Dersim

Historische und politisierte Region in der Türkei

Dersim (kurdisch Dêrsim, osmanisch درسم, armenisch Տէրսիմ/Դերսիմ Tersim, zazaisch Dêsım) ist der heute inoffizielle Name eines Gebiets in der Türkei. Es entspricht im Kern der heutigen Provinz Tunceli. Trotz des Tunceli-Gesetzes von 1937 und der Umbenennung der Stadt in Tunceli ist der Name Dersim unter der Bevölkerung gängig und politisiert. Die Region hat den höchsten Anteil an Aleviten in der Türkei, zudem sind die Mehrheit der Einwohner Zazas. Vor dem Völkermord an den Armeniern lebten hier zahlreiche Armenier. Viele Armenier fanden hier während des Völkermordes Zuflucht.

Karte von Hauptmann L. Molyneux-Seel, Konsul des Vereinigten Königreiches in Van nach seiner Reise in Dersim[1]

Namensgebung Bearbeiten

Die populäre Herleitung des Namens von „silbernem Tor“ (Der = „Tür“/„Tor“ und Sim = „Silber“) wird ausgeschlossen.[2] 1847 wurde das Sandschak Dersim eingerichtet und nach dem Stammesverband der Desim/Desimlu benannt. Laut Mehmet Yıldırım entstand das „r“ im Namen durch einen Lese- und Schreibfehler der osmanischen Beamten. Ab 1870 wird nur noch Dersim genannt.[3]

Demografie Bearbeiten

Vitali Guinet sammelte wichtige Informationen über die Zusammensetzung der Bevölkerung von Dersim. Er unterteilte die Dersimer in Kizilbasch, Muslime, Kurden sowie evangelische und gregorianische Armenier. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts lieferte der in Dersim reisende Antranig Yeritsyan ebenfalls einige Informationen.[4] Yeritsyan schrieb, dass die Dersimer, die er kennenlernte, erklärten, dass sie armenische Wurzeln hätten.[5] Der in den Jahren von 1830 bis 1905 lebende französische Geograf und Schriftsteller Élisée Reclus behauptete, dass die Kizilbasch nur zu einem kleineren Teil echte Türken seien. Reclus erklärte, dass die (Dersim-)Kizilbasch von den Muslimen als christliche Konfession betrachtet würden. Zu Beginn der 1930er Jahre sollte in einem über Dersim erstellten Bericht bewiesen werden, dass die Dersimer Türken seien.

Für manche Forscher stammen die Ahnen der Dersimer aus einem Volk, das im bergigen Gebiet Dailam (Gilan) lebt.

Unter Sultan Abdülhamid II. wurden die Dersimer von religiöser Sicht als „nicht auf dem richtigen Wege“ betrachtet. Daher wurden Nakschibendi-Scheichs nach Dersim entsandt, einer Tekke errichtet und am 3. Juli 1896 ein Schriftsatz vorbereitet, der das Volk von Dersim zum irschad einlädt. Danach wurde der Hohen Pforte ein zusammen mit dem Allgemeinen Inspekteur von Anatolien, Müşir Şakir Paşa, und dem Kommandanten der 4. osmanischen Armee, Mehmet Zeki Paşa, vorbereiteter Bericht vorgelegt. Der Bericht, der den Titel „Schriftsatz betreffend der Reform von Dersim Islahatı“ trug, bestand aus vier Abschnitten.[6]

Geografie Bearbeiten

Grenzen Bearbeiten

Dersim wird im Osten vom Fluss Peri Çayı, im Norden vom Munzur-Gebirge, im Westen vom Euphrat und im Süden vom Fluss Murat begrenzt. Aus politischer Sicht grenzt Dersim, angefangen im Norden an die Landkreise Erzincan und Kemah der Provinz Erzincan, im Nordosten an den Landkreis Tercan der Provinz Erzincan, teilweise an den Landkreis Palu der Provinz Elâzığ und an der Landkreis Kiğı der Provinz Bingöl, im Westen an den Landkreis Kemaliye der Provinz Erzincan, an den Landkreis Arapgir der Provinz Malatya, und im Süden wird die Grenze vom Landkreis Palu der Provinz Elâzığ sowie den Landkreisen Elâzığ und Keban umschlossen. Das Gebiet umfasst etwa 10.000 Quadratkilometer (die Provinz Tunceli hat lediglich 7.774 Quadratkilometer).[7][8] Die alten Grenzen von Dersim gingen hingegen von Varto, im Norden nach İmranlı und Zara und im Westen bis nach Malatya.[3]

West- und Ost-Dersim Bearbeiten

Die Geschichtswissenschaftler unterteilen das Gebiet Dersim in zwei Gebiete:[9]

 
Karte des armenischen Dorfes Hazari in Dersim

Berge Bearbeiten

  • Munzur Dağları
    • Akbaba Tepesi (3462 m)
    • Kaf Tepesi (3369 m)
    • Katır Tepesi (3129 m)
  • Bağır Paşa Dağı (3282 m)
  • Sürünbaba Tepesi (2192 m, Karaoğlan)
  • Çal Dağı (2342 m, Kabataş)
  • Mercan Dağları (Erzincan)
  • Karasakal Dağları (Tunceli - Pülümür)
  • Karaoğlan Dağı (Tunceli)
  • Avcı Dağları (Pülümür)
  • Yılan Dağı (2950 m, Yukarı Umutlu)
  • Sarıçiçek Tepesi (1871 m, Pertek)
  • Kırklar Dağı (1897 m, Mazgirt)
  • Topatan Tepesi (2192 m, Hozat)
  • Karagöl Dağları
  • Palandöken Dağları
  • Karaboğa Dağları
  • Gökdere Dağları
    • Kurt Tepesi (1978 m, Gökdere)
  • Akçakara Dağları
    • Koz Tepesi (2264 m)
  • İnceburun Dağları
  • Tecer Dağları
  • Otlukbeli Dağları
  • Köse Dağları
  • Esence Dağları
    • Esence Tepesi (3549 m)
  • Şeytan Dağları
  • Kaplıkaya Tepesi (Elâzığ)
  • Mastar Dağı (Elâzığ)
  • Küp Dağı (2088 m)
  • Şerafeddin Dağları
    • Şerafeddin Tepesi (2544 m)
  • Dallı Tepesi (3034 m)
  • Şahin Tepesi (2675 m)
  • Şehit Tepesi (1532 m)
  • Askerçayırı Tepesi (1592 m)
  • Bingöl Dağları
    • Dağkale Tepesi (3193 m)
  • Şakşak Tepesi (3057 m)
  • Karakaya Dağı (3115 m)
  • Buzgölü Tepesi (3162 m)
  • Köhmen Dağı (3045 m)
  • Sivri Tepesi (1931 m)
  • Kurtlu Tepesi (2711 m)
  • Güneşönü Tepesi (2078 m)
  • Çengelli Dağı (2596 m)
  • Güneydoğu Toroslar
  • Dördük Dağları (Malatya)
  • Şakşak Dağları (Malatya)
  • Ulubaba Dağı (Malatya)
    • Ziyaret Tepesi (2000 m)

Flüsse und Bäche Bearbeiten

Talsperren Bearbeiten

Pässe Bearbeiten

  • Çimento Geçidi (Kemaliye)
  • Karababa Geçidi (Arapgir)
  • Övdelik Geçidi (Arapgir)
  • Örtülü Geçidi (Arapgir)
  • Tırnık Geçidi (Palu)
  • Çobantaş Geçidi (Göynük)
  • Kurucu Geçidi (Karakoçan - Bingöl arası)
  • Buğlan Geçidi (Solhan)
  • Kovalık Geçidi (Başköy)
  • Sipikör Geçidi (Erzincan)
  • Kolçekmezdağ Geçidi (Erzincan)
  • Sakaltutan Geçidi (Refahiye - Erzincan arası)
  • Arpayazbeli Geçidi (Refahiye)
  • Sünübeli Geçidi (Gümüşakar)
  • Çorakboğazı Geçidi (Karacaören)
  • Karşar Geçidi (Divriği)
  • Karabel (Beypınarı - Beulucan arası)
  • Kızbeli (Çetinkaya - Beypınarı arası)
  • Kızıldağ Geçidi (İmranlı - Refahiye)
  • Kubbe Geçidi (Çolaklı)
  • Kömürhan Geçidi (Kale)
  • Koç Geçidi (Sivrice)

Geschichte Bearbeiten

 
Anführer der Stämme von Dersim in Ankara 1926; im Bild Nuri Dersimi

Als die ältesten Bewohner des Gebietes werden die Urartäer angenommen.[10] Die Region stand unter der Herrschaft von Urartu, den Achämeniden, Rom, Byzanz, Seldschuken, dem Eretna Beyliği, den Osmanen und der Türkei. Die erste kurdische Dynastie in Dersim war die im 12. Jahrhundert gegründete Cemisgezek-Dynastie. Dazu kamen kleinere kurdische Dynastien wie Sagman und Koschan. Nachdem die Region im 14. Jahrhundert gänzlich in die Hände der moslemischen Osmanen fiel, zogen sich alevitische Kurden in die hohen Berge Dersims zurück und lebten in einer autonomen, von den kurdischen Stämmen verwalteten Gesellschaft.

Bekannt wurde die Provinz durch den Dersim-Aufstand 1937/38, in dessen Zuge zehntausende Menschen starben oder zwangsumgesiedelt wurden. Danach ist die Geschichte mit der Geschichte der Provinz Tunceli identisch. In den letzten Jahren gibt es Bemühungen, den alten Namen Dersim wieder einzuführen.

Weblinks Bearbeiten

Commons: Dersim – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Cap. L. Molyneux-Seel: A Journey in Dersim. In: Geographical Journal, 44/1, 1914, S. 49–68.
  2. Sevan Nişanyan: Adını Unutan Ülke. Türkiye'de Adı Değiştirilen Yerler Sözlüğü. Istanbul 2010, S. 315.
  3. a b Mehmet Yıldırım, Desimlu Aşireti'nden Dersim Sancağı'na. (Memento vom 7. Dezember 2012 im Internet Archive) (PDF) Tunceli Üniversitesi Sosyal Bilimler Dergisi Cilt 1, Sayı 1, Güz 2012, S. 23–37.
  4. Antranig: Dersim Seyahatname. Aras yayıncılık, S. 123
  5. Antranig: Dersim Seyahatname. Aras y., S. 122
  6. İbrahim Yılmazçelik: Dersim Sancağının Kurulmasından Sonra Karşılaşılan Güçlükler ve Dersim Sancağı ile İlgili Bu Dönemde Yazılan Raporlar (1875–1918). (PDF; 6,7 MB) In: Otam 28. Jahrgang, Ausgabe Herbst 2010.
  7. Nazmi Sevgen: Zazalar ve Kızılbaşlar: Coğrafya-Tarih-Hukuk-Folklor-Teogoni, Kalan Yayınları, Ağustos 1999, ISBN 975-8424-00-9, S. 12.
  8. Nazmi Sevgen (1890 - 1980): Dersim uzumanı olan emekli Jandarma Yarbayı.
  9. Ahmet Hezarfen, Cemal Şener: Osmanlı Belgeleri'nde Dersim Tarihi (Osmanlıca-Türkçe 50 Adet Orjinal Belge). Etik Yayınları, Mart 2003, İstanbul, ISBN 975-8565-06-0, S. 4.
  10. Dersim maddesi. In: Türk Ansiklopedisi, Cilt XIII, Milli Eğitim Basımevi, Ankara, 1966, S. 109.

Koordinaten: 39° 9′ 10,8″ N, 39° 28′ 15,6″ O