Heilige Berge in China

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Seit Jahrtausenden spielen in der chinesischen Kultur Heilige Berge (chinesisch 聖山 / 圣山, Pinyin Shèngshān) eine Rolle.

Lage der neun Heiligen Berge

Bergchroniken und Berglisten Bearbeiten

Der Berg (, shān) bzw. das Gebirge (, shān bzw. 山脈 / 山脉, shānmài) gilt seit der chinesischen Antike als kosmologisches Grundelement. Im Buch der Wandlungen, dem Yijing, bezeichnet sein Trigramm (, Guà)   den Bund von Himmel und Erde und steht für grundlegende Charaktereigenschaften wie Aufrichtigkeit, Geduld und Ausdauer.

Das Schriftzeichen „ / , shèng“ wird mit „heilig“, aber auch „weise“ übersetzt. In künstlerischen Darstellungen steht ein Berg umgeben von Nebengipfeln für den Idealtypus einer Persönlichkeit von Verantwortung und sozialem Status, ein einzelner Berg für den Einsiedler als Mönch oder Philosoph.

Bergchroniken, die Shanzhi (山志, Shānzhì), wurden etwa seit der Tang-Zeit zusammengestellt und herausgegeben. Es gibt zahlreiche tradierte Gruppen heiliger oder denkwürdiger Berge, unter denen insgesamt neun heilige Berge die wichtigsten sind: Die fünf heiligen Berge des Daoismus und die vier heiligen Berge des Buddhismus. Die Zahl Neun ist in der chinesischen Universalreligion als heilige Zahl von großer Bedeutung.

Diese Heiligen Berge spielten als Zentren dieser Traditionen auch eine Rolle im alten Staatskultwesen. Sie sind seit Jahrhunderten Pilgerziele und ziehen noch heute große Mengen von Besuchern an. Der chinesische Ausdruck für Pilgerreise (朝聖 / 朝圣, cháoshèng) ist eine Abkürzung des Ausdrucks „朝拜聖山 / 朝拜圣山, cháobài shèngshān“, was so viel bedeutet wie „einem heiligen Berg seine Reverenz erweisen“.

Der Huang Shan Bearbeiten

 
Shitao, 黄山图, Tusche auf Papier, um 1670, Palastmuseum Peking

Der Huang Shan (黃山 / 黄山 – „Gelber Berg“, ursprünglich 黟山, Yī Shān – „Schwarzer Berg, aufgrund der dunklen Gipfeln“) in Anhui gilt als Wahrzeichen und Verkörperung der chinesischen Kultur. Xu Xiake, Geograph der Ming-Dynastie, sagte über den Huang Shan:[1]

„Nach der Besichtigung der fünf Gebirge hat man kein Interesse mehr, andere Berge zu besichtigen. Aber nach der Besichtigung des Gelben Berges ist das Interesse für die fünf Berge auch verloren.“

Die Berggruppe umfasst insgesamt 72 denkwürdige Gipfel, 36 „majestätische und bedrohliche“ und 36 „zierliche und graziöse“ Gipfel.[1]

Fünf heilige Berge des Daoismus Bearbeiten

 
Pangu

Die fünf heiligen Berge des Daoismus, Wuyue (五岳, Wǔyuè – „Fünf hohen Bergen“, synonym bzw. als grafische Variante in klassischer Schreibweise auch 五嶽) genannt, sind:

Bild Berg Zeichen Provinz Himmelsrichtung
  Tai Shan 泰山  
Shandong
Großer Östlicher Gipfel
東岳 / 东岳, klassisch: 東嶽
Dōng Yuè
  Heng Shan 衡山  
Hunan
Großer Südlicher Gipfel
南岳, klassisch: 南嶽
Nán Yuè
  Song Shan 嵩山  
Henan
Großer Mittlerer Gipfel
中岳, klassisch: 中嶽
Zhōng Yuè
  Hua Shan 華山
华山
 
Shaanxi
Großer Westlicher Gipfel
西岳, klassisch: 西嶽
Xī Yuè
  Heng Shan 恆山
恒山
 
Shanxi
Großer Nördlicher Gipfel
北岳, klassisch: 北嶽
Běi Yuè

Nach der chinesischen Mythologie waren die Fünf Gipfel der Kopf und die Glieder Pangus (盤古 / 盘古, Pángǔ), dem ersten Lebewesen nach der chinesischen Mythologie. Die fünf heiligen Berge des Daoismus sind zudem den Himmelsrichtungen zugeordnet, die um eine weitere, „die Mitte“, ergänzt wurde, da sich das Alte China als „Reich der Mitte“ ansah. Auch in der Fünf-Elemente-Lehre sind die Berge den Himmelsrichtungen entsprechend je einem Element zugeordnet.

Berge als Namensgeber für daoistische Schulen

Schulen (, pai) des Daoismus, die nach dem Sitz ihrer Schulen in den Bergen bzw. Gebirgen oder ähnlichen benannt worden sind:

Vier heilige Berge des Buddhismus Bearbeiten

Die vier heiligen Berge des Buddhismus, Sida Fojiao Mingshan (四大佛教名山, Sìdà Fójiào Míngshān – „Vier große berühmte buddhistische Berge“), sind:

Bild Berg Zeichen Provinz Metall Gottheit
  Wutai Shan 五臺山
五台山
 
Shanxi
Gold Wenshu
文殊
  Putuo Shan 普陀山  
Zhejiang
Silber Guanyin
觀音 / 观音
  Emei Shan 峨嵋山  
Sichuan
Bronze Puxian
普賢 / 普贤
  Jiuhua Shan 九華山
九华山
 
Anhui
Eisen Dizang
地藏

Diese vier Berge werden auch mit vier Metallen gleichgesetzt: „Jīn Wǔtái, Gold-Wutai“ (金五臺 / 金五台), „Yín Pǔtuó, Silber-Putuo“ (銀普陀 / 银普陀), „Tóng Éméi, Kupfer-Emei“ (銅峨嵋 / 铜峨嵋), und „Tiě Jiǔhuá, Eisen-Jiuhua“ (鐵九華 / 铁九华).

Jedem der vier Berge ist zudem eine buddhistische Gottheit zugeordnet: am Wutai Shan wird der Bodhisattva Manjushri / Wenshu (文殊, Wénshū) verehrt, am Putuo Shan die weibliche Erscheinungsform der Bodhisattva Avalokiteshvara / Guanyin (觀音 / 观音, Guānyīn), am Emei Shan ist es der Bodhisattva Samantabhadra / Puxian (普賢 / 普贤, Pǔxián) und am Jiuhua Shan der Bodhisattva Ksitigarbha / Dizang (地藏, Dìzàng).

Der Putuo Shan nimmt dabei ebenso auf den buddhistischen Avalokiteśvara-Mythos des mythischen Bergs Potala Bezug wie der Mar‑po‑ri („Roter Berg“) von Lhasa, Standort des Potala-Palastes.

Weitere religiöse Zentren Bearbeiten

Religiöse Zentren sind auch das Wutai-Gebirge (五臺山 / 五台山, Wǔtái Shān) bei Wutai in der Provinz Shanxi und der Lu Shan (廬山 / 庐山, Lú Shān – „Berg der Einsiedlerhütte“) bei Jiujiang in Jiangxi, der als besonders ehrfurchtgebietend gilt, ebenso wie die Berge von Guilin (桂林, Guìlín) am Li-Fluss, das nach Peking meistbesuchte touristische Ziel Chinas.

Literatur Bearbeiten

  • Josef Guter: Lexikon der Götter und Symbole der Alten Chinesen. Marix, Wiesbaden 2004, ISBN 3-937715-04-5.
  • Karl Johaentges, Uli Franz: Chinas Heilige Berge. Frederking & Thaler, München 2005, ISBN 3-89405-648-7.
  • Thomas H. Hahn: Formalisierter Wilder Raum – Chinesische Berge und ihre Beschreibungen (shanzhi, 山志). Dissertation, Institut für Sinologie, Universität Heidelberg. Heidelberg 1996, doi:10.11588/heidok.00007287 (uni-heidelberg.de – in verschiedene PDF-Dateien aufgeteilt).
  • Zhang Yushu: Die Benennung der Berge in China. In: Institut zur Erforschung und Förderung regionaler und transnationaler Kulturprozesse (Hrsg.): Die Namen der Berge. 2009 (Online. (Memento vom 8. September 2010 im Internet Archive)).

Weblinks Bearbeiten

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. a b zit. nach Lit. Yushu: Kap. Huangshan und Lushan
  2. vergl. 崂山 – chin. Wikipedia
  3. vergl. 随山 – chin. Wikipedia