Crostwitz

Gemeinde im Landkreis Bautzen, Sachsen, Deutschland

Crostwitz, obersorbisch Chrósćicy/?, ist ein Ort und die zugehörige Gemeinde im Zentrum des ostsächsischen Landkreises Bautzen und befindet sich ca. 12 km östlich der Stadt Kamenz. Die Gemeinde zählt zur Oberlausitz und ist Mitglied im Verwaltungsverband Am Klosterwasser. Crostwitz ist eines der Zentren des sorbischen Siedlungsgebietes in Sachsen.

Wappen Deutschlandkarte
Crostwitz
Deutschlandkarte, Position der Gemeinde Crostwitz hervorgehoben
Basisdaten
Koordinaten: 51° 14′ N, 14° 15′ OKoordinaten: 51° 14′ N, 14° 15′ O
Bundesland: Sachsen
Landkreis: Bautzen
Verwaltungsverband: Am Klosterwasser
Höhe: 170 m ü. NHN
Fläche: 13,33 km2
Einwohner: 1026 (31. Dez. 2022)[1]
Bevölkerungsdichte: 77 Einwohner je km2
Postleitzahl: 01920
Vorwahl: 035796
Kfz-Kennzeichen: BZ, BIW, HY, KM
Gemeindeschlüssel: 14 6 25 080
Gemeindegliederung: 6 Ortsteile
Adresse der
Gemeindeverwaltung:
Am Hirtenquell 4
01920 Crostwitz
Website: www.crostwitz.de
Bürgermeister: Marko Klimann (CDU)
Lage der Gemeinde Crostwitz im Landkreis Bautzen
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Karte

Der Ortsname ist – wie bei Crostau – vom altslawischen Wort chróst für „Gebüsch“ abgeleitet (vgl. obersorbisch chrósćina = Gestrüpp, Buschwerk).[2]

Geografie Bearbeiten

Der Ort Crostwitz liegt zwischen 160 und 180 m ü. NN an beiden Seiten des Baches Satkula, der etwas nördlich des Ortes in das Klosterwasser mündet. Gemeinsam mit Panschwitz-Kuckau zählt die Gemeinde zum sogenannten „Oberland“ (sorb. Horjany) der ehemaligen Klosterpflege St. Marienstern. Im östlichen Teil der Siedlung, südlich und westlich umflossen vom Bach, befindet sich der Kirchberg mit der Katholischen Kirche, dem Crostwitzer Friedhof, der Schule und einigen älteren Wohn-, teils Fachwerkhäusern. Der größere Teil des Ortes erstreckt sich jedoch auf der Westseite der Satkula in Richtung Panschwitz-Kuckau. Die nächste höhere Erhebung ist der Galgenberg am nordöstlichen Ortsausgang in Richtung Jeßnitz (216 m).

Ortsgliederung Bearbeiten

Zur Gemeinde gehören folgende Ortsteile:

Geschichte Bearbeiten

 
Crostwitz auf einem Meßtischblatt, Sekt. Kloster Marienstern, 1884

In der Nähe des Ortsteils Kopschin befinden sich die Reste einer alten slawischen Burgwallanlage, die sogenannte Kopschiner Schanze.

Der Ort wurde bereits 1225 als Herrensitz des Henricus de Crostiz urkundlich erwähnt. Die Pfarrkirche von Crostwitz hatte seit dem 13. Jahrhundert eine große Bedeutung für die Region zwischen Panschwitz, Storcha und Rosenthal. Die meisten anderen Kirchen in dieser Gegend wurden erst später errichtet.

Die Planungen für die Sächsische Nordostbahn sahen eine Streckenführung von Bautzen über Crostwitz in Richtung Kamenz vor. Mit dem ausbrechenden Ersten Weltkrieg und nicht zuletzt auch aufgrund heftiger Widerstände in der Bevölkerung wurde der Bau jedoch abgebrochen und nicht wieder aufgenommen.

Im Rahmen der nationalsozialistischen Volkszählung 1939 bekannten sich in der ganzen Lausitz insgesamt 595 Menschen zur „wendischen Volkszugehörigkeit“, obwohl dies aufgrund der propagierten Charakterisierung der Sorben als „deutscher Stamm“ ausdrücklich unerwünscht war. Von diesen sogenannten „Bekenntniswenden“, die im Unterschied zu jenen Sorben, die eine deutsche Volkszugehörigkeit angaben, ein politisches Problem für das Regime darstellten, kamen allein 364 aus Crostwitz. Hier hatte Pfarrer Jan Wjenka im Vorfeld dazu aufgerufen, sich ungeachtet der staatlichen Nationalitätenpolitik zum Sorbentum zu bekennen.[4]

Im April 1945, als anderswo der Zweite Weltkrieg bereits vorbei war, fanden in der Region schwere Gefechte zwischen der Heeresgruppe Süd, einigen SS-Verbänden, der 2. Polnischen Armee und der Roten Armee statt. Ein von Johannes Peschel geschaffenes und auf der Anhöhe Fulkec hora 1980 errichtetes Ehrenmal[5] erinnert an die vielen Opfer.

In Crostwitz wurde am 10. Mai 1945 (nur fünf Tage nach Ende der letzten Kampfhandlungen) der Dachverband der sorbischen Vereine, die Domowina, neugegründet.

1957 wurde das benachbarte Caseritz, 1974 Horka und Nucknitz eingemeindet.

Bevölkerung Bearbeiten

 
Die Mehrheitssprache in Crostwitz ist Sorbisch.

Crostwitz liegt im Südosten des sorbischen Kernsiedlungsgebietes und ist eines von dessen Zentren. Im Jahr 2001 sprachen 85,4 % der Einwohner der Gemeinde Obersorbisch.[6] Die Bevölkerungsmehrheit ist zudem katholischen Glaubens.

Für seine Statistik über die sorbische Bevölkerung in der Oberlausitz hatte Arnošt Muka in den achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts für den Ort eine Bevölkerungszahl von 538 Einwohnern ermittelt, davon waren 523 Sorben (97 %) und 15 Deutsche.[7] Ernst Tschernik zählte 1956 in der Gemeinde Crostwitz einen sorbischsprachigen Bevölkerungsanteil von nur noch 73,9 %, bedingt v. a. durch den Zuzug von Umsiedlern aus den ehemaligen Ostgebieten.[8]

Laut der Volkszählung von 2011 waren zu diesem Zeitpunkt von 1.058 Einwohnern 984 römisch-katholisch (93 %), 15 evangelisch (1,4 %) und 59 gehörten einer anderen oder keiner Religionsgemeinschaft an (5,6 %).[9] Damit ist Crostwitz jene Gemeinde in Sachsen mit dem höchsten Anteil an Katholiken.

Der Hauptort selbst hat knapp 600 Einwohner.

Kultur und Sehenswürdigkeiten Bearbeiten

 
Blick über Crostwitz nach Westen

Überall an den Wegrändern zeugen Kreuze, Betsäulen und sorbische Beschriftungen (an Straßenschildern, Geschäften, Schulen etc.) davon, dass Crostwitz zu den Zentren der lebendigen sorbischen Sprache und Kultur, hier katholisch geprägt, zählt.

Im Ortsteil Nucknitz findet jeden Sommer das sorbische Rockmusikfestival Nukstock statt; in Crostwitz selbst zudem aller zwei Jahre das Internationale Folklorefestival Łužica/Lausitz.

Crostwitz liegt am Radwanderweg „Auf den Spuren des Krabat“.

Der einzige Stolperstein in Crostwitz befindet sich im Ortsteil Horka; er wurde in sorbischer Sprache gestaltet und erinnert an Annemarie Kreidl, welche dort bei sorbisch-katholischen Adoptiveltern aufwuchs und nach diesen Annemarie Schierz (Hana Šěrcec) genannt wurde. Da ihre leiblichen Eltern Juden waren, wurde sie im Jahr 1942 verhaftet und wahrscheinlich im Jahr darauf vom NS-Regime ermordet.

Kirche Bearbeiten

 
Katholische Kirche St. Simon und Juda
 
Pfarrhof
 
Typisches Wegkreuz an der Straße nach Siebitz

Bevor die Region unter Bischof Benno von Meißen christianisiert wurde, befand sich an der Stelle der jetzigen Kirche ein heidnischer Tempel. Nachdem der katholische Glaube Einzug hielt, wurde dort zu Ehren der heiligen Apostel Simon und Juda Thaddäus eine kleine Holzkirche errichtet.

Die Pfarrkirche „St. Simon und Juda Thaddäus“ (Swj. Symana a Judy Tadeja) wurde in ihrer heutigen Form von 1769 bis 1771 im Barockstil errichtet und am 27. Oktober 1771 durch den aus Crostwitz stammenden Bischof Jakob Wosky von Bärenstamm geweiht.[10]

Sie ist alljährlich der Ausgangspunkt einer Osterreiterprozession. Nachdem die Reiter gemeinsam am Ostergottesdienst teilgenommen haben, reiten sie über Siebitz in die Nachbargemeinde Panschwitz-Kuckau, wo sie von den Ordensschwestern des Klosters St. Marienstern empfangen werden.

Auf dem Crostwitzer Kirchhof liegt der sorbische Schriftsteller Jurij Brězan begraben.

Seit dem Jahr 1995 finden alle zehn Jahre die Crostwitzer Passionsspiele statt.

Sport Bearbeiten

Die in Crostwitz ansässige Sportgemeinschaft SG Crostwitz 1981 (Sportowa jednotka Chrósćicy) ging aus dem ältesten sorbischen Sportverein, der 1896 gegründeten Serbowka hervor und ist heute der größte Verein der Gemeinde. Ab den 1930er Jahren hatte Crostwitz mit Sokoł Chrósćicy eine eigene Fußballmannschaft. Heute spielt die Männermannschaft in der Landesklasse. Bis 2014 gab es auch eine Frauenmannschaft.

Naturschutz Bearbeiten

Politik Bearbeiten

Gemeinderat Bearbeiten

Der Crostwitzer Gemeinderat besteht aus zwölf Mitgliedern, darunter einer Frau, und tagt in sorbischer Sprache. Die Kommunalwahl 2019 ergab folgende Stimm- bzw. Sitzverteilung:[11]

Parteien und Wählergemeinschaften 2019 2014
% Sitze % Sitze
Freie Wählervereinigung Crostwitz/Prautitz (FWV) 43,8 6 46,7 5
Christlich Demokratische Union Deutschlands (CDU) 43,4 5 53,3 7
Crostwitz vorwärts! 12,9 1
gesamt 100,0 12 100,0 12
Wahlbeteiligung 71,7 % 60,6 %

Eine zum 1. Juli 2011 angestrebte Gemeindefusion mit der Nachbargemeinde Panschwitz-Kuckau scheiterte an Meinungsverschiedenheiten der Gemeinderäte, unter anderem die künftige Tagungssprache betreffend.

Bürgermeister Bearbeiten

Bürgermeister ist seit 2015 Marko Klimann (CDU).

letzte Bürgermeisterwahlen
Wahl Bürgermeister Vorschlag Wahlergebnis (in %)
2022 Marko Klimann
(Marko Kliman)
CDU 92,3
2015 87,2
2008 Matthias Brützke
(Maćij Brycka)
98,1
2001 86,3

Bildung Bearbeiten

 
Sorbische Schule Jurij Chěžka

Die Gemeinde Crostwitz verfügt über die sorbische Grundschule Jurij Chěžka mit 68 Schülern im Schuljahr 2020/21.[12]

2001 wehrten sich Eltern, Lehrer und Schüler der Mittelschule Crostwitz gegen deren vom sächsischen Kultusministerium verfügte Schließung („Crostwitzer Schulaufstand“, Chróšćan zběžk).[13] Ungeachtet ihrer Proteste und der Unterstützung seitens sorbischer Organisationen, der katholischen Kirche, der Nachbarländer Tschechien und Polen und des Europarates schloss das Ministerium die Mittelschule Crostwitz zum Schuljahresende 2003.

Persönlichkeiten Bearbeiten

  • Jakob Wosky von Bärenstamm, Domdekan und Bischof in Bautzen
  • Michael Kockel (Michał Kokla, 1840–1922), Gutsbesitzer und Abgeordneter des sächsischen Landtags, lebte über Jahrzehnte in Crostwitz.
  • Der sorbische Schriftsteller Jurij Koch wurde 1936 im Ortsteil Horka geboren.

Literatur Bearbeiten

  • Cornelius Gurlitt: Crostwitz. In: Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler des Königreichs Sachsen. 35. Heft: Amtshauptmannschaft Kamenz (Land). C. C. Meinhold, Dresden 1912, S. 12.

Belege Bearbeiten

  1. Bevölkerung der Gemeinden Sachsens am 31. Dezember 2022 – Fortschreibung des Bevölkerungsstandes auf Basis des Zensus vom 9. Mai 2011 (Gebietsstand 01.01.2023). Statistisches Landesamt des Freistaates Sachsen, abgerufen am 21. Juni 2023. (Hilfe dazu).
  2. Ernst Eichler, Hans Walther: Ortsnamenbuch der Oberlausitz – Studien zur Toponymie der Kreise Bautzen, Bischofswerda, Görlitz, Hoyerswerda, Kamenz, Löbau, Niesky, Senftenberg, Weißwasser und Zittau (= Deutsch-slawische Forschungen zur Namenkunde und Siedlungsgeschichte. Band 28). I Namenbuch. Akademie-Verlag, Berlin 1975, S. 150.
  3. Stand: 31. Dezember 2023; Angaben von am-klosterwasser.de
  4. Frank Förster: Die „Wendenfrage“ in der deutschen Ostforschung 1933–1945. Schriften des Sorbischen Instituts 43, Domowina-Verlag, Bautzen 2007, S. 103f.
  5. Michael Weimer: Peschel, Johannes. Adlerflügel. Ehrenmal für im April 1945 Gefallene der 2. Polnischen Armee. Beton; H. 6 m. 1980. Ansicht von Westen. Crostwitz, Anhöhe "Fulkec hora". 1980, abgerufen am 8. September 2022.
  6. Martin Walde: Demographisch-statistische Betrachtungen im Gemeindeverband „Am Klosterwasser“. In: Lětopis. Band 51, 2004, Heft 1 (Digitalisat als PDF; 1 MB).
  7. Ernst Tschernik: Die Entwicklung der sorbischen Bevölkerung. Akademie-Verlag, Berlin 1954, S. 96.
  8. Ludwig Elle: Sprachenpolitik in der Lausitz. Domowina-Verlag, Bautzen 1995, S. 251.
  9. Zensusdatenbank auf zensus2011.de (Memento des Originals vom 14. Mai 2020 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/ergebnisse.zensus2011.de
  10. Zur Geschichte unserer Pfarrkirche. Pfarrei Hl. Apostel Simon und Juda, abgerufen am 1. April 2023.
  11. Wahlergebnisse der Kommunalwahl 2019 auf wahlen.sachsen.de, abgerufen am 23. September 2020.
  12. Schuldatenbank Sachsen; abgerufen am 9. August 2021.
  13. Domowina: Einladung zum 20. Jahrestag des Crostwitzer Schulaufstands, 23. Juli 2021, abgerufen am 6. August 2021.

Weblinks Bearbeiten

Commons: Crostwitz/Chrósćicy – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien