Bahnstrecke Paris-Bastille–Marles-en-Brie

Eisenbahnstrecke in Frankreich

Die Bahnstrecke Paris–Marles-en-Brie ist eine normalspurige Eisenbahnstrecke, die vom Gare de la Bastille im Herzen von Paris nach Marles-en-Brie an der Bahnstrecke Gretz-Armainvilliers–Sézanne führt. Ihr erster, gut fünf Kilometer lange Abschnitt, der heute weitgehend nicht mehr existiert, wurde am 22. September 1859 im Beisein von Kaiser Napoleon III. eröffnet und führte zunächst bis Vincennes, weshalb sie landläufig auch Ligne de Vincennes oder nur Ligne V genannt wurde. In den 1880er bis 1890er Jahren wurde sie immer weiter verlängert. Heute ist diese Strecke mehrfach in das Nah- und Fernverkehrsnetz des Großraums eingebunden; einige Streckenteile und Bahnhöfe wurden aufgegeben, andere reaktiviert oder erweitert und modifiziert.

Paris–Marles-en-Brie
Sucy-Bonneuil mit seinen Abstellgleisen auf der alten Trasse
neben dem heutigen Regionalbahnhof; 2008
Sucy-Bonneuil mit seinen Abstellgleisen auf der alten Trasse
neben dem heutigen Regionalbahnhof; 2008
Streckennummer (SNCF):956 000
Kursbuchstrecke (SNCF):194, 195, 193 (214)[1]
Streckenlänge:66,3 km
Spurweite:1435 mm (Normalspur)
Stromsystem:1500 V =
25 kV – 50 Hz ~
Maximale Neigung: 13 
Zweigleisigkeit:auf der noch offenen Strecke
0,0 Paris-Bastille
Hochbahn (Viaduc des Arts)
2,1 Paris-Reuilly
Garages de Reuilly
Tunnel de Reuilly (134 m)
2,5 Tunnel de Picpus (54 m)
Abzw. Bel-Air
3,1 Bel-Air
               
~3,3 Petite Ceinture La Râpée–Les Batignolles
~3,7 Stadtautobahn Boulevard Périphérique intérieur
~3,8 Paris/ Département Val-de-Marne
Tunnel de Saint-Mandé (252 m)
4,3 Saint-Mandé
RER A von St.-Germain-en-Laye
5,4 Vincennes
Fontenay (ehem. Güterbahnhof)
6,8 Abzw. Fontenay RER A nach Marne-la-Vallée
7,7 Fontenay-sous-Bois
Nogent-Vincennes
8,7 Nogent-sur-Marne
10,6 Joinville-le-Pont
Viaduc de Saint-Maurice (380 m)
12,3 Saint-Maur-Créteil
13,3 Parc de Saint-Maur
Grande Ceinture von Bobigny
15,1 Champigny
16,8 La Varenne-Chennevières 41 m
            
Marne
            
LGV Interconnexion Est von/n. Villeneuve-St-Georges
               
Bahnstrecke Bobigny–Sucy-Bonneuil von Bobigny
19,4 Sucy-Bonneuil 38 m
            
Grande Ceinture nach Versailles
~21,6 N 19
21,7 Boissy-Saint-Léger 56 m
Außengrenze des RATP – Ende Elektrifizierung
23,7 Limeil-Brévannes
28,0 Villecresnes
30,8 Mandres 93 m
~32,4 N 19
32,4 Santeny-Servon 96 m
            
~32,4 Département Val-de-Marne/ Seine-et-Marne
LGV Interconnexion Est von/ nach Vémars
            
35,9 Brie-Comte-Robert 89 m
            
40,4 Grisy-Suisnes 98 m
            
~41,2 D319 (ehem. N 19)
            
43,1 Coubert-Soignolles 85 m
               
45,4 Yerres
               
LGV Sud-Est
            
50,9 Yèbles-Guignes 93 m
Bahnstrecke Paris–Mulhouse von Paris-Est
54,1
52,5
Verneuil-l’Étang 96 m
Bahnstrecke Paris–Mulhouse nach Mulhouse
57,2 Yerres
58,7 Chaumes 100 m
63,4 Fontenay-Trésigny 105 m
Bahnstrecke Gretz-Armainvilliers–Sézanne v. Gretz‑A.
66,3
49,0
Marles-en-Brie 109 m
Bahnstrecke Gretz-Armainvilliers–Sézanne n. Sézanne

Auf ihr waren bis zum Ende im Dezember 1969 ausschließlich Dampflokomotiven im Einsatz, weil auf dieser Bahnstrecke über Jahrzehnte nicht investiert wurde und keine Neuerungen Einzug erhielten. Am Ort ihres einstigen Kopfbahnhofes am Place de la Bastille befindet sich heute die der Kultur verpflichtete Opéra Bastille. Mit dem Ende der Dampflok-Ära in Paris begann das Schnellbahnnetz in Paris. Die Linie A war die erste Linie, die in den Folgejahren zu einem ganzen Verkehrsnetz heranwachsenden getakteten Verkehrssystem werden sollte. Der 17,5 km lange Abschnitt Vincennes–Boissy-Saint-Léger ist ihr östlicher Ausläufer. In Verneuil-l’Étang besteht heute Anschluss an die Transilien-Linie P Sud.

Geschichte Bearbeiten

Bau der Strecke Bearbeiten

Eröffnungs- und Stilllegungsdaten
Datum Länge
[km]
Abschnitt
22. September 1859 16,8 Paris-Bastille – La Varenne-Chennevières
5. September 1872 2,7 Verlängerung La Varenne-Chennevières – Sucy-Bonneuil
9. Juli 1874 2,3 Verlängerung Sucy-Bonneuil – Boissy-Saint-Léger
5. August 1875 14,2 Verlängerung Boissy-Saint-Léger – Brie-Comte-Robert
1. Juli 1892 18,1 Verlängerung Brie-Comte-Robert – Verneuil-l’Étang
1. Juni 1893 13,8 Verlängerung Verneuil-l’Étang – Marles-en-Brie
18. April 1939 13,8 Schließung Verneuil-l’Étang – Marles-en-Brie (Personenverkehr)
18. Juli 1939 32,4 Schließung Boissy-Saint-Léger – Verneuil-l’Étang (PV)
1944 46,2 Wiederöffnung Boissy-Saint-Léger – Marles-en-Brie (PV)
1947 13,8 Schließung Verneuil-l’Étang – Marles-en-Brie (PV)
18. Mai 1953 32,4 Schließung Boissy-Saint-Léger – Verneuil-l’Étang (PV)
14. Dezember 1969 17,4 Wiedereröffnung als RER-Linie A und
Schließung des Abschnitts zwischen Bastille und Saint-Mandé
4,3

Diese Bahnstrecke wurde von dem gerade gegründeten und stark expandierendem Bahnunternehmen Chemins de fer de l’Est (EST) projektiert und realisiert. Sie sollte helfen, den Osten Frankreichs mit der neuen Bahninfrastruktur zu erschließen. Auch strategische Gründe und ein Alternativbahnhof zum Gare de l’Est spielten eine Rolle.[2]

 
Gare de la Bastille um 1900
 
Sonntagsfahrplan Mai 1914
 
Bahnhof Nogent-sur-Marne um 1900
 
Bahnhof Parc de Saint-Maur ca. 1913

Noch vor Umbenennung in die EST beantragte die Compagnie du chemin de fer de Paris à Strasbourg am 17. August 1853 den Bau und Betrieb einer Bahnstrecke von Paris nach Vincennes, Saint-Mandé und Saint-Maur[3].

1857 gab es Schwierigkeiten beim Bau, da die Stadt Paris die Errichtung der notwendigen Viadukte über die Straßenzüge verweigerte. Die Hartnäckigkeit der Bahngesellschaft führte schließlich dazu, doch den aufwändigen Bau genehmigt zu bekommen und diese bis 1859 abzuschließen, sodass das erste Teilstück eröffnet werden konnte. Heute befindet sich in 64 von den ehemals 75 Brückenbögen das Viaduc des Arts. Bis 1893 war Marles-en-Brie an der 1863 in Betrieb genommenen Bahnstrecke Gretz-Armainvilliers–Sézanne erreicht und damit die Strecke vollendet. Kriegsbedingt wurde die Strecke im Zweiten Weltkrieg geschlossen.

Peripherie Bearbeiten

Auf ihrem Weg, Paris zu verlassen, kreuzt die Strecke mehrfach andere Eisenbahnstrecken, die in der Mitte der 1850er Jahre gebaut worden sind: Die Petite und die Grande Ceinture, die beiden Ringbahnen um Paris. Seit 1994 nimmt sie in der Höhe von Villecresnes auf gut 4 km die LGV Interconnexion Est auf ihrer ehemaligen Trasse auf. In Verneuil-l’Étang ist sie mit der Bahnstrecke Paris–Mulhouse vernetzt.

Beim Bau der Strecke wollte man eine möglichst große Fläche erschließen, wofür sich der kurvenreiche Flusslauf der Marne gut eignete. So konnte man viele Gemeinden an die Strecke anbinden. Die Strecke prosperierte von Anfang an. Sowohl bei Städtern war diese Strecke beliebt, die ihre Freizeit am Marneufer verbringen wollten als auch bei Pendlern, die regelmäßig zur Arbeit in die Stadt fahren mussten. Jenseits von Bonneuil nahm der Verkehr deutlich ab, obwohl auch entlang der Yerres viele Zwischenhalte eingerichtet worden waren. Das hohe Verkehrsaufkommen wurde von der Politik begünstigt, die die Fahrtarife subventionierte. An Werktagen fuhren vor der Jahrhundertwende 32 Zugpaare im Halbstundentakt. So wurden beispielsweise im Jahr 1869 fast 6 Mio. Fahrgäste befördert und im Jahr 1900 bereits 19 Mio. Jenseits von Biossy-Saint-Léger gab es dagegen nur vier Fahrten täglich.

Besonders hervorzuheben ist der Baustil der Bahnbauten, der sehr hochwertig und vielverziert das Auge des Reisenden auf sich lenkt. Die Gebäude sind mit unterschiedlich farbigen Ziegelmustern, mit üppigen Holzverkleidungen und anderen dekorativen Elementen versehen.

Schleichender Rückgang Bearbeiten

Mit der Weltwirtschaftskrise in den 1920er und -30er Jahren nahm der Verkehr deutlich ab. Zusätzlich wuchs der Wettbewerb anderer Verkehrsträger, insbesondere die Verlängerung der Métro-Linie 1 bis Château de Vincennes im März 1934. Als dann noch von der Pariser Verkehrsgesellschaft RATP ein dichtes Omnibusnetz aufgebaut wurde, war die Strecke nicht mehr kostendeckend. In der Verwaltung der EST war man fortan bemüht, diesen Abschnitt nicht mehr aufrechtzuerhalten und an die Metrogesellschaft abzugeben. Doch die EST wurde mit dem Jahresbeginn 1938 von der SNCF abgelöst, die ebenfalls kein Interesse hatte, in diese Strecke zu investieren. Schon gut ein Jahr nach der Übernahme wurden die ersten Teilstrecken zum 18. April und dann zum 18. Juli 1938 geschlossen. Dies betraf jedoch die äußersten Teile, die kaum Personenverkehr aufwiesen.

Ab 1941 gingen die Transportleistungen kriegsbedingt noch einmal nach oben und auch die bereits geschlossenen Streckenteile wurden wiedereröffnet. Vom Frühjahr 1944 bis zum Winter 1946 erlebte die Strecke einen letzten Höhepunkt, als der Verkehr aufgrund von Restaurierungsarbeiten am Viadukt von Nogent-sur-Marne und anderen Abschnitten der Strecke Verneuil-l’Étang umgeleitet werden musste. Die Alliierten hatten die Strecke bombardiert und die sich zurückziehenden deutschen Truppen hatten sie sabotiert, und die Züge der Hauptstrecke nach Châlons-sur-Marne, Sézanne oder Troyes liefen vom Gare de Lyon über diese Ausweichroute. Eine Modernisierung einschließlich Elektrifizierung, die zuvor projektiert worden war, ging in den politischen und wirtschaftlichen Umwälzungen der mittleren 1940er Jahre unter.

Umwandlung zur Schnellbahnstrecke (RER A) Bearbeiten

In den 1950er Jahren wurden einige Bahnübergänge beseitigt, sonst aber nur wenig investiert. Immerhin verkehrten noch 44 Zugpaare bis Bastille. Dennoch war dieser Endbahnhof zu beengt und die innerstädtische Lage erlaubte keine Ausweitung der Betriebsfläche. Das „Aus“ für diesen Kopfbahnhof muss Anfang der 1960er Jahre gefallen sein und wurde 1963 bestätigt.

Alternativ wurde in den 1960er-Jahren ein Eisenbahntunnel errichtet, der vom Bahnhof Nation kommend auf dem Ortsgebiet von Saint-Mandé westlich der Station Vincennes die Gleislage erreicht. Von dort bis Boissy-Saint-Léger wurde die bestehende Strecke in den Jahren 1966 bis 1969 unter Beibehaltung des laufenden Betriebs elektrifiziert und an die Anforderungen des Schnellbahnbetriebs angepasst. So wurden die alten Infrastrukturen der EST in die Linie RER A der Réseau express régional d’Île-de-France (RER) integriert. Mit Aufnahme des Schnellbahnbetriebs in den frühen Morgenstunden des 14. Dezember 1969 übernahm die RATP anstelle der SNCF die Betriebsführung.[4][5]

 

Weil der Bau des neuen Opernhauses auf dem Gelände des Bahnhofs Bastille noch einige Jahre dauerte, wurde der Bahnhof und der folgende, ab 1969 ungenutzte Gleisabschnitt erst 1984 abgerissen. Das Viadukt der Avenue Daumesnil zwischen Place de la Bastille und dem Bahnhof Reuilly, das zunächst zum Abriss bestimmt war, wurde zu einem bepflanzten Parkwanderweg, der Coulée verte René-Dumont umgewandelt, der bis zur Porte de Montempoivre verlängert wurde. Insgesamt wurde der Abschnitt verkehrsberuhigt und begrünt.

Weblinks Bearbeiten

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. S.N.C.F. Région d’Est. Carnet de profils et schémas, 1962, Blatt 194, 195, 193
  2. Didier Leroy: Il y a 50 ans, la gare de Paris Bastille et la ligne de Vincennes. 50 Jahre nach Schließung der Strecke; Aiguillages, 21. Mai 2020
  3. Décret impérial relativ à la concession d’un chemin de fer de Paris à Mulhouse, avec embranchement sur Coulommiers, d’un Chemin de fer de Nancy à Gray et d’un chemin de fer de Paris à Vincennes, Saint-Mandé et Saint Maur. In: Collection complète des lois, décrets, ordonnances, réglements, et avis du Conseil d’État, Paris 1853, S. 447–448.
  4. Aurélien Prévot: La ligne de Vincennes: steam for ever! In: Ferrovissime. Band 20. LR Presse, 20. Oktober 2009, ISSN 1961-5035, S. 14 (französisch).
  5. Bernard Collardey: Les Trains de Banlieue. Tome 2: De 1938 a 1999. La Vie du Rail, 1999, ISBN 2-902808-76-3, S. 87 (französisch).