Erich Kriemer

deutscher Schriftsteller

Erich Kriemer (* 5. November 1926 in Schwindschitz, Tschechoslowakei; † 30. November 1998 in Gera) war ein deutscher Schriftsteller.[1] Der Funktionär des Schriftstellerbandes der DDR war zugleich Inoffizieller Mitarbeiter der Staatssicherheit und mit der Überwachung des Literaturbetriebes im Bezirk Gera betraut.

Leben und Werk Bearbeiten

Erich Kriemer wurde 1926 im heute zu Tschechien gehörenden nordböhmischen Dorf Schwindschitz geboren. Sein Vater war Maurer und Bauer, seine Mutter ebenfalls in der Landwirtschaft tätig. Er besuchte nach Dorf- und Mittelschule eine Wirtschaftsoberschule.[2][3] Zunächst Anhänger des Nationalsozialismus, kamen ihm 1944, im Jahr seiner Einberufung in die Wehrmacht, angeblich geheim gehaltene Zweifel.[2]

Er erlebte das Kriegsende 1945 an der Ostfront, wo er in sowjetische Kriegsgefangenschaft geriet. Eine Rückkehr in seine Heimat war aufgrund der Vertreibung der Deutschen aus der Tschechoslowakei später ausgeschlossen.[2]

In Erfurt fand er vorübergehend Arbeit in einer Tischlerei. Er absolvierte eine Neulehrerausbildung, dann stieg er in seinen neuen Beruf ein.[2][4] Ab 1964 gab er an der Oberschule Steinbach-Hallenberg Unterricht in Geschichte und Staatsbürgerkunde.[2][3] Später war er hauptamtlich in der Schulverwaltung angestellt.[4] In dieser Zeit war er sechs Jahre lang auch hauptamtlich im Parteiapparat auf dem Gebiet der Volksbildung tätig.[2]

Etwa mit dem Eintritt in das Arbeitsleben, 1964, begann er den Roman Wo die Moldau fließt zu schreiben. Die letzte Fassung lag acht Jahre später, 1972, vor. Klaus Steinhaußen war währenddessen sein Mentor und ab 1971 sein Lektor.[3] 1973 erschien der Roman im Mitteldeutschen Verlag. Darin verarbeitete Kriemer Kindheitserlebnisse aus dem Alltag in einem Dorf des nordböhmischen Grenzgebietes um 1938/1939.[5] „[I]n schlichter, geradliniger Art […] setzt sich Kriemer mit ethischen und moralischen Fragen auseinander, die im Zusammenleben der Tschechen und Deutschen in solch komplizierter Zeit auftraten“, heißt es in einer DDR-Rezension.[6]

Ab 1975 war er in Gera-Lusan ansässig.[3] Von 1977 bis 1990 bekleidete er das Amt des Vorsitzenden des DDR-Schriftstellerverbandes im Bezirk Gera.[4][7] In dieser Funktion erteilte der parteilinientreue Sozialist unter anderem Aufnahmeablehnungen mit fadenscheinigen Begründungen.[8] Als Inoffizieller Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit (sein Deckname war „Buche“) bestand seine Aufgabe darin, „das literarische Leben im Bezirk Gera politisch-ideologisch unter Kontrolle zu halten und politisch unliebsame Entwicklungen schon im Vorfeld abzuwürgen.“[9] Bei einem Rumänienaufenthalt im Frühjahr 1982 horchte er im Auftrag der Staatssicherheit die deutschsprachigen Literaturschaffenden – Autoren, Redakteure und Herausgeber – aus. Diese erzählten dem vermeintlich verständnisvollen Freund freimütig von ihren Nöten im „Bruderstaat“ und äußerten ihre kritischen Meinungen zum DDR-Literaturbetrieb. Zu den von Kriemer denunzierten Personen gehörten unter anderem die Mitglieder des Literaturkreises Adam Müller-Guttenbrunn, unter ihnen Herta Müller, die 2009 den Literatur-Nobelpreis erhielt.[9]

Kriemer leitete auch den Zirkel Schreibender Arbeiter in den Keramischen Werken Hermsdorf. Dieser wurde als „Hervorragendes Volkskunstkollektiv“ ausgezeichnet.[10] Er selbst erhielt den Kunstpreis der Stadt Gera.[4] Erst 1989 legte Kriemer seinen zweiten Roman, Böhmische Liebe betitelt, vor. Im wiedervereinigten Deutschland widmete er sich nur noch auf Gera bezogenen Projekten.

Er verstarb nach langer Krankheit am 30. November 1998.[4]

Werke Bearbeiten

  • Wo die Moldau fließt. Roman. Mitteldeutscher Verlag, Halle (Saale) 1973.
  • Erinnerungen an eine alte Frau. In: Sinn und Form. Beiträge zur Literatur, 37. Jg., Heft 3 1985, S. 517–521.
  • Gera 1987 (= Bilder einer Stadt). Bild und Heimat Verlag für Ansichtskarten und Kalender, Reichenbach 1987 (Kalender mit Fotos und Reproduktionen von Frank Schenke und Rückseitentexten von Erich Kriemer).
  • Böhmische Liebe. Roman. Greifenverlag zu Rudolstadt, Rudolstadt 1989, ISBN 3-7352-0160-1.
  • Der Vater und sein Sohn (Erzählungen 1988–1990, unveröffentlicht).
  • zusammen mit Siegfried Mues, Christel Russe: Gera (= Thüringen – Landschaften, Städte, Wanderungen). Justus Perthes Verlag, Gotha 1996, ISBN 3-623-00973-3.

Auszeichnungen Bearbeiten

  • Kunstpreis des Bezirks Gera

Weblinks Bearbeiten

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Deutsche Biographie: Kriemer, Erich - Deutsche Biographie. Abgerufen am 4. Juli 2023.
  2. a b c d e f Brigitte Böttcher (Hrsg.): Bestandsaufnahme. Literarische Steckbriefe. Mitteldeutscher Verlag, Halle (Saale) 1976, Erich Kriemer, S. 54 f.
  3. a b c d Brigitte Schmidt-Schaller: Erzählend mitwirken. Gespräch mit dem Autor Erich Kriemer, Bezirksvorsitzender des Verbandes der Schriftsteller der DDR. In: Volkswacht. Gera 26. November 1976.
  4. a b c d e Dieter Fechner, Hedwig Völkerling: Thüringer Autoren der Gegenwart. Ein Lexikon. 1. Auflage. Quartus-Verlag, Bucha bei Jena 2003, ISBN 3-931505-47-2, Kriemer, Erich, S. 114.
  5. Klappentext zu Wo die Moldau fließt.
  6. Swetlana Ritscher: Alltagsgeschichten von gestern und heute. In: Leipziger Volkszeitung. 8. September 1975.
  7. Marius Koity: Beleidigte Leberwürste. Die Überwachungs-Paranoia zu den Zeiten des Kalten Krieges am Beispiel der Bruderstaaten DDR und Rumänien. In: Thüringer Allgemeine. Unabhängige Zeitung für Politik, Wirtschaft, Kultur und Sport. 2. Dezember 2017, Medien, S. 29.
  8. jurgko: Ich bin euer Eismann. Wie ich aufs Eis gelegt wurde. In: pageballs.com. Pageballs GmbH, abgerufen am 30. Juni 2019.
  9. a b Georg Herbstritt: Doppelt überwacht: Warum sich neben der Securitate auch die DDR-Staatssicherheit mit rumäniendeutschen Schriftstellern und Germanisten befasste. In: Gerhardt Csejka, Stefan Sienerth (Hrsg.): Vexierspiegel Securitate. Rumäniendeutsche Autoren im Visier des kommunistischen Geheimdienstes (= Veröffentlichungen des Instituts für deutsche Kultur und Geschichte Südosteuropas an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Band 129). Verlag Friedrich Pustet, Regensburg 2015, ISBN 978-3-7917-2679-3, Kapitel 4. Gegen die herrschende Ordnung: Schriftsteller im Banat. Ein MfS-Bericht aus dem Jahre 1982, S. 31–47, hier S. 38–42.
  10. Volkskunstkollektive und Zirkel im Kulturhaus „Völkerfreundschaft“ Keramische Werke Hermsdorf. Zirkel schreibender Arbeiter. In: hermsdorf-regional.de. Stefan Lechner, Mike Enke, abgerufen am 30. Juni 2019.