Chen Chien-jen

taiwanischer Epidemiologe und Politiker

Chen Chien-jen (chinesisch 陳建仁, Pinyin Chén Jiànrén; * 6. Juni 1951 in Chishan, heute Stadtteil von Kaohsiung[1]) ist ein Epidemiologe und seit dem 31. Januar 2023 Ministerpräsident der Republik China auf Taiwan. Vom 20. Mai 2016 bis zum 20. Mai 2020 war er Vizepräsident der Republik China auf Taiwan.

Chen Chien-jen

Lebenslauf Bearbeiten

Chen wurde in eine römisch-katholische Familie auf Taiwan geboren und wuchs dort auf.[2] Er studierte an der Nationaluniversität Taiwan in Taipeh und erreichte dort die Abschlüsse eines B.Sc. (1973) und Master of Public Health (1977). Anschließend erwarb er 1982 den Doktorgrad (Sc.D.) in Epidemiologie und Humangenetik an der Johns Hopkins University in Baltimore, USA.[3] Danach arbeitete er als Dozent und später Professor an der Nationaluniversität Taiwan. Seit 2011 ist er Vizepräsident der Academia Sinica. Er ist auch ein Mitglied des Kuratoriums der Katholischen Fu-Jen-Universität und war seit dem 23. Juli 2020 Robert J. Ronald Chair Professor an der Fu-Jen-Universität.[4][5]

Wissenschaftlich beschäftigte sich Chen mit Themen aus dem Bereich der molekularen und Umwelt-Epidemiologie, unter anderem der Epidemiologie von chronischen Arsenvergiftungen und der Epidemiologie von Tumorviren und der durch diese verursachten Erkrankungen (z. B. Hepatitis B). Chen ist Autor mehrerer wissenschaftlicher Bücher und Autor oder Coautor von mehreren hundert wissenschaftlichen Publikationen. Für seine wissenschaftlichen Arbeiten erhielt er verschiedene Auszeichnungen. 2010 wurde er zum Ritter des päpstlichen Gregoriusordens ernannt.[2] Seit 2013 ist er Ritter vom Heiligen Grab zu Jerusalem.[6] Er ist Mitglied, korrespondierendes Mitglied oder Ehrenmitglied verschiedener wissenschaftlicher Gesellschaften.

Eine größere Bekanntheit erlangte er durch seine Rolle beim Ausbruch der SARS-Epidemie 2003, die er als einer der führenden taiwanischen Epidemiologen und als Gesundheitsminister der taiwanischen Regierung begleitete.[1] Obwohl Taiwan unmittelbar von der Epidemie betroffen war, hatte es Schwierigkeiten, die Ressourcen der Weltgesundheitsorganisation (diagnostische Tests, epidemiologische Daten etc.) zu nutzen, da es nicht Mitglied der Vereinten Nationen war. Dies wurde damals von Chen und anderen taiwanischen Public-Health-Experten kritisiert.[7] Trotz der politischen Isolation arbeiteten taiwanische Wissenschaftler, darunter Chen, erfolgreich in internationalen Kooperationen zur Erforschung von SARS mit.[8] Es gelang auch, die SARS-Epidemie in Taiwan zu begrenzen, so dass es dort nur zu 37 Todesfällen kam.[9]

 
Vizepräsident Chen zu Besuch im Vatikan 2016 zusammen mit Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin

Am 16. November 2015 gab die Spitzenkandidatin der Demokratischen Fortschrittspartei (DPP) Tsai Ing-wen bekannt, dass Chen Chien-jen ihr Running Mate und Kandidat für das Amt des Vizepräsidenten bei der kommenden Präsidentenwahl in der Republik China am 16. Januar 2016 sein werde.[1][10] Die Nominierung des angesehenen Wissenschaftlers Chen gab der DPP-Präsidentschaftskandidatin Tsai Ing-wen einen Popularitätsschub in den Wahlumfragen.[11] Nach seiner Nominierung zum Vizepräsidentschaftskandidaten wurden Plagiats-Vorwürfe gegen Chen aus den Reihen der politischen Gegner erhoben. Die Vorwürfe betrafen eine wissenschaftliche Publikation Chens aus dem Jahr 2007 in der Zeitschrift Cancer und wurden sowohl von Chen als auch von Tsai als unbegründet zurückgewiesen bzw. als „politische Schmutzkampagne“ abqualifiziert.[12] Nach dem Gewinn der Präsidentschaftswahl durch Tsai Ing-wen wurde Chien-jen am 20. Mai 2016 in sein Amt als Vizepräsident eingeführt.[13] 2017 wurde Chen in die National Academy of Sciences gewählt. Bei der Präsidentenwahl 2020 trat er nicht mehr als Kandidat an und schied am 20. Mai 2020 aus dem Amt des Vizepräsidenten.[14]

Im Februar 2022 schloss sich Chen der DPP an, nachdem er zuvor parteilos gewesen war.[15]

Chen wurde am 27. Januar 2023 von Taiwans Präsidentin Tsai Ing-wen zum Ministerpräsidenten ernannt. Er folgte auf Su Tseng-chang, der am 17. Januar 2023 seine Rücktrittsabsicht erklärt hatte. Am 31. Januar 2023 trat Chen das Amt als Ministerpräsident an.[16]

Ehrungen Bearbeiten

Am 6. Juni 2020 wurde Chen die Ehrendoktorwürde der Sun-Yat-sen-Nationaluniversität verliehen.[17] Am 30. Juli 2021 berief ihn Papst Franziskus zum Mitglied der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften.[18]

Weblinks Bearbeiten

Commons: Chen Chien-jen – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. a b c Chen Chi-fon, Chen Chi-chung und Lilian Wu: Academia Sinica VP confirmed as running mate of Tsai Ing-wen. Focus Taiwan, 16. November 2015, abgerufen am 25. Dezember 2015 (englisch).
  2. a b Zhou Chi: DPP Presidential Candidate Announces Her Running Mate. 16. November 2015, abgerufen am 25. Dezember 2015 (englisch).
  3. Vice President Chien-Jen Chen. Academia Sinica, 24. März 2015, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 17. November 2015; abgerufen am 25. Dezember 2015 (englisch).
  4. 輔仁大學學校財團法人董事會第 18 屆第 16 次會議摘要
  5. 輔仁大學醫學院聘請中研院陳建仁院士 擔任第一屆劉建仁神父紀念講座教授
  6. Raphaël Zbinden: „Un chevalier catholique à la tête de Taïwan“, cath.ch, 20. Januar 2016 (fr.)
  7. David Cyranoski: Taiwan left isolated in fight against SARS. Nature 422, 652 (17. April 2003) doi:10.1038/422652a
  8. Ksiazek TG, Erdman D, Goldsmith CS, Zaki SR, Peret T, Emery S, Tong S, Urbani C, Comer JA, Lim W, Rollin PE, Dowell SF, Ling AE, Humphrey CD, Shieh WJ, Guarner J, Paddock CD, Rota P, Fields B, DeRisi J, Yang JY, Cox N, Hughes JM, LeDuc JW, Bellini WJ, Anderson LJ; SARS Working Group: A novel coronavirus associated with severe acute respiratory syndrome. N Engl J Med. 2003;348(20):1953-66. PMID 12690092. doi:10.1056/NEJMoa030781
  9. Summary of probable SARS cases with onset of illness from 1 November 2002 to 31 July 2003 (Based on data as of the 31 December 2003.). Weltgesundheitsorganisation, 2015, abgerufen am 25. Dezember 2015 (englisch).
  10. Opposition stellt Vizepräsidentenkandidaten vor. Radio Taiwan International (deutscher Dienst), 16. November 2015, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 21. Dezember 2015; abgerufen am 25. Dezember 2015.
  11. Tseng Wei-chen: Reporter’s Notebook: DPP’s Chen in demand, KMT’s Wang shunned. Taipei Times, 20. Dezember 2015, abgerufen am 25. Dezember 2015 (englisch).
  12. Chen Hui-ping, Jonathan Chin: KMT revives Chen plagiarism claim. Taipei Times, 18. November 2015, abgerufen am 25. Dezember 2015 (englisch).
  13. Austin Ramzy: Tsai Ing-wen Sworn In as Taiwan’s President, as China Watches Closely. In: The New York Times, 19. Mai 2016 (englisch).
  14. Emerson Lim: President Tsai sworn in, commences her second term. Focus Taiwan, 20. Mai 2020, abgerufen am 15. Juni 2020 (englisch).
  15. Ex-VP Chen Chien-jen expected to be named new premier Friday. In: Focus Taiwan. 25. Januar 2023, abgerufen am 10. Februar 2023 (englisch).
  16. Neuer Premierminister Chen Chien-jen leitet erste Kabinettssitzung. In: Taiwan heute. 3. Februar 2023, abgerufen am 10. Februar 2023.
  17. 影音》中山大學沙灘畢典 前副總統陳建仁獲頒名譽博士 (Memento des Originals vom 24. Juli 2020 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/news.nsysu.edu.tw
  18. Nomina di Membro Ordinario della Pontificia Accademia delle Scienze. In: Tägliches Bulletin. Presseamt des Heiligen Stuhls, 30. Juli 2021, abgerufen am 30. Juli 2021 (italienisch).