Boeing 377

viermotoriges Propeller-Verkehrsflugzeug
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Die Boeing 377 Stratocruiser war ein in den Jahren 1947 bis 1950 von Boeing gebautes Langstrecken-Passagierflugzeug mit einer Kapazität von 55 bis 117 Personen in einer Druckkabine. Es war mit seinem Doppeldeck-Rumpf eine Art Jumbo-Jet der 1950er-Jahre. Insgesamt wurden 56 Stück gebaut.[1]

Boeing 377
Boeing 377 Stratocruiser
Boeing 377 Stratocruiser
Typ Langstreckenflugzeug
Entwurfsland

Vereinigte Staaten Vereinigte Staaten

Hersteller Boeing
Erstflug 8. Juli 1947
Produktionszeit

1947 bis 1950

Stückzahl 56

Die Boeing 377 basierte auf der militärischen Frachtmaschine Boeing C-97 Stratofreighter, die ihrerseits aus dem Langstreckenbomber B-29 Superfortress und deren Weiterentwicklung B-50 entwickelt worden war.

Konstruktion Bearbeiten

Die Stratocruiser war eine für den zivilen Verkehr umkonstruierte Boeing C-97 Stratofreighter. Bei ihrer Einführung in den Liniendienst gehörte die Stratocruiser zu den größten Passagierflugzeugen. Die Tragflächen wurden nahezu unverändert von dem erfolgreichen Bomber Boeing B-29 übernommen, ebenso das Leitwerk und das Fahrwerk.

Das Flugzeug wurde von vier großen 28-Zylinder-Vierfachsternmotoren des Herstellers Pratt & Whitney (mit je 3.500 PS Leistung) über Vierblattpropeller angetrieben. Die Stratocruiser erreichte wie die B-29 eine Höchstgeschwindigkeit von 604 km/h, hatte eine Steigrate von 5,5 Metern pro Sekunde und eine Maximalreichweite von rund 8.500 Kilometern. Die Gipfelhöhe betrug 10.000 Meter.

Nutzung Bearbeiten

 
Boeing 377 der Pan Am in Heathrow

Der wichtigste Abnehmer der Stratocruiser wurde die amerikanische Fluggesellschaft Pan Am (die eine opulente Ausstattung mit 72 Sitzen und einer Bar für etwa acht Personen auf dem Unterdeck wählte), aber auch Northwest Airlines, United Airlines, American Overseas Airlines und die britische BOAC sowie Scandinavian Airlines System (SAS) bestellten dieses Muster. Trotz ihrer technischen Qualitäten wurde die Maschine rein kommerziell kein großer Erfolg: Lediglich 56 Exemplare vermochte der Konzern zu verkaufen. Die Bestellung der SAS wurde storniert und die vier für sie bestimmten Maschinen an die BOAC ausgeliefert. Das Flugzeug war für die damaligen Verhältnisse noch zu groß, außerdem erwies sich die gerade von Pan Am angebotene Luxusausstattung für zahlungskräftige Fluggäste wie in der Flugboot-Ära vor dem Krieg als nicht mehr zeitgemäß. Stattdessen prägten Konkurrenzmuster wie die Constellation-Baureihe von Lockheed sowie die DC-6 und DC-7 von Douglas die Langstrecken-Zivilluftfahrt in den 1950er-Jahren. Sie konnten kostengünstiger betrieben werden, dadurch wurden Flugreisen einem größeren Publikum erschwinglich. Die Produktion der Stratocruiser musste daher schon im März 1950 eingestellt werden.[2]

 
Ein Guppy der Aero Spacelines

Dennoch wurden mit der Stratocruiser einige Pioniertaten vollbracht. So wurden erstmals Nonstop-Verbindungen ostwärts von New York nach London geflogen. Der Geschwindigkeitsrekord für diese Strecke wurde im April 1949 mit neun Stunden und 46 Minuten aufgestellt. In westlicher Richtung musste wegen der Hauptwindrichtung nach wie vor in Gander oder Shannon nachgetankt werden.

Erstmals wurden auch regelmäßige Pazifik-Verbindungen von San Francisco nach Honolulu eingerichtet, die ebenfalls mehr als neun Stunden dauerten (für Pan Am war dies nur eine Etappe eines Rund-um-die-Welt-Fluges). Northwest Airlines bediente mit diesen Maschinen die inneramerikanische Route SeattleNew York in etwas über sechs Stunden Flugzeit.

Als Schwachpunkt dieses Flugzeugs erwiesen sich die sehr hochgezüchteten Motoren mit ihren störanfälligen Propellern vom Hersteller Hamilton Standard, die gelegentlich auch zu ernsthaften Zwischenfällen führten. Insgesamt gingen zehn Stratocruiser durch Abstürze, Bruchlandungen oder Notwasserungen verloren, mit fast 18 Prozent der gebauten Exemplare eine ungewöhnlich hohe Quote.[3]

BOAC musterte ihre 14 Boeing 377 bereits im Jahr 1958 aus. Die Flugzeuge wurden von der Transocean Air Lines übernommen. Pan Am setzte das Muster bis 1961 ein. Einige Maschinen dieses Typs wurden von Aero Spacelines im Auftrag der NASA zu Guppy-Flugzeugen mit extrem großem Rumpfdurchmesser umgebaut, die Raketenteile transportierten. Andere wurden zur Variante Super Guppy Turbine modifiziert, die zum Teil für Airbus große Flugzeugteile beförderten. Die letzten erhaltenen Exemplare der nicht-modifizierten Boeing 377 wurden sukzessive ausgeschlachtet und verschrottet, so dass heute keine Maschine dieses Typs in der ursprünglich gebauten Form mehr existiert.

Zwischenfälle Bearbeiten

 
Notwasserung der Boeing 377 auf dem Pan-Am-Flug 6

Insgesamt wurden vom Erstflug 1947 bis zum Einsatzende 1978 elf Maschinen zerstört, wobei zwischen 1951 und 1958 insgesamt 140 Todesopfer zu beklagen waren.[4] Vollständige Liste:

  • Am 29. April 1952 ereignete sich der schwerste Unfall einer Boeing 377, als eine Maschine der US-amerikanischen Pan American World Airways (N1039V) auf dem Flug von Rio de Janeiro nach Port of Spain in den brasilianischen Dschungel stürzte. Alle 50 Passagiere und Besatzungsmitglieder kamen dabei ums Leben (siehe auch Pan-Am-Flug 202).
  • Am 25. Dezember 1954 kam es mit einer Boeing 377 der British Overseas Airways Corporation (BOAC) (G-ALSA) auf dem Flughafen Prestwick zu einem extrem harten Aufsetzen vor dem Landebahnanfang. Die aus London kommende Maschine sprang wieder hoch und stürzte auf die Landebahn. Von den 36 Insassen wurden 28 getötet, darunter alle Passagiere bis auf einen.[7]
  • Am 26. März 1955 riss das Triebwerk Nr. 3 einer Boeing 377 der Pan Am (N1032V) ab. Der Besatzung gelang eine Notwasserung etwa 56 Kilometer vor der Küste Oregons. Bei dem Unfall kamen 4 der 23 Insassen ums Leben.[8]
  • Am 16. Oktober 1956 mussten die Piloten einer Boeing 377 der Pan Am (N90943) auf der Strecke zwischen Honolulu und San Francisco im Pazifik notwassern, nachdem zwei Motoren ausgefallen waren. Aufgrund der Triebwerksausfälle war klar, dass der Treibstoff weder bis San Francisco noch zurück nach Honolulu reichen würde. Vor seiner Wasserung kreiste das Flugzeug bis zum Morgengrauen um ein Schiff der US-Küstenwache, um Treibstoff zu verbrauchen und das Landegewicht zu reduzieren. Alle 31 Menschen an Bord überlebten (siehe auch Pan-Am-Flug 6).[10][11][12]
  • Am 8. November 1957 verunglückte eine Boeing 377 der Pan Am (N90944) mit 44 Personen an Bord auf der Strecke von San Francisco nach Honolulu etwa 1.600 Kilometer östlich von Hawaii. Sechs Tage nach dem Unfall fanden Schiffe einige treibende Trümmer und Leichen. Das Wrack wurde nicht gefunden. Die Unfallursache blieb ungeklärt (siehe auch Pan-Am-Flug 7).[13]
  • Am 2. Juni 1958 brach bei einer Boeing 377 der Pan Am (N1023V) während der Landung auf dem Flughafen Manila (Philippinen) das Fahrwerk zusammen. Das Flugzeug rutschte weiter, schwang nach rechts und kam nach 870 Metern etwa 8 Meter rechts von der Landebahn zum Stillstand. Von den 57 Insassen wurde ein Passagier getötet, als ein Propellerblatt in die Passagierkabine einschlug. Am Flugzeug entstand Totalschaden.[14]
  • Am 10. April 1959 setzte eine vom Flughafen Seattle-Tacoma kommende Boeing 377 der Pan American World Airways (N1033V) bei der Landung auf dem Flughafen Juneau (Alaska) vor der Landebahnschwelle auf und kollidierte mit einer Böschung. Die Maschine fing Feuer und wurde zerstört, jedoch überlebten alle 10 Insassen (je fünf Passagiere und Besatzungsmitglieder).[15]
  • Im August 1967 (genauer Tag unbekannt) kollidierte eine Boeing 377 der Aero Spacelines (N90942) beim Rollen auf dem Flugplatz Mojave (Kalifornien, USA) mit einer anderen Boeing 377 (N402Q). Personen kamen nicht zu Schaden. An der Maschine entstand Totalschaden.[17][18]

Technische Daten Bearbeiten

 
Cockpit
 
Kabine
Kenngröße Daten[19]
Besatzung 3–4
Passagiere 55–117
Länge 33,63 m
Spannweite 43,05 m
Höhe 11,66 m
Flügelfläche 164,34 m²
Leermasse 37.875 kg
Startmasse 66.134 kg
Reisegeschwindigkeit 547 km/h
Höchstgeschwindigkeit 604 km/h
Dienstgipfelhöhe 9750 m
Reichweite 6760 km
Triebwerke vier luftgekühlte 28-Zylinder-Vierfachsternmotoren Pratt & Whitney R-4360 Wasp Major mit je 3.500 PS (ca. 2.600 kW)

Siehe auch Bearbeiten

Weblinks Bearbeiten

Commons: Boeing 377 – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Peter M Bowers: Boeing Aircraft since 1916. Putnam Aeronautical Books, London 1989, ISBN 0-85177-804-6, S. 365–371.
  2. Bowers, S. 366.
  3. Aviation Safety Network, Liste der Unfälle der Boeing 377 aviation-safety.net
  4. Liste von Unfällen mit Boeing 377 Stratocruiser, Aviation Safety Network (englisch), abgerufen am 22. Oktober 2019.
  5. Air-Britain Archive: Casualty compendium part 53 (englisch), Juni 1994, S. 94/53.
  6. Unfallbericht B-377 N31230, Aviation Safety Network (englisch), abgerufen am 27. August 2017.
  7. Unfallbericht B-377 G-ALSA, Aviation Safety Network (englisch), abgerufen am 10. Dezember 2018.
  8. Unfallbericht B-377 N1032V, Aviation Safety Network (englisch), abgerufen am 10. Dezember 2018.
  9. Unfallbericht B-377 N74608, Aviation Safety Network (englisch), abgerufen am 18. Februar 2020.
  10. Unfallbericht B-377 N90943, Aviation Safety Network (englisch), abgerufen am 27. August 2017.
  11. Ken Laesser: PanAm 943 Rescue auf YouTube, 23. November 2008, abgerufen am 25. Februar 2024 (Video der Landung und der Rettungsmaßnahmen; Laufzeit: 10:23 min).
  12. Air-Britain Archive: Casualty compendium part 68 (englisch), März 1998, S. 98/26.
  13. Unfallbericht B-377 N90944, Aviation Safety Network (englisch), abgerufen am 27. August 2017.
  14. Unfallbericht B-377 N1023V, Aviation Safety Network (englisch), abgerufen am 18. Februar 2020.
  15. Unfallbericht B-377 N1033V, Aviation Safety Network (englisch), abgerufen am 5. August 2019.
  16. Unfallbericht B-377 N90941, Aviation Safety Network (englisch), abgerufen am 18. Februar 2020.
  17. Tony Eastwood, John Roach: Piston Engine Airliner Production List. The Aviation Hobby Shop, West Drayton, 1996, ISBN 0 907178 61 8, S. 38.
  18. Unfallbericht B-377 N90942, Aviation Safety Network (englisch), abgerufen am 18. Februar 2020.
  19. Model 377 Stratocruiser. In: History. Boeing, 2017, abgerufen am 14. Januar 2018 (englisch).