FS Frecciarossa 1000

italienische Hochgeschwindigkeitszug-Baureihe
(Weitergeleitet von FS ETR 1000)

Die Frecciarossa 1000, Herstellerbezeichnung ETR 1000, bahntechnisch unter der Bezeichnung ETR 400 geführt und ehemals als V300 Zefiro bezeichnet, sind italienische Hochgeschwindigkeitszüge des Herstellers Hitachi Rail.

ETR 400
Frecciarossa 1000 am Bahnhof Roma Tiburtina
Frecciarossa 1000 am Bahnhof Roma Tiburtina
Frecciarossa 1000 am Bahnhof Roma Tiburtina
Nummerierung: ETR 400.001–050, S-109
Anzahl: 64 in Italien sowie 23 in Spanien
Hersteller: Hitachi Rail SpA
(bis 2015: AnsaldoBreda), Alstom (bis 2022, davor: Bombardier Transportation bis 2021)
Baujahr(e): ab 2013
Achsformel: Bo'Bo'+2'2'+Bo'Bo'+2'2' +2'2'+Bo'Bo'+2'2'+Bo'Bo'
Spurweite: 1435 mm (Normalspur)
Länge: 202 m
Höhe: 4080 mm
Breite: 2924 mm
Fester Radstand: 2850 mm
Leermasse: 461 t betriebsbereit
Dienstmasse: 498 t besetzt
Radsatzfahrmasse: 17,3 t
Höchstgeschwindigkeit: 25 kV 50 Hz~:
350 km/h
15 kV 16,7 Hz~/ 3 kV=:
300 km/h
1,5 kV=:
220 km/h
Dauerleistung: 25 kV 50 Hz~:
9800 kW
15 kV 16,7 Hz~/ 3 kV=:
6900 kW
1,5 kV=:
3050 kW
Anfahrzugkraft: 370 kN
Beschleunigung: bis zu 0,7 m/s²[1][2]
Bremsverzögerung: bis zu 1,2 m/s²[1]
Stromsystem: 15 kV 16,7 Hz~ (Option)
25 kV 50 Hz~
1,5 kV=
3 kV=[3]
Anzahl der Fahrmotoren: 16
Zugbeeinflussung: ETCS Level 2, SCMT
Sitzplätze: 455 + 2 Rollstuhlplätze

Hersteller Bearbeiten

Die Zefiro-Züge wurden ursprünglich durch ein Konsortium bestehend aus AnsaldoBreda und Bombardier Transportation entwickelt und hergestellt. Im Jahr 2015 übernahm Hitachi AnsaldoBreda und gliederte es als Hitachi Rail Italia in das Unternehmen ein, wodurch Hitachi und Bombardier Konsortialpartner wurden. Nachdem Bombardier seine Bahnsparte 2021 an Alstom verkaufte, musste der TGV-Hersteller Alstom als Auflage der Übernahme den Bombardier-Anteil am V300 Zefiro an einen Mitbewerber abgeben.[4] Am 2. Dezember 2021 wurde bekannt, dass Hitachi Rail die Plattform vollständig übernimmt;[5] nach nötigen Freigaben erfolgte der Vollzug des Kaufs im Juli 2022.[6]

Geschichte Bearbeiten

 
ETR 1000 im Bahnhof Milano Centrale
 
Geschwindigkeitsanzeige zwischen Mailand und Bologna

Auf die Ausschreibung von Ferrovie dello Stato Italiane zur Lieferung von 50 Hochgeschwindigkeitszügen bot eine Arbeitsgemeinschaft bestehend aus Bombardier zusammen mit AnsaldoBreda unter dem Namen V300 Zefiro[7] einen zweihundert Meter langen Zug mit acht Wagen an. Der Entwurf wurde von AnsaldoBredas V250 und Bombardiers Zefiro abgeleitet. In der Folge bezeichneten die Hersteller und die Ferrovie dello Stato Italiane (FS) den Zug als ETR 1000.[8][9]

Trenitalia vergab den Auftrag an Bombardier und Ansaldo im August 2010. Das Angebot der beiden Firmen war mit 30,8 Millionen Euro pro Zug günstiger als das Angebot von Alstom mit 35 Millionen Euro. Der Auftrag hatte ein Gesamtvolumen von 1,5 Milliarden Euro, wovon 652 Millionen auf den Lieferanteil von Bombardier entfielen.[10] 50 Züge wurden mit der ersten Bestellung abgerufen.

Im August 2012 stellte Trenitalia ein 1:1-Modell der Kopfform des als Frecciarossa 1000[11] bezeichneten Zuges in Rimini vor, das danach auch auf der Innotrans in Berlin gezeigt wurde. Die ETR 1000 wurden später als ETR 400 bezeichnet, da für die Registrierung von Rollmaterial keine vierstellige Ziffernkombination möglich ist.[12][13] Im März 2013 wurde der erste der fünf Vorserienzüge im Ansaldobreda-Werk Pistoia der Öffentlichkeit vorgestellt. Dieser Zug wurde nach dem italienischen Leichtathleten Pietro Mennea getauft, der in Italien als „Freccia del Sud“ (deutsch Pfeil des Südens) bekannt war[14] und wenige Tage zuvor verstorben war. Nach der Präsentation wurde der erste Zug nach Florenz überführt, wo er mit Messinstrumenten ausgerüstet wurde, bevor die umfangreichen Testfahrten auf dem Eisenbahnversuchsring Velim begannen. Die anderen Vorserienzüge führten Versuchsfahrten auf dem italienischen Streckennetz aus, mit welchen die Zulassung bis 300 km/h im April 2015 erreicht wurde. Zur Expo 2015 wurden ab dem 14. Juni 2015 die ersten sechs dem Betrieb übergeben.

Die technischen Prüfungen für den kommerziellen Betrieb mit 350 km/h, der die Reisezeit zwischen Mailand und Rom von 3 Stunden auf 2 Stunden 20 Minuten verkürzen sollte, wurden im Dezember 2016 abgeschlossen.[15] Bei den Versuchsfahrten waren in der Nacht vom 30. November auf den 1. Dezember 2015 die Geschwindigkeit von 390,7 km/h erreicht worden,[16] und in der Nacht auf den 26. Februar 2016 wurden 393,8 km/h erreicht.[17] Für die Tests wurde der dritte Zug der Serie verwendet; er sollte anschließend als Messzug dem italienischen Infrastrukturbetreiber RFI zur Verfügung gestellt werden.[15] Die Pläne des RFI zum Ausbau der Infrastruktur für einen Betrieb mit 350 km/h wurden allerdings im Mai 2018 vom Verkehrsministerium und der Eisenbahn-Sicherheitsbehörde ANSF gestoppt, weil die ökonomischen und technischen Nachteile höher als die Vorteile sind.[18][19]

Im Juni 2019 wurde die Bestellung weiterer 14 Züge für Trenitalia bekannt gegeben.[20] Die Züge wurden im Blick auf die Liberalisierung des Hochgeschwindigkeitsverkehrs in Europa beschafft.[21] Die Zulassung der Baureihe für Frankreich erfolgte im Juni 2021.[22][23] Die Tochtergesellschaft Trenitalia France bietet seit Dezember 2021 mit diesen Zügen eine Verbindung ParisLyonTurin–Mailand und seit 2022 auch Verbindungen im Binnenverkehr zwischen Paris und Lyon an.[24]

Die private spanische Bahngesellschaft Intermodalidad de Levante SA (ILSA), an der Trenitalia, die Fluggesellschaft Air Nostrum und der spanische Infrastrukturfonds Globalvia beteiligt sind,[25] erhielt im November 2019 die Konzession für Hochgeschwindigkeitsverkehre zwischen Madrid und Barcelona sowie von Madrid nach Valencia und Sevilla.[26] Dafür wurden im August 2020 23 Triebzüge bestellt. Die Züge bestehen ebenfalls aus acht Wagen und sind in die spanische Baureihe 109 eingereiht.[27] Der Betrieb unter der Marke iryo wurde im November 2022 aufgenommen.[28]

Im November 2023 wurden von Trenitalia 30 weitere Züge mit einer Option auf 10 zusätzliche Züge bekanntgegeben.[29] Die Auslieferung ist ab 2026 vorgesehen, wobei zwischen 8 und 10 Züge pro Jahr ausgeliefert werden sollen.[30]

Technik Bearbeiten

 
Blick in die Executive-Klasse
 
Business-Class
 
Economy-Class

Der 200 Meter lange Triebzug besteht aus acht Wagen. Im Gegensatz zum ETR 500 ist die Antriebsausrüstung nicht mehr in zwei Triebköpfen konzentriert, sondern über die ganze Länge des Zuges verteilt. Die Verteilung der Antriebsausrüstung ist gleich dem Bombardier Zefiro für China, der Zug erhielt aber eine neue mechanische Struktur für den Verkehr auf dem europäischen Schienennetz. Die Antriebstechnik für die Triebzüge wird im Bombardier-Werk im baskischen Trápaga hergestellt,[2] das seit 2021 zu Alstom gehört.

Der Frecciarossa 1000 ist ausgelegt für einen Betrieb mit 360 km/h und erreichte während Testfahrten 393,8 km/h.[31] Um ihn aerodynamisch zu optimieren und im Inneren eine gute Schalldämmung zu erreichen, wurden zwischen den Wagen kastenkonturbündige Wellenbälge mit formvulkanisierten Wellen verbaut. Ein innerer Wellenbalg umfasst den ohne Türen ausgeführten Personenübergang, ein äußerer die Kupplungen und Kabel zwischen den Wagenkasten, sodass die Kontur der Wagenkasten über die ganze Länge des Zuges ohne Unterbrechung fortgeführt wird.

Der Zug verfügt über eine aktive Querfederung, die der Steigerung des Fahrkomfort bei der Einfahrt in Bögen dient, es wurde aber kein Neigesystem verbaut.[32] Von den ursprünglich 50 Zügen waren alle mit ETCS Level 2 von AnsaldoBreda ausgerüstet, zwölf davon mit der Systemdefinition SRS 2.3.0d.

Einrichtung der Wagen[12]
Wagen Technik Wagenklasse dominante Farbe im Innenraum
DM1 Führerstand, Traktionsstromrichter, Bremswiderstand, 4 Fahrmotoren Executive braun
TT2 Transformator, Stromabnehmer 3 kV Business grau
M3 Traktionsstromrichter, Bremswiderstand, 4 Fahrmotoren Business, Bistro grau
T4 Stromabnehmer 25 kV, Batterien, Batterieladegeräte Premium rot
T5 Stromabnehmer 25 kV, Batterien, Batterieladegeräte Standard orange
M6 Traktionsstromrichter, Bremswiderstand, 4 Fahrmotoren Standard orange
TT7 Transformator, Stromabnehmer 3 kV Standard orange
DM8 Führerstand, Traktionsstromrichter, Bremswiderstand, 4 Fahrmotoren Standard orange

Die Bezeichnungen der Wagen leiten sich aus dem Englischen ab:

  • DM steht für Drivingcabine and Motors
  • TT steht für Transformator Trailer
  • M steht für Motor
  • T steht für Trailer

Unfälle Bearbeiten

Am 6. Februar 2020 entgleiste die mit etwa 290 km/h fahrende ETR-1000-Garnitur Nr. 21 beim Bahnhof von Livraga (Lodi) südöstlich von Mailand (siehe Eisenbahnunfall bei Livraga). Bei dem Unfall auf der Schnellfahrstrecke Mailand – Bologna starben die beiden Triebfahrzeugführer, 31 Personen wurden verletzt.[33]

Weblinks Bearbeiten

Commons: FS Frecciarossa 1000 – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. a b ETR1000 - datasheet (PDF; 1,6 MB). (PDF; 1,7 MB) Bombardier Transportation, 5. Februar 2012, ehemals im Original (nicht mehr online verfügbar); abgerufen am 4. Juli 2013 (englisch).@1@2Vorlage:Toter Link/www.zefiro.bombardier.com (Seite nicht mehr abrufbar. Suche in Webarchiven) (Im Webarchiv finden sich redirects auf Zefiro Beschreibung (englisch))
  2. a b Zefiro V300 de Bombardier (PDF), Vía Libre, September 2013 (spanisch)
  3. High-speed champion. In: IRJ. Juli 2013, abgerufen am 31. Juli 2013 (englisch).
  4. Kommission genehmigt Übernahme der Zugsparte von Bombardier durch Alstom unter Bedingungen. Pressemitteilung. Europäische Kommission, Generaldirektion Wettbewerb, 3. August 2020, archiviert vom Original am 19. September 2020; abgerufen am 21. Juni 2022.
  5. Hitachi Rail: Übernahme der HGV-Plattform V300 Zefiro von Alstom. Abgerufen am 19. Juni 2022.
  6. Hitachi Rail schließt die Übernahme des Anteils von Bombardier Transportation an der Plattform des Hochgeschwindigkeitszugs ETR 1000 von Alstom ab. Pressemitteilung. Hitachi Rail, 4. Juli 2022, abgerufen am 26. Januar 2023: „Die Plattform, die früher als V300 ZEFIRO bezeichnet wurde, heißt jetzt ETR 1000.“
  7. Diego Canetta: ETR1000/V300ZEFIRO – Il treno del futuro. Präsentation. Hrsg.: Bombardier. 1. Juli 2015 (cifi.it [PDF]).
  8. Diego Canetta: ETR1000 Trenitalia. Le prospettive della trazione ferroviaria per gli anni 2020 - 2030, 17. März 2017
  9. Ferrovie dello Stato Italiane: Frecciarossa 1000. In velocità verso il futuro per il treno ad Alta Velocità di Trenitalia, abgerufen am 24. April 2022
  10. André Werske: ETR 400 "Frecciarossa 1000" – Hochgeschwindigkeitszüge für Italien. Hochgeschwindigkeitszüge, 2. Mai 2016, abgerufen am 24. April 2022.
  11. David Campione: ETR.1000, il Frecciarossa di domani. In: Ferrovie.it. 19. August 2012, abgerufen am 24. April 2022 (italienisch).
  12. a b Alessio Pedretti: Trenitalia: Frecciarossa 1000, un approfondimento sull'elegane ETR 400. TPL Italia, abgerufen am 22. Januar 2022.
  13. Aussenansicht des TT7 von Zug 1. In der UIC-Nummer ist die Baureihenbezeichnung 400 ersichtlich. Abgerufen am 22. Januar 2022.
  14. Anna Maria Stefanini: Accadde oggi 12 settembre 1979: la Freccia del sud Pietro Mennea stabilisce il record mondiale sui 200 metri piani. 12. September 2021, abgerufen am 2. Mai 2022 (italienisch).
  15. a b Lorenzo Pallotta: Trenitalia e i 350 km/h per il Frecciarossa 1000: a che punto siamo. In: Ferrovie.Info. 7. Januar 2017 (ferrovie.info [abgerufen am 16. Dezember 2021]).
  16. Il Frecciarossa oltre i 390 all’ora. In: il Tirreno. Archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 12. Dezember 2021; abgerufen am 11. Dezember 2015.
  17. Marco Bruzzo: Ieri notte Frecciarossa 1000 a 393,8 km/h. In: TuttoTrenoBlog. Duegi Editrice, 26. Februar 2016, abgerufen am 16. Dezember 2021.
  18. Lucio Cillis: Alta velocità, addio ai 350 all'ora: il ministero chiude il dossier. la Repubblica, 28. Mai 2018, abgerufen am 16. Dezember 2021 (italienisch, deutsch Hohe Geschwindigkeit, Lebewohl zu 350 pro Stunde: Das Ministerium schließt die Akte).
  19. Italy rejects plans to increase speed to 350km/h. In: International Railway Journal. 31. Mai 2018, abgerufen am 16. Dezember 2021 (englisch).
  20. Italien ordert schnellste Züge der Welt. DMM Der Mobilitätsmanager, 8. Juni 2019, abgerufen am 16. Dezember 2021.
  21. Gerhard Bläske: Italiens Staatseisenbahnen wollen im Ausland wachsen. In: nzz.ch. 17. Juli 2020, abgerufen am 16. Dezember 2021.
  22. Alex McWhirter: Trenitalia’s Frecciarossa trains finally approved by France. In: businesstraveller.com. 1. Juli 2021, abgerufen am 16. Dezember 2021.
  23. new variant of V300ZEFIRO I - F, European Register of Authorized Types of Vehicles, 28. Juni 2021
  24. Frecciarossa in Francia, un milione di biglietti venduti in un anno. In: fsnews.it. 14. Dezember 2022, abgerufen am 27. Januar 2023 (italienisch).
  25. Neuer Highspeed-Zug in Spanien auf den Gleisen. In: Salzburger Nachrichten. 21. November 2022, abgerufen am 26. Januar 2023.
  26. Spanien: Renfe Viajeros, Intermodalidad de Levante und Rielsfera (SNCF) sind die vorgewählten Bieter für den AVE-Betrieb. In: Lok-Report. 29. November 2019, abgerufen am 24. Januar 2022.
  27. Hitachi and Bombardier awarded contract to supply 23 very high-speed Frecciarossa trains to Trenitalia for operation by ILSA on routes in Spain. Bombardier, 10. August 2020, abgerufen am 16. Dezember 2021 (englisch).
  28. Marco Schicker: Neue AVE-Konkurrenz Iryo: Mit Italienern günstig durch Spanien fahren. In: costanachrichten.com. Ippen Digital, 30. November 2022, abgerufen am 26. Januar 2023.
  29. David Burroughs: Trenitalia signs €861m contract for 30 high speed trains. In: International Railway Journal. 10. November 2023, abgerufen am 11. November 2023 (englisch).
  30. Timothy: Trenitalia orders new Hitachi Frecciarossa trains suited for France, Belgium and the Netherlands. In: Trip By Trip. 11. November 2023, abgerufen am 11. November 2023 (englisch).
  31. AnsaldoBreda and Bombardier combine to offer V300 Zefiro. Railway Gazette, 9. Juni 2010, abgerufen am 6. April 2013 (englisch).
  32. Neue "Rote Pfeile" schneller als das Flugzeug. DMM Der Mobilitätsmanager, 20. August 2012, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 18. Juni 2013; abgerufen am 6. April 2013.
  33. Zug in Norditalien entgleist: Zwei Tote und 27 Verletzte. Wiener Zeitung, 6. Februar 2020, abgerufen am 7. Februar 2020