Dichloressigsäure

organische Halogenverbindung

Dichloressigsäure (kurz DCA, von englisch Dichloroacetic Acid) ist eine chlorierte Essigsäure, bei der zwei Wasserstoffatome der Methylgruppe durch zwei Chloratome substituiert sind. Die Salze werden als Dichloracetate bezeichnet.

Strukturformel
Struktur von Dichloressigsäure
Allgemeines
Name Dichloressigsäure
Andere Namen
  • Dichlorethansäure
  • DCA
Summenformel C2H2Cl2O2
Kurzbeschreibung

farblose Flüssigkeit mit stechendem Geruch[1]

Externe Identifikatoren/Datenbanken
CAS-Nummer 79-43-6
EG-Nummer 201-207-0
ECHA-InfoCard 100.001.098
PubChem 6597
ChemSpider 10771217
DrugBank DB08809
Wikidata Q412845
Eigenschaften
Molare Masse 128,94 g·mol−1
Aggregatzustand

flüssig[1]

Dichte

1,57 g·cm−3 (20 °C)[2]

Schmelzpunkt

9–13 °C[2]

Siedepunkt

194 °C[2]

Dampfdruck

0,19 hPa (20 °C)[2]

pKS-Wert

1,29[3]

Löslichkeit
  • mischbar mit Wasser[2]
  • sehr gut löslich in DMSO, Ethanol und Aceton[3]
Brechungsindex

1,466[4]

Sicherheitshinweise
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung aus Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 (CLP),[5] ggf. erweitert[2]
Gefahrensymbol Gefahrensymbol Gefahrensymbol Gefahrensymbol

Gefahr

H- und P-Sätze H: 290​‐​311​‐​314​‐​318​‐​351​‐​360​‐​362​‐​373​‐​400
EUH: 071
P: 201​‐​273​‐​280​‐​303+361+353​‐​304+340+310​‐​305+351+338[2]
Toxikologische Daten
Thermodynamische Eigenschaften
ΔHf0

−496,3 kJ/mol[7]

Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen. Brechungsindex: Na-D-Linie, 20 °C

Vorkommen Bearbeiten

Dichloressigsäure kann in gechlortem Trinkwasser bei Kontakt mit organischer Materie entstehen.[8][9]

Gewinnung und Darstellung Bearbeiten

Dichloressigsäure kann aus Trichloressigsäure oder bei der Reaktion von Essigsäure mit Chlor gewonnen werden, wobei allerdings ein Gemisch von Mono-, Di- und Trichloressigsäure entsteht, das nur schwer aufzutrennen ist. Ein direkter Zugang ergibt sich über die Umsetzung von Chloralhydrat und Kaliumcyanid oder Kaliumhexacyanidoferrat(II) in wässriger Lösung durch Kochen unter Rückfluss.[10]

Verwendung Bearbeiten

Dichloressigsäure wird als Lösungsmittel sowie als Ausgangsstoff zur Synthese anderer Chemikalien (etwa Sulfonamide[11]) benutzt.

Arzneistoff Bearbeiten

In klinischen Studien wird die Anwendung von Dichloracetat als Arzneistoff bei mehreren Erkrankungen geprüft. Bei der Laktatazidose kann es möglicherweise die Enzym-eigene Kinase des Enzymkomplexes Pyruvat-Dehydrogenase hemmen. Bei Morbus Crohn erwies es sich an Mäusen als wirksam, durch Anregung der Darmregeneration und Steigerung der Mitochondrien-Funktion.[12]

Seit einer wissenschaftlichen Veröffentlichung im Januar 2007[13] ist ein Einsatz als Arzneistoff auch gegen spezielle Krebsformen Gegenstand von Untersuchungen.[14][15][16] Für eine Zulassung liegen bisher keine ausreichenden Belege der klinischen Wirksamkeit und Sicherheit vor. Eine Studie musste 2006 wegen Nervenschädigungen abgebrochen werden.[17]

Sicherheitshinweise Bearbeiten

Die IARC stufte Dichloressigsäure im Jahr 2014 als möglicherweise krebserzeugend ein.[18]

Siehe auch Bearbeiten

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. a b Eintrag zu Dichloressigsäure. In: Römpp Online. Georg Thieme Verlag, abgerufen am 12. Oktober 2014.
  2. a b c d e f g Eintrag zu Dichloressigsäure in der GESTIS-Stoffdatenbank des IFA, abgerufen am 3. Januar 2023. (JavaScript erforderlich)
  3. a b Lawrence H. Keith, Douglas B. Walters; The National Toxicology Program's Chemical Data Compendium; ISBN 978-0-87371-716-8
  4. Datenblatt Dichloroacetic acid bei Sigma-Aldrich, abgerufen am 21. Februar 2013 (PDF).
  5. Eintrag zu Dichloroacetic acid im Classification and Labelling Inventory der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA), abgerufen am 1. Februar 2016. Hersteller bzw. Inverkehrbringer können die harmonisierte Einstufung und Kennzeichnung erweitern.
  6. a b AMA Archives of Industrial Hygiene and Occupational Medicine. Vol. 4, 1951. S. 119.
  7. David R. Lide (Hrsg.): CRC Handbook of Chemistry and Physics. 90. Auflage. (Internet-Version: 2010), CRC Press / Taylor and Francis, Boca Raton FL, Standard Thermodynamic Properties of Chemical Substances, S. 5-21.
  8. Greenfacts: Dichloroacetic acid.
  9. WHO: Dichloroacetic Acid in Drinking-water (PDF-Datei; 183 kB).
  10. Ernst Albert Schmidt: Ausführliches Lehrbuch der pharmaceutischen Chemie. F. Vieweg und Sohn, 1901, S. 408 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  11. International Agency for Research on Cancer: Dichloroacetic acid.
  12. Sevana Khaloian, Eva Rath, Nassim Hammoudi, Elisabeth Gleisinger, Andreas Blutke, Pieter Giesbertz, Emanuel Berger, Amira Metwaly, Nadine Waldschmitt, Matthieu Allez, Dirk Haller: Mitochondrial impairment drives intestinal stem cell transition into dysfunctional Paneth cells predicting Crohn’s disease recurrence. In: Gut. 2020, Band 69, Nummer 11, S. 1939–1951 doi:10.1136/gutjnl-2019-319514.
  13. Small molecule offers big hope against cancer (Memento vom 27. Februar 2007 im Internet Archive), University of Alberta Express News, 16. Januar 2007.
  14. NZZ online: Krebszellen unter Zwangsbeatmung. 4. April 2007.
  15. Rosemary Cashman: Dichloroacetic Acid (DCA) for brain tumours. (PDF; 1,6 MB) BC Cancer Agency, abgerufen am 1. Februar 2012 (englisch).
  16. N. Zhang, A. F. Palmer: Development of a dichloroacetic acid-hemoglobin conjugate as a potential targeted anti-cancer therapeutic. In: Biotechnology and bioengineering. Band 108, Nummer 6, Juni 2011, S. 1413–1420, doi:10.1002/bit.23071. PMID 21328317.
  17. Franziska Badenschier: Experten warnen vor vermeintlichem Wundermittel. spiegel.de, 30. März 2007, abgerufen am 1. Februar 2012.
  18. IARC Monograph 106 - Dichloressigsäure, 2014.