Eidgenössische Volksinitiative «AHVplus: für eine starke AHV»

eidgenössische Volksinitiative

Die eidgenössische Volksinitiative «AHVplus: für eine starke AHV» war eine Volksinitiative des Schweizerischen Gewerkschaftsbunds (SGB), die am 25. September 2016 zur Abstimmung kam und eine Erhöhung aller AHV-Renten um 10 % forderte. Sie wurde mit 59,4 % der Stimmen und einem klaren Ständemehr abgelehnt.

Stimmzettel

Initiative Bearbeiten

Einreichung Bearbeiten

Die Initiative wurde am 17. Dezember 2013 mit 111'683 gültigen Unterschriften eingereicht.[1]

Absicht Bearbeiten

Ziel der Initianten war es, die AHV-Renten um 10 % zu erhöhen. Diese Erhöhung sollte als Zuschlag auf allen Renten ausgezahlt werden. Die Initianten wollten so den Anteil der AHV am Renteneinkommen erhöhen, zu dem nebst der AHV (1. Säule) auch die 2. Säule und die 3. Säule sowie im Bedarfsfall die Ergänzungsleistungen (EL) beitragen.[2] Der Zuschlag hätte für Alleinstehende durchschnittlich 200 Franken betragen, für Ehepaare 350.[3]

Wortlaut Bearbeiten

Die Initiative hatte folgenden Wortlaut:

Art. 197 Ziff. 102 (neu)

10. Übergangsbestimmung zu Art. 112 (Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung)

1 Bezügerinnen und Bezüger einer Altersrente haben Anspruch auf einen Zuschlag von 10 Prozent zu ihrer Rente.

2 Der Zuschlag wird spätestens ab Beginn des zweiten Kalenderjahrs ausgerichtet, das der Annahme dieser Bestimmung durch Volk und Stände folgt.[4]

Argumentation Bearbeiten

Pro Bearbeiten

Die Befürworter sind der Meinung, dass der Anteil der AHV im schweizerischen Rentensystem, das aus der 1. Säule (AHV), der 2. Säule (berufliche Vorsorge) sowie der 3. Säule (freiwilliges Sparen) und im Bedarfsfall den Ergänzungsleistungen besteht, gestärkt werden sollte. Ihrer Ansicht nach ist die AHV besser aufgestellt als die Pensionskassen (2. Säule). Die AHV sei die sicherste Altersvorsorge und weniger den Risiken an der Börse ausgesetzt als die 2. und die 3. Säule. Zudem sei die AHV solidarischer, da Reiche mehr zahlen müssten als Leute mit tiefen und mittleren Einkommen.

Ausserdem ist ihrer Meinung nach eine Anpassung der AHV-Renten an die Löhne nötig. Um das in der Verfassung verankerte Ziel, dass Rentner auch im Alter ihre gewohnte Lebenshaltung weiterführen können, zu erreichen, brauche es höhere AHV-Renten.[5]

Contra Bearbeiten

Die Gegner argumentieren, die AHV gerate durch den demografischen Wandel in Schwierigkeiten. Bis 2030 fehlten 7,5 Milliarden Franken jährlich. Bei Annahme der Initiative gerate die AHV noch zusätzlich in Schieflage. Dies müssten die Jungen bezahlen, was ungerecht sei.

Zudem begünstige die Initiative die Falschen: Denjenigen Rentnern, die zu wenig Geld haben und deshalb Ergänzungsleistungen beziehen, würden einfach die Ergänzungsleistungen gekürzt werden, womit sie am Ende gleich viel Renteneinkommen hätten wie vorher. Da aber die AHV-Renten anders als die Ergänzungsleistungen steuerpflichtig sind, hätten diese Rentner letztendlich sogar weniger als zuvor. Profitieren würden hingegen die finanziell gut gestellten Rentner, die keine Ergänzungsleistungen beziehen.[6]

Haltungen Bearbeiten

Partei- und Verbandsparolen Bearbeiten

Unter den acht grössten Parteien der Schweiz befürworteten nur die SP und die Grünen die Initiative. CVP, GLP, BDP EVP, FDP und SVP hingegen lehnten die Initiative ab.[3]

Der schweizerische Gewerkschaftsbund, der die Initiative lancierte, Travailsuisse und der Mieterverband unterstützten die Initiative ebenfalls, der Arbeitgeberverband und Economiesuisse hingegen lehnten die Initiative ab.[3]

Amtliche Stimmempfehlung Bearbeiten

Sowohl Bundesrat als auch Parlament empfahlen ein Nein zur Initiative.[7]

Volksabstimmung Bearbeiten

Volk und Kantone stimmten am Sonntag, dem 25. September 2016 über die Initiative ab.

Umfragen Bearbeiten

In der ersten Tamedia-Onlineumfrage vom 8. und 9. August zeichnete sich eine Mehrheit für die Vorlage ab: 60 % der Umfrageteilnehmer sagten „Ja“ oder „Eher Ja“.[8] In der ersten SRG-Trendumfrage vom 2. bis 12. August hingegen waren es nur 49 %, was eine Ablehnung der Initiative wahrscheinlich machte.[9]

Abstimmungsergebnis Bearbeiten

 
Ergebnisse nach Kantonen

Die Volksinitiative wurde mit einem deutlichen Volksmehr (59,4 Prozent) und einem klaren Ständemehr (5 Standesstimmen dafür, 12 wären für eine Annahme nötig gewesen) abgelehnt.[10] Am grössten war die Zustimmung im Kanton Jura mit 59,5 %, am geringsten im Kanton Appenzell Innerrhoden mit nur 22,3 %. Die genauen Ergebnisse in den einzelnen Kantonen sind der Tabelle und der Karte zu entnehmen.

  • Ja (5 Stände)
  • Nein
  • Kanton
    Ja
    (%)
    Nein
    (%)
    Beteiligung
    (%)
    Kanton Aargau  Aargau 36,3 63,7 39,4
    Kanton Appenzell Ausserrhoden  Appenzell Ausserrhoden 34,0 66,0 42,9
    Kanton Appenzell Innerrhoden  Appenzell Innerrhoden 22,3 77,7 34,3
    Kanton Basel-Landschaft  Basel-Landschaft 42,2 57,8 41,9
    Kanton Basel-Stadt  Basel-Stadt 49,1 50,9 48,0
    Kanton Bern  Bern 39,8 60,2 40,0
    Kanton Freiburg  Freiburg 42,8 57,2 40,8
    Kanton Genf  Genf 53,6 46,4 45,7
    Kanton Glarus  Glarus 36,9 63,1 33,0
    Kanton Graubünden  Graubünden 34,5 65,5 37,2
    Kanton Jura  Jura 59,5 40,5 38,4
    Kanton Luzern  Luzern 30,7 69,3 41,5
    Kanton Neuenburg  Neuenburg 54,0 46,0 43,5
    Kanton Nidwalden  Nidwalden 27,0 73,0 43,1
    Kanton Obwalden  Obwalden 24,9 75,1 44,5
    Kanton Schaffhausen  Schaffhausen 41,2 58,2 61,7
    Kanton Schwyz  Schwyz 28,2 71,8 47,0
    Kanton Solothurn  Solothurn 40,8 59,2 40,4
    Kanton St. Gallen  St. Gallen 33,2 66,8 45,7
    Kanton Tessin  Tessin 53,4 46,6 45,9
    Kanton Thurgau  Thurgau 33,6 66,4 38,3
    Kanton Uri  Uri 30,3 69,7 35,6
    Kanton Waadt  Waadt 50,3 49,7 45,7
    Kanton Wallis  Wallis 41,0 59,0 45,5
    Kanton Zug  Zug 28,6 71,4 49,3
    Kanton Zürich  Zürich 38,3 61,7 44,7
      Schweizerische Eidgenossenschaft 40,6 59,4 43,1

    Unterschiede zwischen den Sprach- und Altersgruppen Bearbeiten

    Bei der Abstimmung stimmten die französisch- und italienischsprachigen Schweizer mehrheitlich für die Initiative, während in der Deutschschweiz das Gegenteil der Fall war. Diese als Röstigraben bezeichnete Differenz zwischen den Sprachregionen zeigte sich in der Vergangenheit auch bei anderen sozialpolitischen Themen häufig.[11]

    Auch gab es einen erheblichen Unterschied zwischen den Altersgruppen: Während bei den 18- bis 34-Jährigen laut Tamedia-Nachbefragung nur 21 % für die Initiative waren, stimmten 57 % der über 65-Jährigen für die Initiative.[12] Letztere hätten bei Annahme der Initiative am Meisten profitiert.

    Weblinks Bearbeiten

    Einzelnachweise Bearbeiten

    1. Eidgenössische Volksinitiative «AHVplus: für eine starke AHV» – Zustandekommen. (PDF; 101 kB) Website der Bundesverwaltung. Schweizerische Bundeskanzlei, abgerufen am 30. Juli 2016.
    2. Volksabstimmung vom 25. September 2016 – Erläuterungen des Bundesrates. (PDF; 1,5 MB) Schweizerische Bundeskanzlei, S. 15, archiviert vom Original am 29. Juli 2016; abgerufen am 30. Juli 2016 (offizielles Abstimmungsbüchlein).
    3. a b c AHVplus auf einen Blick. NZZ, abgerufen am 26. September 2016.
    4. Eidgenössische Volksinitiative 'AHVplus: für eine starke AHV'. Schweizerische Bundeskanzlei, abgerufen am 29. Juli 2016.
    5. Website des Initiativkomitees. Abgerufen am 30. Juli 2016.
    6. Website des gegnerischen Komitees. Argumente. Archiviert vom Original am 30. Juli 2016; abgerufen am 30. Juli 2016.
    7. Volksabstimmung vom 25. September 2016 – Erläuterungen des Bundesrates. (PDF; 1,5 MB) Schweizerische Bundeskanzlei, S. 88 (Rückseite), archiviert vom Original am 29. Juli 2016; abgerufen am 30. Juli 2016 (offizielles Abstimmungsbüchlein).
    8. Abstimmungsumfrage: Mehr Sicherheit, höhere Renten. In: tagesanzeiger.ch. 11. August 2016, abgerufen am 14. August 2016.
    9. Schwerer Stand für «AHVplus»-Initiative. In: Webseite der SRF. Schweizer Radio und Fernsehen (SRF), 19. August 2016, abgerufen am 20. August 2016.
    10. AHV-Initiative klar gescheitert – morgen geht die Debatte weiter. In: Webseite des Tagesanzeiger. 25. September 2016, abgerufen am 26. September 2016.
    11. Röstigraben wieder aufgeklafft: Warum mehr Romands mehr AHV wollen. Aargauer Zeitung, 26. September 2016, abgerufen am 4. Oktober 2016.
    12. 80 Prozent der Jungen sagen Nein zu höheren Renten. Der Bund, 27. September 2016, abgerufen am 4. Oktober 2016.