glucodigifolein from Digitalis purpurea L. In: Pharmazie. Issue 52, 1, 1997, S. 79–80. Inst. Pharmazeutische Biologie, Marburg/Lahn.
  7. Martin Luckner, Max Wichtl: Digitalis: Geschichte, Biologie, Chemie, Physiologie, Molekularbiologie, medizinische Anwendung. Handbuch für Ärzte, Apotheker und andere Naturwissenschaftler. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Stuttgart 2000, ISBN 3-8047-1705-5.
  8. S. Imre, S. Sar, R. H. Thomson: Anthraquinones in Digitalis species. In: Phytochemistry. Issue 15, 1976, S. 317–320, Faculty of Pharmacy, University of Istanbul.
  9. a b C. Bräuchler, H. Meimberg, G. Heubl: Molecular phylogeny of the genera Digitalis L. and Isoplexis (Lindley) Loudon (Veronicaceae) based on ITS- and trnL-F sequences. In: Plant Systematics and Evolution. Band 248, Nr. 1-4, 1. September 2004, ISSN 0378-2697, S. 111–128, doi:10.1007/s00606-004-0145-z (englisch).
  10. Max Wichtl: Digitalis L. -Fingerhut (Scrophulariaceae) eine wichtige Arzneipflanzengattung; Biologiezentrum Linz. (zobodat.at [PDF]).
  11. a b c d e f g h i j k l Karol Marhold: Scrophulariaceae. In: Euro+Med Plantbase – the information resource for Euro-Mediterranean plant diversity. Berlin 2011.
  12. a b c d e f g h i j k l m Digitalis im Germplasm Resources Information Network (GRIN), USDA, ARS, National Genetic Resources Program. National Germplasm Resources Laboratory, Beltsville, Maryland. Abgerufen am 9. März 2014.
  13. Isoplexis — The Plant List. Abgerufen am 12. März 2017 (englisch).