Die Dschaf bzw. Dschāf oder Jāf (persisch جاف, DMG ǧāf) sind eine kurdische Stammesföderation im Norden Iraks und im Westen Irans. Im Irak sind sie in den Provinzen Sulaimaniya und Halabdscha, im Iran zwischen Sanandadsch (Provinz Kordestān) und Dschawanrud (Javanrud, Provinz Kermanschah) verbreitet. Die irakischen Dschaf werden auch als Muradi, die iranischen Dschaf als Dschawanrudi (Javanrudi) bezeichnet.[1][2]

Dschaf-Kurden leben zwischen Halabdscha, Kifri, Penjwin, Sanandadsch und Dschawanrud.

Geografische Verteilung Bearbeiten

Die Dschaf leben in folgenden Städten und Gemeinden: Helebce, Kelar, Silêmanî, Ravansar, Sine, Ciwanrro, Selas-bawecanî, Kirmaşan, Xaneqîn.[3][4][5]

Muradi im Irak Bearbeiten

 
Sirwan al-Dschaf (1988)

Die Muradi, die so bezeichnet wurden, seit sie 1638 dem osmanischen Sultan Murad IV. bei der Rückeroberung Bagdads von den persischen Safawiden geholfen hatten[2], verließen um 1772 die persischen Weidegebiete.[1] Sie wanderten in den osmanisch beherrschten Irak ein, breiteten sich in der Region Sulaimaniya bis nach Kalar aus und unterwarfen oder verdrängten die ebenfalls nomadischen Dschalali-Kurden (Jalali), die Tilekuhi und einige weitere Stämme.[1] Ihr Winterquartier nahmen sie fortan bei Kifri (Provinz Diyala), ihr Sommerquartier bei Penjwin, im Frühling und Herbst bei Halabdscha.[6] Die Dschaf dienten den Osmanen fortan als Grenzwächter gegen aus Persien einfallende Nomaden.[2] Nach Ende der osmanischen Herrschaft beteiligten sie sich wiederholt an kurdischen Aufständen gegen Briten und Iraker, bekämpften aber 1919–1924 den Kurdenführer Mahmud Barzandschi.[7][8] Von 1983 bis 1989 stellten sie mit Yahya al-Dschaf bzw. Sirwan al-Dschaf die Regierungschefs der von Irak eingerichteten Kurdischen Autonomen Region[1], ehe sie durch Dschafar al-Barzandschi verdrängt wurden.[9]

Dschawanrudi in Iran Bearbeiten

Von den in ihrem Sommerweidegebiet bei Dschawanrud verbliebenen Dschaf-Kurden spalteten sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts nochmals sieben kleinere Clans ab und schlossen sich den Gorani-Kurden an.[1][2] Die verbliebenen zwölf[1] Dschawanrudi-Clans beteiligten sich wiederholt an kurdischen Aufständen bzw. Aufständen gegen die Herrschaft der persischen Kadscharen- und Pahlavi-Schahs. Mit Unterstützung irakischer Dschaf-Kurden kämpften sie beispielsweise 1907–1911 in der Jungpersischen Revolution und auf Seiten des mit einer Dschaf-Prinzessin verheirateten persischen Thronanwärters Sālār ad-Dawla[2] sowie zuletzt 1950[1] und 1956 gegen Mohammad Reza Pahlavi.[2]

Religion und Sprache Bearbeiten

Die Dschaf-Kurden sind sunnitische Muslime (Schāfiʿiten), von denen ein großer Teil den Orden der Qādirīya und Naqschbandīya folgt.[2] Ihre Sprache ist Sorani, ihr Sorani-Dialekt wird als Dschafi (Jafi) bezeichnet.[2] Zumindest ein Teil der Dschaf spricht Gorani[1] bzw. ein mit Gorani vermischtes Sorani.[2]

Geschichte Bearbeiten

Die Dschaf waren ursprünglich Nomaden[1][2] nördlich und westlich des Sirwan-Flusses[1] (Diyala) in Persien (Iran). Sie führten ihre Abstammung auf den kurdischstämmigen Sultan Saladin zurück[7]. Anderen Überlieferungen zufolge soll Tamerlan (Ende des 14. Jahrhunderts) die Dschaf-Clans der Qobādi and Bāwajāni (Bābājāni) aus osmanischen Gebieten (Anatolien) verschleppt und in Persien angesiedelt haben, während wiederum der Tāyšaʾi-Clan von Christen aus Armenien abzustammen behauptete.[2] Etwa seit der Mitte des 17. Jahrhunderts waren die Dschaf-Kurden unter der Führung der Begzadeh-Sayyids vereint.[1]

Bemerkenswerte Mitglieder Bearbeiten

Führer und Politiker

  • Mohamed Pascha Jaff, ein kurdischer König und oberster Häuptling des Jaff-Stammes, baute 1734 die Burg Sherwana.
  • Osman Pascha Jaff (geboren 1846), ein kurdischer König, Anführer des Jaff-Stammes und verheiratet mit Adela Khanum vom alten Ardalan-Stamm.[10]
  • Adela Jaff (1847–1924), von den Briten „Prinzessin der Tapferen“ genannt; verheiratet mit dem kurdischen König Osman Pascha Jaff, war berühmt für ihre Rolle in der Region, insbesondere in der Ära von Scheich Mahmood Al-Jaff Hafeed.
  • Ahmed Mukhtar Jaff (1898–1934) war Mitglied des irakischen Parlaments und Bürgermeister von Halabja.[11][12][13]
  • Nawzad Dawood Beg Jaff (auch bekannt als Nozad Dawood Fattah Al Jaff), Vorsitzender des Nordjordanlandes des Irak und Anführer des Jaff-Stammes.
  • Sirwan al-Dschaf (* 1938), Jurist und Politiker im Irak. Er war ab 1969 stellvertretender Gouverneur von Sulaimaniya, daraufhin 1974 Gouverneur von Arbil und von 1974 bis 1980 Generalsekretär (Minister) für Gemeinwesen im Exekutivrat (Regionalregierung) der Kurdischen Autonomen Region im Nordirak. Von 1986 bis 1989 war er Vorsitzender des Exekutivrates (Regierungschef) der autonomen Region.
  • Akram Hamid Begzadeh Jaff, kurdischer Führer, Politiker und ehemaliger Landwirtschaftsminister im Irak.
  • Hanna Jaff (geboren 1986), in den USA geborene mexikanisch-kurdische Politikerin, Philanthropin, Autorin und Rednerin.

Künstler, Dichter, Sänger

  • Khanai Qobadi Jaff (ca. 1700–1759), ein Jaff-Dichter des 18. Jahrhunderts.
  • Nali Jaff (1797 oder 1800–1855 oder 1856), Dichterin, die dazu beitrug, Sorani zur literarischen Sprache Südkurdistans zu machen.
  • Tara Jaff (geboren 1958), Sängerin und Musikerin mit Schwerpunkt Harfe.[14]

Gelehrte und Akademiker

Einzelnachweise Bearbeiten

Commons: Dschaf – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
  1. a b c d e f g h i j k Erhard Franz: Kurden und Kurdentum – Zeitgeschichte eines Volkes und seiner Nationalbewegungen, Seiten 58, 116, 190 und 196. Mitteilungen 30, Deutsches Orient-Institut Hamburg 1986
  2. a b c d e f g h i j k Encyclopedia Iranica: Jaf
  3. M. Reza Fariborz Hamzeh’ee: Jaf. In: Iranica Online. 2008, abgerufen am 20. Juni 2020 (englisch).
  4. Archibald Roosevelt: Kurdish tribal map of Iraq : showing the Iraq portion of Kurdistan and the major Kurdish tribal divisions within Iraq. Yale University, 1944, abgerufen am 14. Oktober 2023 (englisch).
  5. Country Policy and Information Note Iraq: Blood feuds. United States Department of Justice, 2017, S. 14–16, archiviert vom Original am 20. Dezember 2019; abgerufen am 20. Juni 2020 (englisch).
  6. Abdul Mabud Khan: Encyclopaedia of the world Muslims – tribes, castes and communities, Band 2, Seite 609. Global Vision Pub. House, Michigan 2001
  7. a b Michael M. Gunter: Historical Dictionary of the Kurds, Seite 148. Scarecrow Press, Lanham 2010
  8. Wadie Jwaideh: The Kurdish National Movement – Its Origins and Development, Seiten 179–198 und 353. Syracuse University Press, New York 2006
  9. Universität Tel Aviv: Middle East Contemporary Survey, Vol. XIII 1989, Seite 397. Holmes & Meier, New York 1991
  10. Tarih :17/N /1312 (Hicrî) Dosya No :35 Gömlek No :1312 Fon Kodu :İ..HUS.mm
  11. North Bank "in Good Position for Growth". Iraq Business News, 31. Mai 2014, abgerufen am 28. Mai 2018 (englisch).
  12. "Don't miss out, be a pioneer". The Worldfolio, 2012, abgerufen am 14. Oktober 2023 (englisch).
  13. La tribu Jaff en la actualidad. The Worldfolio, 10. Oktober 2016, abgerufen am 28. Mai 2018 (spanisch).
  14. BBC - Radio 3 World on Your Street - Musicians' Stories: Tara Jaff (1). Abgerufen am 15. September 2023.
  15. Publikationen von Fereidoun Biglari bei Google Scholar