Bagni di Craveggia

ehemaliger Thermalort im Piemont, Italien

Die Bagni di Craveggia, auf Deutsch Bäder von Craveggia, sind die Ruinen eines alten Bades mit zugehöriger Thermalquelle (heutige Quelltemperatur von 28 °C und Quellschüttung von 10 Liter pro Minute). Es liegt in der italienischen Region Piemont, Provinz Verbano-Cusio-Ossola, hart an der Grenze zum Schweizer Kanton Tessin.

Bagni di Craveggia (2010)
Neu erstelltes Fussbad und Badewannen (2015)
Bagni aus Blickrichtung der italienischen Zollkaserne (2015)

Lage Bearbeiten

Das ehemalige Kurbad befindet sich zuhinterst im Onsernonetal in der Flur Acquacalda, dem untersten Teil der Alp Monfraccio, auf etwa 980 m Höhe an der Grenze zur Schweiz. Verwaltungsmässig gehört das Bad zur Gemeinde Craveggia im Valle Vigezzo, deren Zentrum in sieben Kilometer Luftlinie Entfernung liegt.

Die Thermalquelle ist heute am einfachsten talaufwärts, aber hangabwärts von dem Tessiner Dorf Spruga über einen mit Fahrverbot belegten Fahrweg und eine Furt im Isorno oder über einen Pfad ca. 100 m unterhalb davon (mit schmaler Brücke zur verlassenen italienischen Zollkaserne) zu erreichen. Als kürzester Weg nach Craveggia führt ein südwärts verlaufender Pfad über die Bocchetta di Sant’Antonio (1841 m), zu dessen Bewältigung man etwa 5 Stunden braucht.

Geschichte Bearbeiten

Frühe Erwähnungen Bearbeiten

Die ursprünglich zwei Thermalquellen wurden erstmals indirekt in der Phrase flumen de aqua calida (auf deutsch «Warmwasserfluss») am 11. Januar 1299 anlässlich einer in Toceno beurkundeten Landabtretung an die Locarneser Notabelnfamilie Orelli erwähnt.[1] Offensichtlich waren die Thermalquellen damals in der Region schon seit längerem bekannt. Die erste direkte Erwähnung findet sich in einem Dokument aus Craveggia vom Jahr 1352, in dem von der Heilwirkung des Wassers bei rachitischen und Lymphdrüsen-Erkrankungen die Rede ist.[2] Eine weitere Erwähnung folgte im Jahr 1406.[3]

1770 wurde eine Kapelle errichtet; dies geschah offensichtlich auf Betreiben eines Dominikanerpaters, der jedes Jahr im Sommer zum Baden aus Mailand anreiste.[4]

Territoriale Zugehörigkeit Bearbeiten

Das Gebiet gehörte jahrhundertelang zu der aus dem Hochmittelalter stammenden Comune di Onsernone, einem seit spätmittelalterlicher Zeit eidgenössischen Untertanengebiet (Ennetbergische Vogteien). Von dieser Gemeinschaft wurden im hintersten Onsernonetal seit 1406 auf den Hochsommer begrenzte Weide- und entsprechende Durchgangsrechte an die Gemeinde Craveggia verliehen, aber weder z. B. das Holzschlagrecht in den Wäldern noch die Oberhoheit (bestätigt im Vertrag der beiden Gemeinden vom 31. Oktober 1767).[5]

1806/1807 wurde das hinterste Tal jedoch an das napoleonische Königreich Italien abgetreten. Der definitive italienisch-schweizerische Grenzvertrag wurde 1807 in der Kapelle von Acquacalda ausgefertigt (Convenzione d’Acquacalda, mit abschliessender Regelung auch der Ansprüche der italienischen Gemeinde Dissimo, die heute zur Gemeinde Re im Valle Vigezzo gehört).[6]

Ehemaliges Thermalhotel und Zweiter Weltkrieg Bearbeiten

1819 wurde an der der Gemeinde Craveggia gehörenden Thermalquelle ein vierstöckiges[4] Hotel mit Thermaleinrichtungen, namentlich Badewannen aus Marmor,[4] errichtet. Obwohl es sich um die einzige bedeutende Thermalquelle im Bereich des Ossolatals handelte, bremste der umständliche Zugang die Entwicklung des Thermalortes. So reisten die Thermalgäste in der Regel über Locarno in der Schweiz bis Comologno in achtstündiger Kutschenfahrt an, bevor sie auf einem Saumweg die letzten drei bis vier Kilometer mitsamt Gepäck auf Mulis oder zu Fuss zurücklegen mussten. Die von der Gemeinde Craveggia angestrebte Verlängerung der Strasse von Comologno bis zum Thermalbad fand bei den Tessiner Behörden erst in den 1930er-Jahren beschränktes Gehör, als der Fussweg zu einem Strässchen vierter Klasse ausgebaut wurde.[7] 1881 brannte das Hotel nieder und wurde wieder aufgebaut.[4]

Gegen Ende des Zweiten Weltkrieges gehörte das Gebiet zur Partisanenrepublik Ossola. Am 18. und 19. Oktober 1944 ereignete sich hier das Gefecht bei den Bagni di Craveggia, ein Grenzzwischenfall zwischen deutsch-italienischen Faschisten, die flüchtende Partisanen verfolgten, und der Schweizer Armee.

Im Lawinenwinter 1951 ging eine Lawine von Norden (Schweizer Seite) auf die Bagni nieder und zerstörte sie fast vollständig; einzig das Untergeschoss des Badgebäudes und die etwas höher gelegene Kapelle blieben stehen. Weitere Schäden entstanden anlässlich des Unwetters von 1978.

Nach dem Abbruch eines seit Ende der 1990er-Jahre bestehenden italienischen Wasserkraftprojekts,[8] das den Fluss an der Stelle so gut wie trockengelegt hätte und so den Ort abgewertet hätte,[4] wurden im Rahmen des grenzüberschreitenden Regionalprojektes Frontiera di Acqua e Pace[9] am 1. August 2015 zwei neue Becken (eines mit Flusswasser und eines mit Thermalwasser gespiesen) und zwei neue Wannen (mit Thermalwasser auffüllbar) eröffnet.[10]

Literatur Bearbeiten

  • Priska Binz Nocco: Mineralwasser als Heilmittel. Medizinisch-pharmazeutische Aspekte im 19. und frühen 20. Jahrhundert unter besonderer Berücksichtigung des Kantons Tessin. Dissertation ETH, Zürich 2007 (online).

Weblinks Bearbeiten

Commons: Bagni di Craveggia – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Paolo Norsa (Hrsg.): Invito alle Valle Vigezzo. Dante Giovannacci Editore, Domodossola, 1970, S. 134, zu Primärdokument: pergameno n. 9, Vol. I, dell’Archivio comunale di Toceno.
  2. Raffaele Fattalini: L’Ossola e il Sempionen nei diari di viaggio. In: Antonio Pagani (Hrsg.): Terra d’Ossola. Lions Club, Domodossola, 2005, S. 255.
  3. Rocco Ragazzoni: Analisi ed osservazioni sulle acque termali di Craveggia. Miglio, Novara 1823, S. 13; Giacomo Gubetta: Craveggia: Comune della Valle Vigezzo (Ossola) sue memorie antiche e moderne. Porta, Domodossola 1891, S. 124.
  4. a b c d e Interpellation Abate von 2007; NZZ vom 18. November 2010: Die Bäder von Craveggia im Onsernone-Tal werden renoviert: Renaissance am Ende der Welt
  5. Lindoro Regolatti: Il Comune di Onsernone: Ordinamento civile delle cinque antiche squadre. Mazzuconi, Lugano 1934, S. 13.
  6. Schweizerische Eidgenossenschaft: Repertorium der Abschiede der eidgenössischen Tagsatzungen vom Jahre 1803 bis Ende des Jahres 1813 oder während des Zeitraums, da die mediationsmässige Bundesverfassung Geltung hatte. Carl Rätzer, Bern, 1842, S. 182.
  7. Angelo Del Boca: Il mio Novecento. Neri Pozza, Vicenza 2008, ISBN 978-88-545-0271-0, S. 14–18.
  8. Wem gehört das Wasser?, NZZ, 9. Juli 2007
  9. Das Heilwasser, das Länder verbindet, NZZ, 183 September 2016
  10. Website Ticinonews vom 2. August 2015: Un successo di cooperazione transfrontaliera (Memento des Originals vom 12. August 2015 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.ticinonews.ch; Zeitung La Stampa vom 2. Dezember 2014: Alleanza tra Italia e Svizzera per il futuro dei Bagni di Craveggia.

Koordinaten: 46° 11′ 54″ N, 8° 32′ 22″ O