Unter Dualität von Lp-Räumen, kurz Lp-Dualität, versteht man eine Reihe von Sätzen aus dem mathematischen Gebiet der Funktionalanalysis, die sich mit den Dualräumen von Lp-Räumen beschäftigen, wobei eine reelle Zahl ist. Die wesentliche Aussage lautet, dass Dualräume von Lp-Räumen wieder von dieser Art sind, nämlich Lq-Räume, wobei sein muss. Das heißt, in einprägsamer Form gilt .

Der Fall p > 1 Bearbeiten

Es sei   der sogenannte zu   konjugierte Exponent, das heißt diejenige Zahl  , für die   gilt. Dies ist äquivalent mit  . Ist weiter   ein Maßraum, dann kann man die Banachräume   und   über dem Körper   bilden, wobei   für   oder   steht. Wie üblich werden fast überall übereinstimmende Funktionen ohne weitere Hinweise identifiziert, um eine umständliche Sprech- und Schreibweise über Äquivalenzklassen von Funktionen zu vermeiden. Nach der Hölderschen Ungleichung gilt

  für alle  ,

wobei   die Norm auf dem Lp-Raum bezeichnet und entsprechend  . Diese Abschätzung zeigt, dass

 

ein beschränktes lineares Funktional auf  , also ein Element des Dualraums   ist, mit  . Mit Hilfe des Satzes von Radon-Nikodým kann man zeigen, dass jedes beschränkte lineare Funktional auf   von dieser Form ist und dass für die Normen sogar Gleichheit gilt. Man hat daher folgenden Satz[1][2]:

Es seien   ein Maßraum und  . Dann ist die Abbildung
 
ein isometrischer Isomorphismus.

Genau dieser Isomorphismus ist gemeint, wenn man kurz   schreibt.

Da   und   ja in einer symmetrischen Beziehung zueinander stehen, ergibt sich aus diesem Satz sofort

 .

Verwendet man die im Satz angegebenen Isomorphismen, so erkennt man, dass es sich hier um die kanonische Einbettung von   in seinen Bidualraum handelt. Die Lp-Räume sind für   also reflexiv.

Obiger Satz, der manchmal nicht ganz korrekt als Satz von Riesz zitiert wird, hat mehrere Väter. Der bereits 1907 bewiesene Hilbertraum-Fall   geht auf M. Fréchet zurück.[3] Das Einheitsintervall steht hier für den Maßraum [0,1] mit der Borelschen σ-Algebra und dem auf [0,1] eingeschränkten Lebesgue-Maß. Die Verallgemeinerung dieses Ergebnisses auf beliebige Hilberträume ist auch als Darstellungssatz von Fréchet-Riesz (oder Rieszscher Darstellungssatz) bekannt. F. Riesz hat drei Jahre später den Fall   für   bewiesen.[4] Das wurde dann von O. M. Nikodým auf den Fall endlicher Maßräume verallgemeinert.[5] Der allgemeinste Fall eines beliebigen Maßraums wurde schließlich 1950 von E. J. McShane behandelt.[6]

Ein sehr einfacher Spezialfall sind die Folgenräume  , die man erhält, wenn man   und für   das Zählmaß nimmt. Die Elemente aus   werden als Folgen   geschrieben, wobei eine solche Folge für die  -Funktion   steht. Für die Dualität zwischen   und   erhält man an Stelle obiger Integrale eine Summe:

  für alle   und  .

Diese Aussage kann auch ohne maßtheoretischen Aufwand bewiesen werden.

Der Fall p = 1 Bearbeiten

Ein entsprechender Satz über den Dualraum von L1-Räumen gilt nicht in voller Allgemeinheit. Bildet man den zu 1 konjugierten Exponenten, so muss man   nehmen. H. Steinhaus konnte 1919 in der Tat

 

zeigen, wobei die isometrische Isomorphie durch den zum oben definierten Operator   analogen Operator vermittelt wird.[7] Die zusätzliche Schwierigkeit besteht letztlich darin, dass die auftretenden Räume, von trivialen Ausnahmen abgesehen, nicht mehr reflexiv sind. Es lässt sich aber noch folgender Satz zeigen:[8][9]

Es sei   ein  -endlicher Maßraum. Dann ist die Abbildung
 
ein isometrischer Isomorphismus.

Auf die zusätzliche Voraussetzung der  -Endlichkeit des Maßraums kann nicht verzichtet werden. Betrachtet man zum Beispiel auf   die  -Algebra   derjenigen Mengen, die abzählbar sind oder deren Komplement abzählbar ist, und als Maß   das Zählmaß, so ist   der Raum aller Funktionen  , die höchstens an abzählbar vielen Stellen von null verschieden sind und für die   gilt. Offenbar ist durch   ein beschränktes lineares Funktional auf   definiert. Wäre dieses von der Form   für ein  , so müsste   konstant gleich 1 auf   und konstant gleich 0 auf   sein. Eine solche Funktion ist aber nicht  -messbar. Daher kann in diesem Beispiel die im Satz beschriebene Isomorphie nicht bestehen.

Es gibt aber eine wichtige Situation, die auch gewisse nicht- -endliche Maßräume umfasst, in der man dennoch zu einem befriedigenden Resultat kommt, nämlich die der lokalkompakten Gruppen. In der harmonischen Analyse ist folgender Satz wichtig[10]:

Es seien   eine lokalkompakte Gruppe,   die Borelsche  -Algebra auf   und   ein reguläres Borelmaß auf  . Dann ist
 
ein isometrischer Isomorphismus.

Dabei heißt das Maß   regulär, wenn folgende drei Bedingungen erfüllt sind:

  •   für alle kompakten Teilmengen  ,
  •   für alle offenen Teilmengen  ,
  •   für alle Borelmengen  .

Der Satz gilt also insbesondere auch für das Haarsche Maß auf  , das heißt, man kann den Dualraum der Gruppenalgebra   auch für nicht- -endliche Gruppen durch obigen Satz beschreiben.

Der Fall 0 < p < 1 Bearbeiten

Für   ist Lp(X,A,μ) zwar kein normierter Raum, aber immerhin ein vollständiger topologischer Vektorraum[11][12] mit der Quasinorm

 

bzw. der Pseudonorm oder Fréchet-Metrik

 

Diese Räume sind im Allgemeinen nicht lokalkonvex, der Satz von Hahn-Banach also im Allgemeinen nicht anwendbar, sodass es möglicherweise „sehr wenige“ lineare stetige Funktionale gibt. Insbesondere ist nicht gesichert, dass die schwache Topologie auf   Punkte trennen kann.

Prototypisch ist das Beispiel   mit der Borel-Algebra   über dem Intervall   und dem Borel-Lebesgue-Maß  . Hier sind die einzigen konvexen offenen Mengen die leere Menge   und der gesamte Raum   selbst.[11][13][14] Da Urbilder konvexer offener Mengen in   unter einem linearen stetigen Funktional konvexe offene Mengen in   sind, folgt, dass das Nullfunktional das einzige lineare stetige Funktional ist. Der Dualraum ist somit trivial:

 .

Insbesondere ist in diesem Raum die Aussage des Trennungssatzes nicht gültig, da sich keine zwei Punkte durch eine abgeschlossene Hyperebene trennen lassen. Die schwache Topologie auf   ist indiskret.

Es gibt aber auch weniger extreme Beispiele, wie die Folgenräume   mit dem Zählmaß  . Diese Räume besitzen zwar nichttriviale absolutkonvexe offene Mengen, aber nicht genug um eine Nullumgebungsbasis zu bilden: Da jede konvexe offene Menge in   unbeschränkt ist, sind auch die   nicht lokalkonvex.[15] Trotzdem gibt es „viele“ lineare stetige Funktionale. Es gilt nämlich für  :

 

Die Inklusion „ “ sieht man leicht, denn für   und   gilt:

 

Für  ,   und   das Zählmaß, also   mit der  -Quasinorm, ist die Topologie auf diesem Raum sogar mit der üblichen Topologie des   identisch, da es auf jedem endlichdimensionalen reellen oder komplexen Vektorraum genau eine Hausdorff-Topologie gibt, die den Raum zu einem topologischen Vektorraum macht.[16] Obwohl die Kugeln in der erzeugenden Quasinorm nicht konvex sind, erzeugt diese eine lokalkonvexe Topologie:

 

Der Satz von Hahn-Banach ist anwendbar und der Dualraum wieder  , wie im euklidischen bzw. unitären Fall. Die schwache Topologie ist aus den gleichen Gründen wie oben mit der  -Quasinormtopologie sowie der üblichen Topologie identisch.

Banachraum-wertige Lp-Funktionen Bearbeiten

Ist neben dem Maßraum   noch ein Banachraum   gegeben, so kann man den Raum   aller  -messbaren Funktionen  , für die das Integral   endlich ist, bilden, wobei wie üblich fast überall übereinstimmende Funktionen identifiziert werden (siehe auch Bochner-Integral). Die Norm

 

macht   zu einem Banachraum. Sind nun   und  , so kann man

 

bilden, und es gilt:

 .

Man erhält daher wieder eine Abbildung

 

und man kann folgenden Satz zeigen[17]:

Sind   ein Maßraum,   ein separabler, reflexiver Banachraum und   sowie   der zu   konjugierte Exponent, so ist
 
ein isometrischer Isomorphismus.

Es gilt also die erwartete und leicht einprägsame Formel

 .

Gewichtete lp-Räume Bearbeiten

Es sei eine Folge   positiver Zahlen, sogenannter Gewichte, gegeben. Der zugehörige gewichtete  -Raum ist der Folgenraum

 

mit der Norm

 .

Dies ist nichts anderes als der Raum  , wobei das Maß   durch   definiert ist. Wendet man darauf obigen Satz über die Lp-Dualität an, erhält man einen isometrischen Isomorphismus

 .

In der Theorie der Folgenräume betrachtet man aber lieber eine durch den Ausdruck   gegebene Dualität, das heißt, man möchte die Faktoren   vermeiden. Dazu muss man von der Folge   zur Folge   übergehen. Da  , gilt

 ,

wobei   für die aus den Kehrwerten der   gebildete Folge von Gewichten steht. Man erhält also einen isometrischen Isomorphismus

 .

Kombiniert man diesen mit obigem isometrischen Isomorphismus  , so gelangt man zu[18]:

Es seien   eine Folge von Gewichten,   und   der zu   konjugierte Exponent. Dann ist
 
ein isometrischer Isomorphismus.

Dieser isometrische Isomorphismus ist gemeint, wenn man

 

schreibt. Es sei noch einmal darauf hingewiesen, dass dieser nicht der isometrische Isomorphismus aus dem allgemeinen Satz über Lp-Dualität ist, außer wenn alle Gewichte gleich 1 sind.

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Donald L. Cohn: Measure Theory. Birkhäuser, Boston 1980, ISBN 3-7643-3003-1, Theorem 4.5.17
  2. Dunford, Schwartz: Linear Operators, Part I, General Theory. ISBN 0-471-60848-3, Kapitel IV.8, Theorem 1
  3. M. Fréchet: Sur les ensembles de fonctions et les opérations linéares, C. R. Acad Sci Paris 144 (1907), Seiten 1414–1416
  4. F. Riesz: Untersuchungen über Systeme integrierbarer Funktionen, Math. Ann. 69 (1910), Seiten 449–497
  5. O. M. Nikodým :Contribution à la théorie des fonctionelles linéaires en connexion avec la théorie de la mesure des ensembles abstraits, Mathematica Cluj 5 (1931), Seiten 130–141
  6. E. J. McShane: Linear functionals on certain Banach spaces, Proc Amer. Math. Soc. 1 (1950), Seiten 401-408
  7. H. Steinhaus: Additive und stetige Funktionaloperationen, Math. Zeitschrift 5 (1919), Seiten 186–221
  8. Donald L. Cohn: Measure Theory. Birkhäuser, Boston 1980, ISBN 3-7643-3003-1, Theorem 4.5.17
  9. Dunford, Schwartz: Linear Operators, Part I, General Theory. ISBN 0-471-60848-3, Kapitel IV.8, Theorem 5
  10. Donald L. Cohn: Measure Theory. Birkhäuser, Boston 1980, ISBN 3-7643-3003-1, Theorem 9.4.8
  11. a b Jürgen Elstrodt: Maß- und Integrationstheorie. 6. Auflage. Springer Verlag, Berlin, Heidelberg 2009, ISBN 978-3-540-89727-9, Kapitel 6, S. 223–225, 229–234, 263, 268.
  12. Herbert Amann, Joachim Escher: Analysis. Band 3. 2. Auflage. Birkhäuser Verlag, Basel u. a. 2008, ISBN 978-3-7643-8883-6, Kapitel X: Integrationstheorie, Aufgabe 13, S. 131.
  13. Walter Rudin: Functional Analysis. 2. Auflage. McGraw-Hill, New York 1991, ISBN 0-07-054236-8, S. 36–37.
  14. Hans Wilhelm Alt: Lineare Funktionalanalysis. Eine anwendungsorientierte Einführung. 6. Auflage. Springer-Verlag, Berlin, Heidelberg 2012, ISBN 978-3-642-22260-3, Kapitel 2. Teilmengen von Funktionenräumen, U2.11, S. 140.
  15. S. M. Khaleelulla: Counterexamples in Topological Vector Spaces. 1. Auflage. Springer-Verlag, Berlin, Heidelberg 1982, ISBN 978-3-540-39268-2, Chapter 1 Example 3(ii), S. 13.
  16. Klaus Floret, Joseph Wloka: Einführung in die Theorie der lokalkonvexen Räume. 1. Auflage. Springer Verlag, Berlin, Heidelberg, New York 1968, ISBN 978-3-540-35855-8, §3.4, S. 17.
  17. R. E. Edwards: Functional Analysis: Theory And Applications, Dover Publications, ISBN 0-486-68143-2, 8.20
  18. K. Floret, J. Wloka: Einführung in die Theorie der lokalkonvexen Räume, Lecture Notes in Mathematics 56, 1968, ISBN 3-540-04226-1, §5.4