Tuschino (Kaliningrad)

(Weitergeleitet von Dirvonupiai)

Tuschino (russisch Тушино, deutsch Nettschunen, 1938 bis 1945 Dammfelde, auch: Lobellen, sowie: Dirwonuppen, 1935 bis 1945 Ackerbach, litauisch Nečiūnai, auch: Luobeliai sowie: Dirwonupiai) ist der gemeinsame Name dreier ursprünglich eigenständiger Ortschaften in der russischen Oblast Kaliningrad. Tuschino gehört zur kommunalen Selbstverwaltungseinheit Stadtkreis Neman im Rajon Neman.

Siedlung,
Tuschino
Nettschunen (Dammfelde), Lobellen und Dirwonuppen (Ackerbach)

Тушино
Föderationskreis Nordwestrussland
Oblast Kaliningrad
Rajon Neman
Erste Erwähnung um 1732 (Nettschunen)
Frühere Namen I. Nedszuhnen (nach 1815),
Netschunen (um 1910).
Nettschunen (bis 1938),
Dammfelde (1938–1946)

II. Lobellen (bis 1946),
Russino (bis vor 2005)

III. Dirbanup (1540),
Schudicken (vor 1785),
Dirwonuppen (bis 1935),
Ackerbach (1935–1946),
Kostromskoje (bis vor 2005)
Bevölkerung 71 Einwohner
(Stand: 1. Okt. 2021)[1]
Höhe des Zentrums 19 m
Zeitzone UTC+2
Telefonvorwahl (+7) 40162
Postleitzahl 238702
Kfz-Kennzeichen 39, 91
OKATO 27 221 000 046
Geographische Lage
Koordinaten 55° 0′ N, 22° 11′ OKoordinaten: 54° 59′ 39″ N, 22° 11′ 6″ O
Tuschino (Kaliningrad) (Europäisches Russland)
Tuschino (Kaliningrad) (Europäisches Russland)
Lage im Westteil Russlands
Tuschino (Kaliningrad) (Oblast Kaliningrad)
Tuschino (Kaliningrad) (Oblast Kaliningrad)
Lage in der Oblast Kaliningrad

Besiedelt ist fast nur noch das ehemalige Lobellen. Im ehemaligen Nettschunen/Dammfelde sind kaum noch Häuser vorhanden. Die Ortsstelle Dirwonuppen/Ackerbach ist verlassen.

Geographische Lage Bearbeiten

Tuschino liegt an der Regionalstraße 27A-025 (ex R508) zwölf Kilometer südöstlich der Rajonstadt Neman (Ragnit). Ein Bahnanschluss besteht nicht.

Geschichte Bearbeiten

Nettschunen (Dammfelde) Bearbeiten

54° 59′ 27″ N, 22° 10′ 14″ O

Nettschunen, zunächst mit Neszunen bezeichnet, war im 18. Jahrhundert ein königliches Bauerndorf.[2] 1874 wurde die Landgemeinde Nettschunen dem neu gebildeten Amtsbezirk Titschken im Kreis Ragnit zugeordnet.[3] 1930 gelangte die Gemeinde in den Amtsbezirk Raudszen.[4] 1938 wurde Nettschunen in Dammfelde umbenannt.

In Folge des Zweiten Weltkriegs kam der Ort mit dem nördlichen Ostpreußen zur Sowjetunion.

Einwohnerentwicklung Bearbeiten

Jahr Einwohner
1867[5] 354
1871[5] 338
1885[6] 304
1905[7] 250
1910[8] 212
1933[9] 262
1939[10] 249

Lobellen / Russino Bearbeiten

Lobellen war spätestens seit dem 18. Jahrhundert ein Vorwerk des Remonteamts Neuhof-Ragnit,[11] zu dem auch eine Wassermühle und eine Schäferei gehörten. Seit etwa 1880 bildete Lobellen einen eigenständigen Gutsbezirk, der zum Amtsbezirk Raudszen gehörte.[4] Dazu gehörten auch die beiden an der Memel gelegenen Vorwerke Bambe und Nemonje[12] (55° 3′ 26″ N, 22° 13′ 56″ O, nicht mehr vorhanden, die Ortsstelle befindet sich heute im Rajon Krasnosnamensk), die auf den dortigen Wiesen Heu für die Pferdezucht produzierten. Ab 1922 wurde der Gutsbezirk von der Ostpreußischen Landgesellschaft aufgesiedelt und 1924 in eine Landgemeinde umgewandelt. Siedler waren vor allem Arbeiter des Gutes und der Schäferei. Es entstanden 24 Hofstellen.

Der Ort wurde im Jahr 1945 in Folge des Zweiten Weltkrieges der Sowjetunion zugeordnet. Im Jahr 1950 erhielt Lobellen den russischen Namen Russino und wurde dem Dorfsowjet Bolschesselski im Rajon Sowetsk zugeordnet.[13]

Einwohnerentwicklung Bearbeiten

Jahr Einwohner Bemerkungen
1871[5] 132 Als Teil des Remontedepots Neuhof-Ragnit
1885[6] 164 Davon in den Vorwerken Bambe 17 und Nemonje 8
1905[7] 174 Davon in den Vorwerken Bambe 20 und Nemonje 8
1910[8] 163
1933[9] 189
1939[10] 194

Dirwonuppen (Ackerbach) / Kostromskoje Bearbeiten

54° 58′ 7″ N, 22° 10′ 19″ O

Dirwonuppen, das auch mit Schudicken bezeichnet wurde, war wie Nettschunen im 18. Jahrhundert ein königliches Bauerndorf,[14] das vier große Wirtschaften umfasste. Seit 1874 gehörte die Landgemeinde Dirwonuppen zum Amtsbezirk Titschken. 1938 wurde Dirwonuppen in Ackerbach umbenannt.

Der Ort kam 1945 zur Sowjetunion. Im Jahr 1950 erhielt er den russischen Namen Kostromskoje und wurde dem Dorfsowjet Bolschesselski im Rajon Sowetsk zugeordnet.[13]

Einwohnerentwicklung Bearbeiten

Jahr Einwohner
1867[5] 105
1871[5] 103
1885[6] 77
1905[7] 95
1910[8] 104
1933[9] 88
1939[10] 90

Tuschino Bearbeiten

Im Jahr 1947 erhielt Nettschunen resp. Dammfelde die russische Bezeichnung Tuschino und wurde gleichzeitig in den Dorfsowjet Bolschesselski selski Sowet im Rajon Sowetsk eingeordnet.[15] Vor 1975 wurden die beiden Orte Kostromskoje (s. o.) und Russino (s. o.) an Tuschino angeschlossen.[16] Von 2008 bis 2016 gehörte Tuschino zur städtischen Gemeinde Nemanskoje gorodskoje posselenije und seither zum Stadtkreis Neman.

Einwohnerentwicklung Bearbeiten

Jahr Einwohner
1984[17] ~ 120
2002[18] 82
2010[19] 82

Kirche Bearbeiten

Wie in fast allen nordostpreußischen Städten und Dörfern war die Bevölkerung vor 1945 auch in Nettschunen (Dammfelde), Lobellen und Dirwonuppen (Ackerbach) fast ausnahmslos evangelischer Konfession. Hatten die Orte noch bis 1897 zur Kirche in Ragnit gehört, so waren sie dann in das neu gegründete Kirchspiel der Kirche Groß Lenkeningken (von 1938 bis 1946 hieß der Ort: Großlenkenau, heute russisch: Lesnoje) eingepfarrt. Sie war Teil der Diözese Ragnit im Kirchenkreis Tilsit-Ragnit innerhalb der Kirchenprovinz Ostpreußen der Kirche der Altpreußischen Union. Heute liegt Tuschino im weitflächigen Einzugsbereich der neu entstandenen evangelisch-lutherischen Gemeinde in Sabrodino (Lesgewangminnen, 1938 bis 1946 Lesgewangen), die zur Propstei Kaliningrad[20] (Königsberg) der Evangelisch-lutherischen Kirche Europäisches Russland gehört.

Schule Bearbeiten

In Nettschunen/Dammfelde gab es zunächst eine einklassige, dann eine zweiklassige Schule, die auch für die Orte Lobellen, Dirwonuppen/Ackerbach und Jucknaten/Fuchshöhe zuständig war.

Literatur Bearbeiten

  • Ernst Hofer: Am Memelstrom und Ostfluß. Düsseldorf 1967 (Darin Dammfelde (Nettschunen) einschl. Ackerbach und Fuchshöhe, S. 25–28, Lobellen, S. 43–45).

Weblinks Bearbeiten

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Таблица 1.10 «Численность населения городских округов, муниципальных районов, муниципальных округов, городских и сельских поселений, городских населенных пунктов, сельских населенных пунктов» Программы итогов Всероссийской переписи населения 2020 года, утвержденной приказом Росстата от 28 декабря 2021г. № 963, с данными о численности постоянного населения каждого населенного пункта Калининградской области. (Tabelle 1.10 „Bevölkerungsanzahl der Stadtkreise, munizipalen Rajons, Munizipalkreise, städtischen und ländlichen Siedlungen [insgesamt], städtischen Orte, ländlichen Orte“ der Ergebnisse der Allrussischen Volkszählung von 2020 [vollzogen am 1. Oktober 2021], genehmigt durch die Verordnung von Rosstat vom 28. Dezember 2021, Nr. 963, mit Angaben zur Zahl der Wohnbevölkerung jedes Ortes der Oblast Kaliningrad.)
  2. Johann Friedrich Goldbeck: Volständige Topographie des Königreichs Preussen. Teil I, Königsberg/Leipzig 1785, Volständige Topographie vom Litthauischen Cammer-Departement, S. 104.
  3. Rolf Jehke, Amtsbezirk Titschken/Tischken
  4. a b Rolf Jehke, Amtsbezirk Raudszen/Raudschen/Rautengrund
  5. a b c d e Die Gemeinden und Gutsbezirke des Preussischen Staates und ihre Bevölkerung nach den Urmaterialien der allgemeinen Volkszählung vom 1. December 1871, Berlin 1874
  6. a b c Gemeindelexikon für das Königreich Preußen, I. Provinz Ostpreußen, Berlin 1888
  7. a b c Gemeindelexikon für das Königreich Preußen, Heft 1, Provinz Ostpreußen, Berlin 1907
  8. a b c Uli Schubert, Gemeindeverzeichnis, Landkreis Ragnit
  9. a b c Amtliches Gemeindeverzeichnis für das Deutsche Reich, Teil I: Altreich und Land Österreich. Herausgegeben vom Statistischen Reichsamt, Vierte Auflage, 1939
  10. a b c Michael Rademacher: Stadt Tilsit und Landkreis Tilsit–Ragnit/Pogegen. Online-Material zur Dissertation, Osnabrück 2006. In: eirenicon.com.
  11. Johann Friedrich Goldbeck: Volständige Topographie des Königreichs Preussen. Teil I, Königsberg/Leipzig 1785, Volständige Topographie vom Litthauischen Cammer-Departement, S. 88.
  12. Auch mit Nemondje bezeichnet, ab 1938 Monje
  13. a b Durch den Указ Президиума Верховного Совета РСФСР от 5 июля 1950 г., №745/3, «О переименовании населённых пунктов Калининградской области» (Verordnung 745/3 des Präsidiums des Obersten Rats der RSFSR "Über die Umbenennung der Orte des Gebiets Kaliningrad" vom 5. Juli 1950)
  14. Johann Friedrich Goldbeck: Volständige Topographie des Königreichs Preussen. Teil I, Königsberg/Leipzig 1785, Volständige Topographie vom Litthauischen Cammer-Departement, S. 29.
  15. Durch den Указ Президиума Верховного Совета РСФСР от 17 ноября 1947 г. «О переименовании населённых пунктов Калининградской области» (Verordnung des Präsidiums des Obersten Rats der RSFSR "Über die Umbenennung der Orte des Gebiets Kaliningrad" vom 17. November 1947)
  16. Gemäß der Административно-территориальное деление Калининградской области 1975 (Die administrativ-territoriale Einteilung der Oblast Kaliningrad 1975, herausgegeben vom Sowjet der Oblast Kaliningrad) auf http://www.soldat.ru/ (rar-Datei).
  17. Sowjetische Topographische Karte 100k--n34-045
  18. Allrussische Volkszählung von 2002
  19. Allrussische Volkszählung von 2010
  20. Evangelisch-lutherische Propstei kaliningrad (Memento des Originals vom 29. August 2011 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.propstei-kaliningrad.info