Dequaliniumchlorid

chemische Verbindung

Dequaliniumchlorid ist ein Arzneistoff aus der Gruppe der Desinfektionsmittel auf quartärer Ammoniumbasis, der in der topischen Behandlung von Infektionen der Haut und Schleimhaut mit Bakterien oder Pilzen verwendet wird.

Strukturformel
Strukturformel von Dequaliniumchlorid
Allgemeines
Freiname Dequaliniumchlorid[1]
Andere Namen
  • Dechaliniumchlorid
  • 1,1'-(Decan-1,10-diyl)bis(4-amino-2-methylchinolin-1-iumchlorid)
  • DEQUALINIUM CHLORIDE (INCI)[2]
Summenformel C30H40Cl2N4
Externe Identifikatoren/Datenbanken
CAS-Nummer 522-51-0
EG-Nummer 208-330-9
ECHA-InfoCard 100.007.575
PubChem 10649
ChemSpider 10201
DrugBank DB04209
Wikidata Q5261117
Arzneistoffangaben
ATC-Code
Wirkstoffklasse

Desinfizientien

Eigenschaften
Molare Masse 527,6 g·mol−1
Aggregatzustand

fest[3]

Schmelzpunkt

310 °C[3]

Sicherheitshinweise
Bitte die Befreiung von der Kennzeichnungspflicht für Arzneimittel, Medizinprodukte, Kosmetika, Lebensmittel und Futtermittel beachten
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung[3]
keine GHS-Piktogramme

H- und P-Sätze H: keine H-Sätze
P: keine P-Sätze[3]
Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen.

Klinische Angaben Bearbeiten

Gynäkologie Bearbeiten

In der Gynäkologie wird Dequaliniumchlorid bei bakterieller Vaginose eingesetzt. Daneben kommt es auch in Frage bei Fluor vaginalis, vulvo-vaginaler Candidiasis und Trichomoniasis.[4] Es handelt sich um ein topisches Bakteriozid und Fungizid.[5] Es besteht eine Anwendungsbeschränkung bei Frauen unter 18 oder über 55 Jahren.[6]

Dequaliniumchlorid wird in Form von Vaginaltabletten jeweils abends über 6 Tage hinweg angewendet. Höchstens bei zeitlicher Überschneidung mit der Menstruation wird die Anwendung für diese Zeit unterbrochen und danach fortgeführt. Um die Wirkung sicherzustellen ist die sechstägige Anwendung wichtig; auch wenn bereits keine Symptome mehr vorliegen sollten. Bei einem unsachgemäßen Abbruch der Anwendung besteht die Wahrscheinlichkeit von Rückfällen.[6]

Die Anwendung ist kontraindiziert bei Ulzeration des Vaginalepithels.[6] Zur Anwendung während der Schwangerschaft und Stillzeit bestehen keine Beschränkungen.[6]

Mit Wechselwirkungen zwischen Dequaliniumchlorid und anderen Arzneistoffen ist nicht zu rechnen; es ist aber darauf zu achten, dass das Mittel nicht bei der alltäglichen Hygiene ausgewaschen wird. Insbesondere die gleichzeitige Anwendung von anionischen Substanzen wie Seife, Detergenzien oder anderen oberflächenaktiven Substanzen soll daher vermieden werden.[6]

Hals-Nasen-Ohrenheilkunde Bearbeiten

Zur unterstützenden zeitweiligen Behandlung bei Entzündungen der Mund- und Rachenschleimhaut wird Dequaliniumchlorid als Gurgellösung, Mundspray[7][8] oder Lutschpastille eingesetzt.[9]

Dermatologie Bearbeiten

Dequaliniumchlorid wird auch in der Behandlung von oberflächlichen Entzündungen und Infektionen der Haut (Follikulitis, Impetigo contagiosa, infizierte Ekzeme etc.) eingesetzt. Es soll die antimikrobielle Wirkung des Antibiotikums Bacitracin, mit dem es kombiniert wird, erweitern.[10]

Pharmakologische Eigenschaften Bearbeiten

Dequaliniumchlorid wird von der Bakterien-Oberfläche adsorbiert und diffundiert dann durch die Zellmembran, wobei die Permeabilität der Membran gestört wird. Im Zellplasma führt es zur Denaturierung der Proteine der Atmungskette und Glycolyse der Bakterien, was den Metabolismus und die ribosomale Protein-Synthese schwächt. Außerdem inhibiert es die mitochondriale ATP-Synthese. Es ist auch bekannt, dass das Dequaliniumion durch Interkalation der Aminochinaldin-Einheit zum Ausfallen von Nukleinsäuren aus dem Zellplasma führen kann. In höheren Konzentrationen tritt Lysis der Bakterien ein.[4][5][9]

Dequalinium besitzt in vitro sowohl eine antimikrobielle Wirkung gegen gram-positive und gram-negative Bakterien, als auch gegen Hefen und Protozoen.[4]

Sonstige Informationen Bearbeiten

Chemische und pharmazeutische Informationen Bearbeiten

Dequaliniumchlorid ist ein Dichlorid und gehört zur Klasse der Bolaamphiphile. Es ist symmetrisch in dem Sinne, dass die beiden hydrophilen Enden des Moleküls identisch sind (siehe Chinaldin). Diese Aminochinalidinium-Einheiten sind über die Stickstoff-Atome im Ring mit einer Decyl-Kette verknüpft. Somit ergibt sich auch der Trivialname als Kontraktion der Namen dieser Untereinheiten. Neben dem Chloridsalz sind auch Salze mit Bromid, Iodid, Acetat und Undecenoat bekannt. Bisher besteht zur Synthese von Dequaliniumchlorid nur Patent-Literatur.

Numerische Identifikatoren des Kations und des Chlorids
Name Dequalinium Dequaliniumchlorid
Strukturformel    
CAS-Nummer 6707-58-0 522-51-0
PubChem 2993 10649
ChemSpider 2886 10201
EG-Nummer 208-330-9
ECHA-ID 100.007.575

Geschichtliches Bearbeiten

Die früheste bekannte Markteinführung von Dequaliniumchlorid war 1958 in Kanada (Handelsname Dequadin). Auch in Österreich gab es schon 1967 eine Markteinführung unter dem Namen Eucillin.

Handelsnamen Bearbeiten

  • Monopräparate: Fluomizin (D,[6] Hersteller Pierre Fabre Pharma, A), Tonsillol (A)
  • Kombinationspräparate: Dequonal (D, A), Wick Sulagil Halsspray (D, A), Eucillin „B“ (A)

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. INN Recommended List 4, World Health Organisation (WHO), 9. März 1964.
  2. Eintrag zu DEQUALINIUM CHLORIDE in der CosIng-Datenbank der EU-Kommission, abgerufen am 17. September 2022.
  3. a b c d Datenblatt Dechaliniumchlorid bei Sigma-Aldrich, abgerufen am 15. September 2022 (PDF).
  4. a b c V. Della Casa, H. Noll, S. Gonser, P. Grob, F. Graf, G. Pohlig: Antimicrobial activity of dequalinium chloride against leading germs of vaginal infections. In: Arzneimittelforschung. Band 52, Nr. 09, 2002, S. 699–705, doi:10.1055/s-0031-1299954.
  5. a b W. Mendling, E. R. Weissenbacher, S. Gerber, V. Prasauskas, P. Grob: Use of locally delivered dequalinium chloride in the treatment of vaginal infections: a review. In: Archives of Gynecology and Obstetrics. Band 293, Nr. 3, 2016, S. 469–484, doi:10.1007/S00404-015-3914-8.
  6. a b c d e f Rote Liste® Service GmbH (Hrsg.): ROTE LISTE 2022. Band 62. Rote Liste® Service GmbH, Frankfurt am Main, ISBN 978-3-946057-74-1, S. 821. Eintrag in der Online-Ausgabe: Fluomizin
  7. Fachinformation Dequonal, Kreussler Pharma, Stand Juli 2021.
  8. Fachinformation Wick Sulagil Halsspray, Wick Pharma Zweigniederlassung der Procter & Gamble GmbH, Stand: November 2020.
  9. a b C. Bailly: Medicinal applications and molecular targets of dequalinium chloride. In: Biochemical Pharmacology. Band 186, 2021, S. 114467, doi:10.1016/j.bcp.2021.114467.
  10. Fachinformation Eucillin B, Sigmapharm Arzneimittel, Stand November 2021.