Britisches Freikorps

SS-Einheit bestehend aus Briten im Dritten Reich
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Das Britische Freikorps (British Free Corps) war eine Einheit der Waffen-SS, die im Zweiten Weltkrieg aus britischen Kriegsgefangenen aufgestellt wurde. Die Einheit diente vor allem zu Propagandazwecken, denn insgesamt entschlossen sich nur 59 britische Soldaten, auf Seiten des NS-Staates zu dienen. Gleichzeitig waren gerade einmal 27 Mann in der Einheit zusammengefasst, weniger als in einem Zug der Wehrmacht.

Britisches Freiwilligenkorps


Ärmelabzeichen des Freiwilligenkorps
Aktiv 1943 bis 1945
Staat Deutsches Reich NS Deutsches Reich
Streitkräfte Waffen-SS
Truppengattung Ausländische Freiwillige der Waffen-SS
Stärke 27 (größte Formation)

54 (Gesamtstärke)[1][2]

Die beiden Mitglieder des Britischen Freikorps Kenneth Berry und Alfred Minchin im Gespräch mit deutschen Soldaten (1944).

Erste Planungen Bearbeiten

Der ideelle Vater des Britischen Freikorps war der Brite John Amery. Er selbst war als Sohn des konservativen Ministers Leo Amery Mitglied der Oberschicht des Vereinigten Königreichs. Amery selbst war als radikaler Antikommunist bekannt. Angesichts finanzieller Probleme verließ er seine Heimat 1936, um im Spanischen Bürgerkrieg auf Seiten der Nationalisten zu kämpfen. Während des Krieges diente er als Nachrichtenoffizier bei einer italienischen Freiwilligeneinheit. In Spanien machte er Bekanntschaft mit dem französischen Faschistenführer Jacques Doriot. Nach dem Bürgerkrieg reisten beide gemeinsam nach Österreich, in die Tschechoslowakei, nach Deutschland und nach Italien, bis sie sich in Vichy-Frankreich niederließen. Amery selbst war des französischen Kollaborationsregimes überdrüssig, da er es für zu wenig faschistisch hielt. Er versuchte, Frankreich zu verlassen, wurde aber von der Regierung daran gehindert. 1942 wurde er allerdings von einem deutschen Hauptmann nach Berlin gebracht, wo er vor einem deutsch-englischen Komitee sprechen sollte. Während dieser Reise wurde ihm von deutscher Seite der Vorschlag gemacht, eine britische Legion zum Kampf gegen die Kommunisten zu bilden. Hitler war von Amery beeindruckt und brachte ihn als Gast in Deutschland unter. Amery unterstützte während dieser Zeit das Regime durch eine Reihe von Auftritten in propagandistischen Radiosendungen.

Die Idee einer britischen Formation innerhalb der deutschen Streitkräfte ruhte, bis Amery im Januar 1943 zwei französische Soldaten der SS-Division „Charlemagne“ traf. Die beiden Kollaborateure beschwerten sich darüber, dass fast ausschließlich deutsche Truppen an der Ostfront gegen die Sowjetunion kämpften. Amery nahm nun seine Idee einer britischen Freiwilligeneinheit wieder auf. Zuerst setzte er sich das Ziel, zwischen fünfzig und einhundert Soldaten für Propagandazwecke zu gewinnen. Obwohl die Waffen-SS bisher schon mit sehr geringem Erfolg versucht hatte, britische Staatsangehörige anzuwerben, ging Amery davon aus, dass er selbst mehr Briten für die Ziele der Nationalsozialisten rekrutieren könne.

Amery selbst begann 1943 für eine Einheit namens Britische Legion des Heiligen Georg zu werben. Im Großen und Ganzen konnte er allerdings nur vier Rekruten für sein „Freikorps“ anwerben. Einer davon wurde als Spion nach England geschickt, wo er allerdings im März 1944 enttarnt und exekutiert wurde. Aufgrund seines Misserfolgs wurde Amery im Oktober 1943 von dem Projekt abgezogen. Die Waffen-SS übernahm wieder die Planung der britischen Freiwilligeneinheit.

Weitere Rekrutierungsmaßnahmen Bearbeiten

Nach dem Scheitern des Projektes unter der Leitung von Amery versuchten die deutschen Stellen mit verfeinerten Maßnahmen britische Kriegsgefangene anzuwerben. Die Umstände in den Gefangenenlagern in Deutschland und den besetzten Gebieten waren für die internierten Soldaten hart. Dies versuchte man dadurch auszunutzen, dass man für potentiell rekrutierbare Soldaten Sonderlager mit besonderen Vergünstigungen schuf. Zwei solcher sogenannter „Urlaubslager“ wurden eingerichtet, beide unter der Verwaltungshoheit des Stalag III D nahe Berlin. Die Lager wurden durch englischsprechende Soldaten bewacht, das Lagerregime durch deutsche Geheimdienstoffiziere geleitet. Die Wachen sollten hierbei als Informationssammler unter den potentiellen Rekruten dienen. Als Integrationsfigur für das Freikorps wurde der ehemalige Unteroffizier der Britischen Armee John Henry Owen Brown angeworben.

Brown war vor dem Krieg ein Mitglied der British Union of Fascists und stand somit trotz seines christlichen Glaubens der nationalsozialistischen Ideologie nahe. Er war bei der Schlacht um Dünkirchen 1940 gefangen genommen worden. Bereits während seiner Gefangenschaft gewann er das Vertrauen der deutschen Stellen als Vorarbeiter einer Arbeitskompanie innerhalb des Lagers. 1943 wurde er zum Lagerleiter eines der beiden „Urlaubslager“ ernannt.

Brown zeigte jedoch keinerlei Absichten, dem deutschen Plan dienlich zu sein. Er richtete in seinem Lager ein gutgehendes System des Schwarzmarkthandels ein, mit dem er sich selbst, den inhaftierten Kriegsgefangenen und den deutschen Lagerwachen ein relativ komfortables Auskommen sicherte. Des Weiteren teilte er, der sich in Berlin frei bewegen konnte, durch kodierte Briefe Zielinformationen für Bomber an den britischen Nachrichtendienst MI6 mit.

Allerdings gelang es den Deutschen auch, verlässlichere Briten für ihre Anwerbeaktion zu gewinnen. Thomas Haller Cooper, ein ehemaliges Mitglied der British Union of Fascists, das 1939 durch den Kriegsausbruch in Deutschland festgehalten worden war, wurde 1943 dem Projekt zugeteilt. Er hatte vorher als Soldat in der Leibstandarte SS Adolf Hitler und der SS-Division Totenkopf bereits seine Nähe zum Nationalsozialismus bewiesen. Cooper gelang es im Lager, eine kleine Gruppe Briten um sich zu scharen. Allerdings blieb die Gesamtausbeute wiederum marginal. Von insgesamt 200 Kriegsgefangenen in den „Urlaubslagern“ entschlossen sich genau drei, dem Britischen Freikorps beizutreten. Damit erreichte das Britische Freikorps gerade einmal eine Stärke von sieben Mann. Bevor eine zweite Welle Gefangener in die Sonderlager eingeliefert wurden, brachten Luftangriffe deren Betrieb zeitweilig zum Erliegen. Aufgrund mangelnden Erfolgs wurde der Rekrutierungsauftrag der Sonderlager im Dezember 1943 eingestellt. Der Lagerleiter Brown hatte derweil bereits eine britische Auszeichnung für seine Spionagedienste erhalten.

Zwischenzeitlich entschieden sich die deutschen Stellen für eine neue Rekrutierungsmethode. Anstatt Langzeitgefangene durch Vergünstigungen umzustimmen, kam der Kommandeur des Freikorpsprojekts Oskar Lange auf eine andere Idee. Erst kürzlich gefangen genommene Soldaten, die sich noch nicht an die neue Situation gewöhnt hatten, sollten durch Erpressung und Einschüchterung zur Kollaboration und zum Vaterlandsverrat gezwungen werden. Durch unwürdige Haftbedingungen mit Verhören, Isolationshaft und Nahrungsentzug konnten tatsächlich 14 britische Soldaten angeworben werden. Der Beitritt zum Britischen Freikorps wurde ihnen als der einzige Ausweg aus ihren extrem harten Haftbedingungen präsentiert. Als diese Männer jedoch mit den bisherigen sieben Freiwilligen der Formation zusammengeführt wurden, scheiterte das Projekt wiederum. Cooper, der aus ideellen Gründen dem Faschismus anhing, versprach sämtlichen unfreiwillig Rekrutierten die Rückführung in reguläre Gefangenenlager; damit wurde die Stärke des sogenannten Freikorps wieder auf acht Mann reduziert.

Trotz dieser Misserfolge und der kleinen Mannschaftszahl verlor die SS allerdings nicht das Interesse am Aufbau einer britischen Freiwilligeneinheit. Im November 1943 wurde Hauptsturmführer Hans Roepke der Formation als Offizier zugeordnet, der die Aufstellung der Einheit einleiten sollte.

Aufstellung Bearbeiten

Roepkes erste Maßnahme war die Änderung des Einheitsnamens, die bisher noch nach Amery „Legion des heiligen Georg“ genannt wurde. Die religiöse Unterbedeutung war unter den Nationalsozialisten unerwünscht. Analog zu bestehenden ausländischen Einheiten der SS entschied man sich für die Bezeichnung „Britisches Freikorps“. Des Weiteren traf Roepke eine Reihe von Ausnahmeregelungen, so sollte das Freikorps nicht gegen britische Streitkräfte eingesetzt werden, und die Soldaten erhielten nicht die Blutgruppentätowierung, wie dies bei der SS allgemein üblich war. Das britische Freikorps wurde offiziell zum 1. Januar 1944 ins Leben gerufen. Bereits einen Monat darauf wurde die kleine Einheit von Berlin in das Michaelis-Kloster in Hildesheim verlegt. Hier bekamen die Soldaten auch ein nahegelegenes Zwangsarbeitslager zu Gesicht, was drei der Mitglieder veranlasste, die Einheit zu verlassen und wieder in ihre Kriegsgefangenenlager zurückzukehren.

Das offiziell am 1. Januar 1944 in Berlin gegründete BFC erhielt durch Hans Werner Roepke Anfang Februar 1944 sein erstes eigenes Hauptquartier im „Haus Germanien“ in den Räumlichkeiten des St. Michaelisklosters in Hildesheim.[3]

 
Replik einer Uniform eines Offiziers des Britischen Freikorps.

Im April erhielten die Soldaten eine einheitliche Uniform. Das Ärmelabzeichen des Freikorps enthielt den Union Jack, der Kragenspiegel die drei Löwen des englischen Wappens. Während des Sommers erreichte die Einheit eine Stärke von 23 Mann. Der deutsche Plan sah vor, sie ab einer Stärke von 30 Mann in die 5. SS-Panzer-Division „Wiking“ einzugliedern und an die Ostfront zu schicken. Diese Aussicht erwies sich allerdings für die ehemaligen Kriegsgefangenen als wenig verlockend. Thomas Freeman, ein Mitglied des britischen Freikorps, motivierte vierzehn seiner Kameraden, einen Beschwerdebrief über ihre Behandlung zu unterschreiben. Daraufhin wurden er und ein weiterer Soldat in ein Straflager für Kriegsgefangene eingewiesen. Freeman selbst wurde nach der Flucht aus selbigem Lager und seiner Repatriierung in Großbritannien für seinen absichtlich schädigenden Einfluss auf die Einheit gewürdigt.

Im August 1944 wurden weitere vier Rekruten dem Freikorps zugeteilt. Drei davon waren offensichtlich durch Erpressung zum Beitritt gezwungen worden. Zweien wurde die Strafe für ein sexuelles Verhältnis mit deutschen Frauen als Drohung präsentiert. In den vierten Rekruten, einen englischen Leutnant namens William Shearer, setzte Roepke allerdings größte Hoffnungen. Er sollte als Offizier die kleine Truppe führen und die Moral heben. Shearer erwies sich allerdings als stark schizophren und seine Geisteskrankheit machte ihn für den Dienst unbrauchbar. Er wollte die deutsche Uniform nicht anlegen und weigerte sich sogar, das ihm zugeteilte Zimmer zu verlassen. Er wurde nach wenigen Wochen in die Heilanstalt für Geisteskranke zurückgebracht, aus der man ihn geholt hatte. Noch vor Kriegsende wurde er aus medizinischen Gründen nach Großbritannien zurückgebracht. Der erfolgreiche Verlauf der alliierten Landung in der Normandie senkte die Moral innerhalb des kleinen Verbandes noch mehr.

Nach dem Sieg der Alliierten in der Normandie kam es zu mehreren Fällen von Desertion innerhalb der kleinen Truppe. Trotzdem wurden noch weiter Rekruten angeworben. Dies geschah allerdings wiederum nur mit mäßigem Erfolg. Den größten Erfolg stellte die Meldung von sechs Māori zum Freikorps dar, diese Soldaten wurden allerdings von den Briten selbst aus rassistischen Gründen abgelehnt.

Einsatz Bearbeiten

Am 8. März 1945 stellte SS-Obersturmführer Walther Kuhlich, der seit Oktober 1944 die Einheit kommandierte, den Soldaten des Freikorps ein Ultimatum. Sie hatten die Wahl, entweder in ein Konzentrationslager gebracht zu werden oder zu kämpfen. Die Truppe wurde daraufhin der SS-Division Nordland an der Ostfront zugeteilt, die sich bereits auf deutschem Gebiet befand. Der letzte Versuch, aus dem Freikorps eine kampffähige Truppe zu machen, wurde durch die Zuteilung von Douglas Berneville-Claye unternommen. Dieser ehemalige Soldat des britischen Special Air Service hatte in seinem Heimatland bereits ein Strafregister wegen Betrugs und Hochstapelei. Er stellte sich den Deutschen als Offizier und Sohn eines Adligen vor. Seine Bemühungen blieben allerdings bei einer kampflustigen Rede. De facto kam das Freikorps nicht zum Einsatz im Gefecht. Am 29. April 1945 befahl Felix Steiner, der Befehlshaber des III. (germanischen) SS-Panzerkorps, zu dem die Division Nordland gehörte, seinen Truppen, sich von der Roten Armee zu lösen und nach Westen vorzurücken. Dort sollten sie sich amerikanischen Einheiten ergeben. Mit der SS-Division ergaben sich auch die Reste des britischen Freikorps bei Schwerin.

Nachwirkungen Bearbeiten

Die britischen Nachrichtendienste waren sich seit Browns ersten Berichten des Jahres 1943 über die Aufstellung der kleinen Truppe und ihre Mitglieder im Klaren. Trotzdem dauerte es mehrere Wochen nach Kriegsende, bis alle ehemaligen Mitglieder festgesetzt wurden. Amery, der eigentliche Erfinder des Korps, wurde im Vereinigten Königreich zum Tode verurteilt und hingerichtet. Das einzige gefasste Mitglied des Freikorps, das keine Strafe erhielt, war Brown.

Literatur Bearbeiten

  • Ronald Seth: Jackals of the Reich. The Story of the British Free Corps. 1972.
  • Robert Best: The British Free Corps. The Story of the British Volunteers of the Waffen SS. Steven Books, London 2010, ISBN 1-904911-90-0.
  • Eric Meyer: SS Englander. The Amazing True Story of Hitler's British Nazis. SwordWorks, London 2010, ISBN.
  • Marko Jelusić: Das „British Free Corps“ in der SS-Schule „Haus Germanien“ in Hildesheim. In: H. Kemmerer (Hrsg.): St. Michaelis zu Hildesheim. Geschichte und Geschichten aus 1000 Jahren. (= Veröffentlichungen der Hildesheimer Volkshochschule zur Stadtgeschichte Hildesheims 15). Hildesheim 2010, ISBN 978-3-8067-8736-8, S. 197–206 (Online in academia.edu).

Weblinks Bearbeiten

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Adrian Weale: British Free Corps in SS-Waffen – Myth and Historic Reality. australiarussia.com, 1994, abgerufen am 18. Mai 2016.
  2. Weale, Adrian (2014-11-12). Renegades - Appendix 5 British Members of the British Free Corps and their Aliases (Kindle Locations 3757-3758). Random House. Kindle Edition.
  3. Marko Jelusić: Das „British Free Corps“ in der SS-Schule „Haus Germanien“ in Hildesheim, in: Volkshochschule Hildesheim (Hrsg.), „St. Michaelis zu Hildesheim“, Hildesheim 2010, S. 197-206, (online auf academia.edu)