SBB-Reussbrücke Turgi

Brücke in der Schweiz

Die SBB-Reussbrücke Turgi ist eine Eisenbahnbrücke der Bahnstrecke Zürich–Baden–Brugg–Aarau und führt über die Reuss im Kanton Aargau in der Schweiz. Sie ist die zweitälteste[A 1] noch befahrene Eisenbahnbrücke der Schweiz.

SBB-Reussbrücke Turgi
SBB-Reussbrücke Turgi
SBB-Reussbrücke Turgi
Ansicht von der Oberwasserseite,
im Hintergrund die Einmündung der Reuss in die Aare
(mit dem Maschinengewehrbunker der Limmatlinie)
Nutzung Eisenbahnbrücke
Überführt Streckengleise
SBB Linie 710
Zürich HB-Brugg AG
Unterführt Fluss Reuss
Ort Gebenstorf AG
km 28,7
Unterhalten durch Schweizerische Bundesbahnen SBB
Bauwerknummer Objekt Nr. 46
Konstruktion (Kreis-)Bogenbrücke
Segment: R= 19,4 m
Gesamtlänge 93 m
Breite 8,3 m
Anzahl der Öffnungen 3
Längste Stützweite 22,5 m
Pfeilerachsabstand 25,2 m
Pfeilhöhe 3,6 m
Pfeilerstärke 2,7 m Ende
4,6 m Fundament
Pfeilverhältnis 1:7
Konstruktionshöhe 0,62 m
Höhe ca. 9 m über dem mittleren Wasserspiegel
Baubeginn 1855
Fertigstellung 1856
Eröffnung 29. September 1856
Bauzeit 1855–1856
Planer Ferdinand Adolf Naeff für die Schweizerische Nordostbahn
Lage
Koordinaten 660251 / 260277Koordinaten: 47° 29′ 26″ N, 8° 14′ 17″ O; CH1903: 660251 / 260277
SBB-Reussbrücke Turgi (Kanton Aargau)
SBB-Reussbrücke Turgi (Kanton Aargau)
Höhe über dem Meeresspiegel 337,4 m

Die SBB-Reussbrücke Turgi ist die zweitälteste noch im Betrieb stehende Bahnbrücke der Schweiz.

Sie liegt beim Streckenkilometer 28,7 der Linie 710 Zürich HB – Brugg AG der Schweizerischen Bundesbahnen SBB rund 500 m westlich des Bahnhofs Turgi bei der Einmündung der Reuss in die Aare, auf der Gemeindegrenze zwischen Gebenstorf und Windisch und am Auenschutzpark des Kantons Aargau[1] im Wasserschloss der Schweiz.

Kontext Bearbeiten

Die Regierung des Kantons Aargau genehmigte 1854 die Linienführung der Schweizerischen Nordostbahn (NOB) zwischen Baden und Brugg[2] und liess anfangs 1855 die Flösserei und Längsschifffahrt auf der Reuss für vier Monate einstellen, damit die Fundamentarbeiten für die Eisenbahnbrücke Turgi[A 2], des wichtigsten Bauwerks der Strecke, ausgeführt werden konnten[2].

Der Bau der Brücke Bearbeiten

Der Bauvertrag mit den ersten Auftragnehmern, die Herren Wachter & Haug, Bauunternehmer aus Leutkirch im Allgäu[3][A 3], die sich mit der schwierigen Baustelle übernommen hatten, wurde von der Direktion der NOB im Juni 1855 aufgelöst[4]. Die zweispurig ausgelegte Brücke wurde vier Monate später der Arbeitsgemeinschaft Locher, Näff & Jäger (die Firma[A 4] von Baumeister Johann Jakob Locher[5] und Ingenieur Ferdinand Adolf Naeff[6][A 5] mit dem lokalen Baumeister Friedrich Jäger aus Brugg) zur Ausführung übertragen[3]. Sie wurde am 29. September 1856 von der NOB zusammen mit der Bahnlinie vorerst einspurig in Betrieb genommen.

Die Konstruktionsart der Brücke Bearbeiten

Wegen der hohen Gewichte der Züge und deren Brems- und Anfahrlasten wurden im Eisenbahnbau in der Epoche vor dem Eisenbetonbau besonders oft steif und schwingungsarm dimensionierte Steinbrücken, wie sie sich im Strassenbau bewährt hatten, eingesetzt. So auch bei der SBB-Reussbrücke Turgi[A 6].

Die Bogenbrücke ist aus Naturstein gemauert. Die Aussenschale besteht aus präzisen Blockhausteinen aus Muschelkalksandstein und die Füllung aus Bruchsteinen. Durch die schmalen Fugen wirkt die Brücke bereits aus geringer Entfernung wie aus einem Stück. Die Bogen mit grosser Spannweite und geringer Höhe lassen sie leicht und elegant erscheinen.

 
Ferdinand Adolf Naeff
Ansicht und Aufsicht der Reussbrücke Turgi auf einem Plan um 1900

Die Brücke ist 93 m lang und 9,65 m breit bei einer totalen Spannweite von 73 m. Die Masse (Radius = 19,4 m, Bogenhöhe = 3,6 m und Spannweite = 25,2 m) der drei Kreissegmentbogen sind identisch. Die beiden aus Blocksteinen gemauerten, rund 8 m hohen und 3 m breiten Flusspfeiler stehen auf soliden Fundamenten, die tief im Flussbett eingepfählt und mit Bruchsteinblöcken gegen Verkolkung verstemmt sind.

 
SBB-Reussbrücke Turgi 1993,
mit Re-4/4-II-Zug und Steganbauten
(rechts oben längs und unten quer)
 
SBB-Reussbrücke Turgi 1948
mit Schnellzugskomposition der SBB
(Re-4/4-I-Lok und Leichtstahlwagen B)
und deutlichen Verwitterungsspuren

Situation heute Bearbeiten

Die Reussbrücke Turgi ist seit der Verstaatlichung der Schweizerischen Nordostbahn am 1. Januar 1902 im Besitz der Schweizerischen Bundesbahnen (SBB).

Diese haben die Bahnstrecke Zürich–Olten 1925 elektrifiziert und dazu auf den Widerlagern der SBB-Reussbrücke Fahrleitungsjoche angebracht. Inzwischen ist im Mittelbogen ein Portalmast dazugekommen.

Im Zweiten Weltkrieg lag die SBB-Reussbrücke im Einsatzbereich der Limmatlinie der Schweizer Armee. Von damals stammen der an der Reussmündung stehende Maschinengewehr-Bunker[7][8] und die Sprengkammern in beiden Pfeilern.

Die seit 1862, wie beim Bau der Brücke vorgesehen, auf Doppelspur erweiterte Fahrbahn[9] liegt seit 1957[10] auf einer Fahrbahnplatte aus armiertem Beton. Sie sorgt für die Abdichtung der gleichzeitig renovierten Brücke und erlaubt eine Doppelspur mit den heute gültigen Sicherheitsabständen. Auf ihrer unterwasserseitigen Konsole quert seither ein Fussgängerübergang die Reuss und Stege an den Widerlagern[11] sorgen für freien Durchgang längs ihrer beidseitigen Uferwege.

Der Steg über den Fluss ist Teil des Industriekulturpfades Limmat-Wasserschloss, zu dessen technikgeschichtlichen Monumenten auch die SBB-Reussbrücke Turgi zählt.

Die SBB unterzogen die Fahrbahn 1989 einer umfassenden Erneuerung[9]. Damit war die SBB-Reussbrücke bereit, wieder für viele Jahre den enorm gestiegenen Achslasten, Fahrgeschwindigkeiten und Dichte der Abfolge der heutigen Zugkompositionen standzuhalten.

Die Brücke liegt am Wasserschloss Brugg-Stilli des Kantons Aargau[1], einem Auengebiet von nationaler Bedeutung.

Anmerkungen Bearbeiten

  1. Die älteste noch im Betrieb stehende Bahnbrücke befindet sich ebenfalls an der Linie 710. Sie ist das ursprüngliche Bahnbrücklein der 1847 eröffneten «Spanisch-Brötli-Bahn» über den Schäflibach in Dietikon. Das Kleinbauwerk wird heute durch den mächtigen Fahrbahnaufbau der Doppelspur überdeckt.
  2. Der Bahnknoten Turgi war damals noch ein Dorfteil von Gebenstorf, emanzipierte sich jedoch und wurde 1884 zur selbständigen Gemeinde.
  3. Nicola Siegloch, Stadtarchiv Leutkirch im Allgäu berichtet: "Laut Gewerbesteuerkataster 1847-1876 (Stadtarchiv Leutkirch B 701) gab es "[...]" einen Maurer- und Steinhauermeister namens Johann Jacob Wachter. Er wurde am 18.10.1815 in Bernstadt, Oberamt Ulm, geboren, erhielt 1840 das Leutkircher Bürgerrecht und starb am 20.05.1869 in Leutkirch (Stadtarchiv Leutkirch B 775 Bürgerliste). Ein Nachruf und die Todesanzeige im Allgäuer Boten vom 26.05.1869 lassen darauf schließen, dass es sich bei ihm um einen tüchtigen Unternehmer und Geschäftsmann handelte "[...]". Das Gewerbe wurde mit seinem Tod abgemeldet. "[...]". Der Name Haug taucht [nicht] auf, es könnte sich "[...]" um einen auswärtigen Geschäftspartner handeln".
  4. später Locher & Cie AG.
  5. Bruder von Wilhelm Matthias Naeff, Bundesrat der ersten Stunde.
  6. Ferdinand Adolf Naeff war stark von Alois Negrelli beeinflusst, der mit dem Negrelliho viadukt einen Standard gesetzt hatte.

Literatur Bearbeiten

  • Max Baumann: Geschichte von Windisch. Kommissionsverlag Druckerei Effingerhof AG Brugg, Windisch 1983, S. 603ff, OCLC 923078381.
  • Jürg Conzett u. a.: Schweizer Bahnbrücken. Zürich 2013, S. 100–103, OCLC 997452251.

Siehe auch Bearbeiten

Commons: Eisenbahnbrücke Windisch – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Weblinks Bearbeiten

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. a b Kanton Aargau: Dekret über den Schutz des Mündungsgebietes Aare–Reuss–Limmat (Wasserschlossdekret, WSD), vom 28. Februar 1989, in Kraft seit: 30. April 1989.
  2. a b Max Baumann: Geschichte von Windisch. Kommissionsverlag Druckerei Effingerhof AG Brugg, Windisch 1983, S. 603ff.
  3. a b Protokoll der Direktion der Nordostbahngesellschaft vom 19. Oktober 1855, SBB-Historic.
  4. Staatsarchiv Aargau, Protokoll Regierungsrat Dezember 1855, Entscheid E3264: Killer, Johann, von Gebenstorf, Beschwerde über Beeinträchtigung seiner Pintwirtschaft durch die Eisenbahn-Bauübernehmer.
  5. Peter Müller-Grieshaber: Locher, Johann Jakob. In: Historisches Lexikon der Schweiz.
  6. Markus Kaiser: Naeff, Adolf. In: Historisches Lexikon der Schweiz.
  7. Louis Probst: Auch Windisch hat jetzt seinen Bunker In: Aargauer Zeitung vom 8. Juni 2011.
  8. Claudia Meier: Bunker soll historisch erhalten werden In: Aargauer Zeitung vom 7. August 2018.
  9. a b Jürg Conzett u. a.: Schweizer Bahnbrücken. Zürich 2013, S. 101.
  10. SBB Kreis III Brückenbau Ausführungsplan 46/4 von 1957, Archiv SBB Historic.
  11. SBB Kreis III Brückenbau Ausführungsplan 46/6 von 1957, Archiv SBB Historic.