Bahnstrecke Tüßling–Burghausen

Nebenbahn in Bayern

Die Bahnstrecke Tüßling–Burghausen ist eine eingleisige, nicht elektrifizierte Nebenbahn in Bayern. Die Stichbahn zweigt in Tüßling, südöstlich von Mühldorf am Inn, von der Bahnstrecke Mühldorf–Freilassing ab und führt über Altötting nach Burghausen. Sie wird von der DB RegioNetz Infrastruktur GmbH im Zuge des RegioNetzes Südostbayernbahn betrieben.

Tüßling–Burghausen
Strecke der Bahnstrecke Tüßling–Burghausen
Streckennummer (DB):5725
Kursbuchstrecke (DB):942
Streckenlänge:25,028 km
Spurweite:1435 mm (Normalspur)
Streckenklasse:D4
Maximale Neigung: 24,4 
Minimaler Radius:200 m
Höchstgeschwindigkeit:80 km/h
Zugbeeinflussung:PZB
von Mühldorf
nach Freilassing (seit 1908)
von Mühldorf (seit 1908)
7,022 Tüßling (seit 1908) 401 m
nach Freilassing (seit 1908)
Tüßlinger Kurve (geplant)[1]
Tüßling (bis 1908)
8,980 Heiligenstatt
(Neutrassierung 1908)
13,801 Sickenbach (57 m)
14,040 Altötting 405 m
15,679 Staatsstraße 2157 (33 m)
18,694 Kastl (Oberbay) 425 m
Anschluss Chemiepark Gendorf
20,223 Gendorf
21,104 Mozartstraße (29 m)
21,685 Alz (98 m)
21,973 Burgkirchen (ehemals Bahnhof) 419 m
23,345 Alzkanal (24 m)
25,417 Pirach 458 m
(Neutrassierung 1940)
27,666 Raitenhaslach (bis 1940)
29,430 Lindach (Oberbay)
30,333 Burghausen (Oberbay) (bis 1940)
31,194 Anton-Riemerschmid-Straße (34 m)
31,634 Fuß- und Radweg (24 m)
nach Burghausen Wackerwerk
32,235 Burghausen 420 m

Quellen: [2][3][4][5]

Durch den Güterverkehr des Bayerischen Chemiedreiecks hat die Strecke ein beachtliches Verkehrsaufkommen.

Geschichte Bearbeiten

Betriebsaufnahme und Streckenverlegungen Bearbeiten

Am 1. Mai 1897 eröffneten die Königlich Bayerischen Staatseisenbahnen die Strecke als Lokalbahn von Mühldorf am Inn über Tüßling nach Altötting und verlängerten sie am 9. August 1897 bis Burghausen. Der Verkehr entwickelte sich von Anfang an günstig, weshalb die Bahnstrecke in ihrem vierten Betriebsjahr als rentabelste Lokalbahn in Bayern galt.[6]

1908 wurde der Abschnitt Mühldorf–Tüßling schließlich der damals neu eröffneten Bahnstrecke Mühldorf–Freilassing zugeordnet, wobei die hier behandelte Strecke ihren Nullkilometer bis heute im Bahnhof Mühldorf (Oberbay) hat. Außerdem wurde 1908 die Trassierung im Bereich Tüßling geändert, indem die – den Ort bislang nördlich tangierende – Strecke westlich und südlich um die Marktgemeinde herumgeführt und ein neuer Abzweigbahnhof errichtet wurde.

Von 1915 bis 1916 wurde nördlich von Burghausen ein elektro-chemisches Werk von der Wacker-Gesellschaft errichtet.[7] Das Werk wurde mit einer 8,2 Kilometer langen Anschlussbahn, die am Bahnhof Pirach abzweigte, erschlossen. Zwischen 1939 und 1941 errichtete die Anorgana GmbH, eine Tochtergesellschaft der Interessengemeinschaft Farbenindustrie in Gendorf bei Burgkirchen einen weiteren elektro-chemischen Betrieb.[8]

Zwischen 1906 und 1930 endete auf dem ca. 600 Meter vom Bahnhof Altötting entfernten Kapellplatz die Dampfstraßenbahn Neuötting–Altötting.

Am 26. März 1940 kam es zu einem Erdrutsch, der große Schäden auf dem Steigungsabschnitt der damaligen Strecke hinterließ. Diese führte von Pirach über den Haltepunkt Raitenhaslach (km 27,7) zum alten Bahnhof Burghausen (km 30,4), der im Süden der Stadt auf der Napoleonshöhe an der Tittmoninger Straße nahe an der Salzach lag. Nachdem zunächst ein Schienenersatzverkehr mit Omnibussen eingerichtet wurde, benutzte man ab Dezember 1940 die Anschlussbahn der Firma Wacker auch für den Personenverkehr. An ihr wurde ein zunächst provisorischer neuer Bahnhof Burghausen eingerichtet. Lindach war für die Anschlussbahn eine Station, die nur Betriebszwecken diente, dann aber auch im Personenverkehr bedient wurde.

Von 1966 bis 1967 errichtete die Deutsche Marathon Petroleum GmbH im Holzfelder Forst nördlich der Wacker-Werke die Raffinerie Burghausen, welche an die Transalpine Ölleitung von Triest nach Ingolstadt angeschlossen wurde. Die Raffinerie wurde an die bestehende Anschlussbahn der Wacker-Werke angeschlossen und 1987 von der OMV gekauft.[8]

Seit 1990 Bearbeiten

 
Bahnhof Altötting (2009)

Der Haltepunkt Gendorf wurde am 14. Dezember 2003 kurzfristig wieder eröffnet. Der seit 1988 geschlossene Haltepunkt Heiligenstadt (Oberbay) wurde am 9. Dezember 2005 in der neuen Kursbuchschreibweise Heiligenstatt (Obb) (laut DB-Infrastrukturregister nur Heiligenstatt) wieder eröffnet.

Im Rahmen des Masterplans Schiene Chemiedreieck Bayern wurden Ende April 2011 die achtzehnmonatigen Modernisierungsarbeiten an der Bahnstrecke Mühldorf–Burghausen abgeschlossen. Insbesondere durch den Neubau elektronischer Stellwerke und die technische Sicherung der Bahnübergänge konnte die Fahrzeit der Regionalzüge und die Streckenkapazität für den Güterverkehr verbessert werden.[9] In Altötting und in Kastl wurden barrierefreie Mittelbahnsteige mit einer Höhe von 55 Zentimetern errichtet, wovon jener in Altötting eine Länge von 220 Meter[10] und jener in Kastl eine Länge von 150 Meter[11] aufweist.

Im Frühjahr 2014 wurde das Güterverkehrszentrum Burghausen eröffnet, welches an die bestehende Anschlussbahn der Wacker-Werke angeschlossen wurde.[12] Im Frühsommer 2014 wurden in Burghausen aus Mitteln des Infrastrukturbeschleunigungsprogramms II auf einer Länge von 1,6 Kilometern Niedrigschallschutzwände errichtet.[13][14]

Die Südostbayernbahn errichtete 2018 in Heiligenstatt einen neuen Bahnsteig mit einer Höhe von 55 Zentimetern sowie einer Länge von 120 Metern.[15]

Ausbau Bearbeiten

Zur Verbesserung des Verkehrsanbindung des Bayerischen Chemiedreiecks ist im Bundesverkehrswegeplan 2030 die Elektrifizierung der Strecke Tüßling–Burghausen als Maßnahme des „vordringlichen Bedarfs“ vorgesehen.[16] Seit 2022 befinden sich alle Planungsabschnitte in der erweiterten Entwurfsplanung.[17] Umgesetzt werden soll diese Maßnahme im Rahmen des Projekts Ausbaustrecke (ABS) 38, wo die Elektrifizierung als Planungsabschnitt PA 4 Tüßling–Burghausen geführt wird.[18] Im Zuge dieser Baumaßnahmen soll der Bahnhof Burghausen Wackerwerke mit einem elektronischen Stellwerk ausgestattet und der Piracher Berg zwischen Burgkirchen und Pirach abgeflacht werden.[18]

Streckenbeschreibung Bearbeiten

Verlauf Bearbeiten

Die Bahnstrecke beginnt im Bahnhof Tüßling im Alpenvorland, wo sie von der Bahnstrecke Mühldorf–Freilassing abzweigt. Nach Verlassen des Bahnhofs biegt die Strecke in einem 90°-Linksbogen in Richtung Nordosten ab und passiert linkerhand die Gemeinde Tüßling. Kurz darauf erreicht die Strecke den Haltepunkt Heiligenstatt, am gleichnamigen Tüßlinger Gemeindeteil. Kurz darauf schwenkt sie in Richtung Osten auf die alte Trasse vor 1908 und durchquert geradlinig ein landwirtschaftlich geprägtes Gebiet. Nach etwa sieben Kilometern erreicht die Strecke die Kreisstadt und den Wallfahrtsort Altötting. Anschließend wendet sich die Strecke zunächst in südöstliche, dann in südliche Richtung und durchquert die Ausläufer des Öttinger Forsts. Wieder in südöstliche Richtung geschwenkt, erreicht die Strecke den Bahnhof Kastl. Die folgenden zwei Kilometer verlaufen parallel zur Bahnstrecke die Bahnanlagen des Übergabebahnhofs der Anschlussbahn Gendorf. Auf Höhe des Haltepunkts Gendorf werden die Industrieanlagen des Chemieparks Gendorf erreicht, die sich im folgenden Verlauf beidseitig der Bahnstrecke erstrecken. Kurz darauf durchquert die Bahnstrecke die Gemeinde Burgkirchen und überquert die Alz. Die Bahnstrecke erreicht den Haltepunkt Burgkirchen und überquert direkt im Anschluss den Alzkanal am Burgkirchner Düker. Ab der Alzbrücke steigt die Strecke stark an und folgt dem bewaldeten Halsbachtal. Dieser Abschnitt wird auch als Piracher Berg bezeichnet und hat eine Steigung von bis zu 27 ‰.[18] Die Bahnstrecke wendet sich weiter in südöstlicher Richtung Pirach zu. In Pirach zweigte die alte Trasse nach Burghausen ab, die über Marienberg zum ehemaligen Bahnhof nahe der Burghausner Altstadt an der Tittmoninger Straße führte. Heute schwenkt die Bahnstrecke nach Pirach in Richtung Nordosten ab, wo sie kurz darauf die Burghausner Neustadt erreicht. Dort endet die Bahnstrecke im Bahnhof Burghausen und es zweigt das Gleis zum Übergabebahnhof der Wacker-Werke und der OMV-Raffinerie ab.

Sicherungstechnik Bearbeiten

Bei der Inbetriebnahme wurden die Weichen entlang der Strecke zunächst vor Ort durch Weichenwärter gestellt und die Fahrerlaubnis mündlich erteilt. Als erste Station der Strecke erhielt 1940 der Behelfsbahnhof Burghausen ein mechanisches Stellwerk der Bauart Krauss. 1941 folgten Tüßling und Kastl und 1944 Altötting und Pirach mit mechanischen Stellwerken der Einheitsbauart.[19][20] Die Bahnhöfe Tüßling, Altötting und Kastl erhielten jeweils ein Befehls- und ein Wärterstellwerk, die an den Bahnhofsköpfen angeordnet waren. Die Stellwerke stellten über Doppeldrahtzugleitungen die Weichen und die neu eingebauten Formsignale.

Am 20. April 1971 nahm die Deutsche Bundesbahn am Bahnhof Burghausen anstelle des mechanischen Stellwerks ein Drucktastenstellwerk der Siemens-Bauart Dr S2 in Betrieb und ersetzte die Formsignale durch Lichtsignale nach dem H/V-Signalsystem.[19] Die übrigen mechanischen Stellwerke und Formsignale blieben in Betrieb.

2011 stattete die Deutsche Bahn die Bahnhöfe Altötting, Kastl, Pirach und Burghausen Personenbahnhof mit elektronischen Stellwerken (ESTW) von Siemens und Lichtsignalen nach dem Ks-Signalsystem aus. 2016 ging im Bahnhof Tüßling ein weiteres ESTW von Siemens mit Ks-Signalen in Betrieb. Ende November 2022 wurde das bisherige Dr-S2-Stellwerk Wackerwerk ebenfalls durch ein ESTW ersetzt.[19]

Verkehr Bearbeiten

Personenverkehr Bearbeiten

Auf der Strecke verkehren im Stundentakt Regionalbahnen der DB Regio Tochter Südostbayernbahn zwischen Mühldorf (Oberbay) und Burghausen. Die Personenzüge werden aus Triebwagen der DB-Baureihe 628 gebildet, bis auf ein morgendliches Zugpaar an Wochentagen, das aus Doppelstockwagen gebildet und mit einer Lok der Baureihe 218 oder 245 bespannt wird.[21] In Kastl findet bei fast allen Fahrten etwa zur vollen Stunde eine Zugkreuzung statt.[22]

Güterverkehr Bearbeiten

Die Strecke hat aufgrund des Chemiedreiecks um Burghausen große wirtschaftliche Bedeutung im Güterverkehr. Über diese Strecke läuft laut Pro Bahn rund ein Prozent des bundesweiten Güteraufkommens auf der Schiene. Circa 50 Güterzüge und Lokfahrten verkehren durchschnittlich werktags über die Strecke. Der Abschnitt zwischen Tüßling und Kastl ist der am meisten befahrene Abschnitt, da dort die Güterzüge vom Chemiepark Gendorf auch noch dazu kommen.

Literatur Bearbeiten

  • Reinhard Wanka, Wolfgang Wiesner: Hauptbahn München–Simbach und ihre Zweigbahnen. Bufe-Fachbuch-Verlag, Egglham 1996, ISBN 3-922138-59-4, S. 197–206.
  • Karl Bürger: München – Mühldorf – Simbach. Glanz, Niedergang und Renaissance einer königlich bayerischen Eisenbahn. Bewegte Verkehrsgeschichte mit umwälzender Zukunft, Selbstverlag, Walpertskirchen 2017, ISBN 978-3-00-056474-1.

Weblinks Bearbeiten

Commons: Bahnstrecke Mühldorf–Burghausen – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Pressekonferenz Ausbaustrecke (ABS) 38 München – Mühldorf – Freilassing. Präsentation. DB Netze, 21. März 2022, S. 2 (deutschebahn.com [PDF; 869 kB; abgerufen am 21. März 2022]).
  2. Infrastrukturregister. In: geovdbn.deutschebahn.com. DB Netz AG, abgerufen am 15. Januar 2021.
  3. Wanka, Wiesner: Die Hauptbahn München–Simbach und ihre Zweigbahnen. 1996, S. 199–200.
  4. Streckenkarte der Eisenbahndirektion München, Stand März 1952. In: Bürger: München–Mühldorf–Simbach. 2017.
  5. Eisenbahnatlas Deutschland. 11. Auflage. Schweers + Wall, Köln 2020, ISBN 978-3-89494-149-9.
  6. Reinhard Wanka, Wolfgang Wiesner: Hauptbahn München-Simbach und ihre Zweigbahnen. 1. Auflage. Bufe-Fachbuch-Verlag, Egglham 1996, ISBN 978-3-922138-59-4, Die Lokalbahn Mühldorf-Burghausen, S. 197–206.
  7. Dietmar Grypa: Wacker Chemie AG. In: Historisches Lexikon Bayerns. Abgerufen am 14. Oktober 2022.
  8. a b Dietmar Grypa: Bayerisches Chemiedreieck. In: Historisches Lexikon Bayerns. Abgerufen am 14. Oktober 2022.
  9. Bundesverkehrsminister Dr. Peter Ramsauer nimmt elektronisches Stellwerk (ESTW) in Betrieb. Modernisierung der Bahnstrecke Mühldorf – Burghausen abgeschlossen / neue Stellwerkstechnik, Bahnübergangsicherungen, zusätzliche Gleise und Bahnsteige. (PDF) Deutsche Bahn, 23. April 2011, ehemals im Original (nicht mehr online verfügbar); abgerufen am 24. April 2011.@1@2Vorlage:Toter Link/www.deutschebahn.com (Seite nicht mehr abrufbar. Suche in Webarchiven)
  10. Stationsausstattung: Altötting. In: deutschebahn.com. DB RegioNetz Infrastruktur, 12. Januar 2022, abgerufen am 17. Oktober 2022.
  11. Stationsausstattung: Kastl. In: deutschebahn.com. DB RegioNetz Infrastruktur, 12. Januar 2022, abgerufen am 17. Oktober 2022.
  12. Güterverkehrszentrum Burghausen: Modernstes deutsches Umschlagzentrum. 18. April 2013, archiviert vom Original am 10. April 2016; abgerufen am 18. Oktober 2022.
  13. Meldung: 8. Bahn-Fachtagung des Deutschen Verbands für Lärmschutz e. V. In: Eisenbahntechnische Rundschau 9/2014, S. 192.
  14. Rieder 360° – die niedrige Lärmschutzwand. In: Eisenbahntechnische Rundschau 9/2014, S. 138.
  15. Südostbayernbahn erneuert Bahnsteig am Haltepunkt Heiligenstatt bei Altötting. Deutsche Bahn, 10. Oktober 2018, abgerufen am 27. November 2018.
  16. Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (Hrsg.): Bundesverkehrswegeplan 2030. August 2016, S. 163 (Online auf bmvi.de [PDF; abgerufen am 7. Mai 2020]).
  17. Aktueller Planungsstand. In: abs38.de. DB Netz AG, abgerufen am 17. Oktober 2022.
  18. a b c PA 4 Tüßling–Burghausen - ABS38. DB Netz, abgerufen am 18. Oktober 2022.
  19. a b c Stellwerke an der Strecke 5725. Abgerufen am 14. Oktober 2022.
  20. menrotv: TÜSSLING - Der Bahnhof und seine Stellwerke - menrotv auf YouTube, abgerufen am 22. Juli 2016.
  21. Fahrtinformationen zu RB 40 (27166). In: reiseauskunft.bahn.de. 2020, abgerufen am 4. November 2020 (Die mit Doppelstockwagen gebildeten Züge 27161 und 27166 sind in der Reiseauskunft im Gegensatz zu den mit Triebwagen gefahrenen Züge mit „Fahrzeuggebundene Einstiegshilfe vorhanden“ gekennzeichnet.).