Bella Paalen

österreich-ungarische Opernsängerin

Bella Paalen, eigentlich Isabella Pollak (9. Juli[1][2][3] oder 9. Dezember[4] 1881 in Pásztó, Österreich-Ungarn28. Juli 1964 in New York), war eine österreichisch-US-amerikanische Opernsängerin der Stimmlage Alt.[5] Sie war 31 Jahre lang an der k. u. k. Hofoper in Wien engagiert, der späteren Staatsoper, wurde 1933 dort zur Kammersängerin ernannt und musste nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten in Österreich wegen ihrer jüdischen Herkunft das Land verlassen.

Bella Paalen (um 1915)
Foto: Ludwig Gutmann

Leben und Werk Bearbeiten

Bella Paalen war die Tochter von Ernst Pollak (1851–1935) und Laura Pollak geb. Jamnitz (1858–1935).[6] Der Vater stammte aus Jungbunzlau, die Mutter aus Wien,[7] wo auch ihre beiden Brüder Benno Fred Dolbin (1883–1971) und Otto Friedrich Pollak (1885–1915) geboren wurden. Paalens zweiter Bruder und ihre Eltern starben ebenfalls in Wien. 1912 änderte ihr Bruder Benno Fred seinen Familiennamen in Dolbin.[6]

Sie studierte Gesang bei Rosa Papier-Paumgartner und bei Johannes Ress. 1904 debütierte sie am Düsseldorfer Opernhaus – als Fidès in Meyerbeers Der Prophet. 1905 und 1906 war sie am Stadttheater Graz. Der Wiener Hofoperndirektor und Komponist Gustav Mahler hörte sie in Graz als Solistin seiner 3. Symphonie, war beeindruckt und verpflichtete sie an sein Haus.

K. u. k. Hofoper in Wien Bearbeiten

Von 1. September 1907 bis 1. September 1937 war die Künstlerin Ensemblemitglied der k. u. k. Hofoper bzw. ab 1918 der Wiener Staatsoper. Sie sang dort Hauptrollen, aber auch mittlere, kleine und kleinste Partien. Sie war an zwei Wiener Erstaufführungen beteiligt, 1907 als Kate Pinkerton in Puccinis Madame Butterfly und 1911 als Annina im Rosenkavalier von Hugo von Hofmannsthal und Richard Strauss. Diese Rolle wurde in Wien zu ihrer Paraderolle, sie sang die Annina in insgesamt 173 Staatsopern-Vorstellungen.

58-mal stand sie als Amneris in Verdis Aida auf der Bühne der Wiener Staatsoper, 54-mal als Rosalia in d’Alberts Tiefland, 46-mal als Herodias, 39-mal als Ortrud, 32-mal als Klytämnestra und 31-mal als Ulrica. Sie gehörte zur Besetzung des heute noch als legendär geltenden Wiener Maskenballs im Jahr 1924, mit Richard Tauber als Gustaf III., Mattia Battistini als René Ankarström und den Damen Vera Schwarz (Amelia), Bella Paalen (Ulrica) und Selma Kurz (Oscar). In den 31 Spielzeiten, in denen die Künstlerin an der Wiener Oper engagiert war, stellte sie ihre Vielseitigkeit unter Beweis. Sie gefiel sowohl im schweren Wagner-Fach als auch in deutscher Spieloper und Wiener Operette, sie sang souverän das italienische und französische Fach, aber ebenso Werke des slawischen Repertoires. Und sie bewährte sich als Einspringerin für kleinere und größere Partien. Jeweils einmal übernahm sie die Titelpartie in Carmen, in der sie sonst immer die Mercedes verkörpert hatte, und die Mamma Lucia in Cavalleria rusticana, des Weiteren zweimal die Wigelis in Feuersnot und jeweils einmal die Gertrud in Hans Heiling und überraschenderweise am 17. Jänner 1913 den Steuermann im Fliegenden Holländer, eine Tenorpartie.

Paalen war der Staatsoper im hohen Maß verbunden und wurde 1933 für ihre Leistungen mit dem Titel Kammersängerin ausgezeichnet.

 
Grabstätte von Bella Paalen

Gastspiele Bearbeiten

Paalen gastierte – parallel zu ihrem Engagement an der Wiener Oper – in Holland, Spanien, England und in der Tschechoslowakei. 1911 und 1912 sang sie beim Amsterdamer Wagner-Verein die Fricka in der Walküre. 1925 gastierte sie erfolgreich am Royal Opera House Covent Garden in London – in vier Wagner-Partien (als Ortrud, Magdalene, Mary und Fricka) sowie als Annina im Rosenkavalier. In den Jahren 1934 bis 1937 sang sie zwei kleinere Partien bei den Salzburger Festspielen, im Corregidor von Hugo Wolf und in der Elektra von Richard Strauss. Laut Kutsch/Riemens brachten ihr diese Gastspiele „große Erfolge“ ein.

Emigration und Leben in den Vereinigten Staaten Bearbeiten

Da es für Paalen aufgrund ihrer jüdischen Herkunft in Wien nicht mehr sicher war, emigrierte sie 1939 mit Hilfe Lotte Lehmanns in die Vereinigten Staaten. Auch ihr Bruder B. F. Dolbin, ein Pressezeichner, war aus Deutschland in die USA geflüchtet. „Der späte Zeitpunkt ihrer Flucht aus dem Wien der Nationalsozialisten weist darauf hin, daß sie sich wohl durch ihre über 30-jährige Mitgliedschaft an der Wiener Staatsoper geschützt gefühlt hatte.“[8] Die Sängerin ließ sich, wie ihr Bruder, in New York nieder, konnte allerdings kein Engagement finden. Fortan wirkte sie bis 1959 als Gesangspädagogin. Sie erhielt 1944 die US-amerikanische Staatsbürgerschaft und starb 1964 in New York.

Ihre Grabstätte befindet sich auf dem Alten Jüdischen Teil am Wiener Zentralfriedhof.

Gedenken Bearbeiten

 
Stolperstein in Salzburg

Am 17. August 2020 wurde durch den Künstler Gunter Demnig vor dem Haus für Mozart in Salzburg ein Stolperstein für Bella Paalen verlegt.

Rollen (Auswahl) Bearbeiten

Uraufführung Bearbeiten

  • 1934: Marietta in Bittners Das Veilchen – Wiener Staatsoper, Dirigent: Clemens Krauss (8. Dezember)

Repertoire Bearbeiten

Bizet:

  • Mercedes und Titelpartie in Carmen

d’Albert:

Delibes:

Giordano:

Engelbert Humperdinck:

Kienzl:

Lortzing:

Mascagni:

Meyerbeer:

Millöcker:

Mozart:

Puccini

Smetana:

 

Johann Strauß:

Richard Strauss:

Tschaikowski:

Verdi:

Wagner:

Wolf

Wolf-Ferrari:

Tondokumente Bearbeiten

Texte Bearbeiten

  • Worte des Gedenkens. In: Aufbau (New York), Band 13, 21. Februar 1947, Nr. 8. 7, Sp.. c

Literatur Bearbeiten

  • Karl J. Kutsch, Leo Riemens: Großes Sängerlexikon. Band 2: M – Z. München: Saur 1987 (*9.7.)
  • Franz Hadamowsky, Alexander Witeschnik: Hundert Jahre Wiener Oper am Ring [Jubiläumsausstellung]. Wien: Aktionskomitee 100 Jahr-Feier der Wiener Staatsoper 1969, S. 100.
  • Erich Hermann Müller: Deutsches Musiker-Lexikon. Dresden 1929
  • Walter Pass, Gerhard Scheit, Wilhelm Svoboda: Orpheus im Exil. Die Vertreibung der österreichischen Musik von 1936–1945, Wien 1995
  • Horst Seeger: Opernlexikon, Berlin 1978 (1987)
  • Theo Stengel, Herbert Gerigk: Lexikon der Juden in der Musik. Mit einem Titelverzeichnis jüdischer Werke. Zusammengestellt im Auftrag der Reichsleitung der NSDAP auf Grund behördlicher, parteiamtlich geprüfter Unterlagen. In: Veröffentlichungen des Institutes der NSDAP. Zur Erforschung der Judenfrage Band 2, Berlin 1940
  • Eva Weissweiler: Ausgemerzt! Das Lexikon der Juden in der Musik und seine mörderischen Folgen, Köln 1999
  • Werner Röder, Herbert A. Strauss (Hrsg.): International Biographical Dictionary of Central European Emigrés 1933–1945, Vol II, 2 München : Saur 1983, ISBN 3-598-10089-2, S. 882.

Weblinks Bearbeiten

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Karl-Josef Kutsch, Leo Riemens: Großes Sängerlexikon. 4. Auflage. Band 5: Menni–Rappold. K. G. Saur Verlag, München 2003, ISBN 3-598-11598-9, S. 3486 f.
  2. Piet Hein Honig, Hanns-Georg Rodek: 100001. Die Showbusiness-Enzyklopädie des 20. Jahrhunderts. Showbiz-Data-Verlag, Villingen-Schwenningen 1992, ISBN 3-929009-01-5, S. 720.
  3. Horst Seeger: Opernlexikon. Florian Noetzel Verlag Wilhelmshaven 1987, ISBN 3-7959-0271-1, S. 495.
  4. Wilhelm Kosch (Hrsg.): Deutsches Theaterlexikon. Band II. Hurka–Pallenberg de Gruyter, Berlin [u. a.] Januar 1971, ISBN 978-3-907820-29-2, S. 1722 (abgerufen über De Gruyter Online)
  5. Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien. Band 4 Le–Ro. Kremayr & Scheriau/Orac, Wien 2004, ISBN 3-218-00748-8, S. 477 (Digitalisat).
  6. a b Institut für Zeitungsforschung Dortmund: Dolbin, Benedikt Fred (1883–1971): Nachlass. In: Bundesarchiv: Zentrale Datenbank Nachlässe. 2005, abgerufen am 18. Januar 2017.
  7. Heiratsregister
  8. Biografische Datenbank und Lexikon österreichischer Frauen der Universität Wien: Paalen Bella, geb. Isabella (Izabella) Pollak (Pollack) / Opernsängerin, abgerufen am 2. Januar 2016.