Česká Kamenice

Gemeinde in Tschechien
(Weitergeleitet von Böhmisch-Kamnitz)

Česká Kamenice (deutsch Böhmisch Kamnitz) ist eine Stadt im Okres Děčín im Ústecký kraj in Tschechien. Sie liegt in Nordböhmen an der Kamnitz (Kamenice) am Übergang des Lausitzer Gebirges zur Böhmischen Schweiz.

Česká Kamenice
Wappen von Česká Kamenice
Česká Kamenice (Tschechien)
Česká Kamenice (Tschechien)
Basisdaten
Staat: Tschechien Tschechien
Historischer Landesteil: Böhmen
Region: Ústecký kraj
Bezirk: Děčín
Fläche: 3876,5784[1] ha
Geographische Lage: 50° 48′ N, 14° 25′ OKoordinaten: 50° 47′ 59″ N, 14° 24′ 57″ O
Höhe: 301 m n.m.
Einwohner: 5.103 (1. Jan. 2023)[2]
Postleitzahl: 407 21
Kfz-Kennzeichen: U
Verkehr
Bahnanschluss: Děčín–Jedlová
Česká Kamenice–Česká Lípa
Struktur
Status: Stadt
Ortsteile: 10
Verwaltung
Bürgermeister: Jan Papajanovský (Stand: 2021)
Adresse: náměstí Míru 219
407 21 Česká Kamenice
Gemeindenummer: 562394
Website: www.ceska-kamenice.cz
Lage von Česká Kamenice im Bezirk Děčín

Stadtgliederung Bearbeiten

 
Stadtgebiet und Umgebung
 
Stadtmitte
 
Bahnhof

Ortsteilen von Česká Kamenice sind Dolní Kamenice (Niederkamnitz), Filipov (Philippsdorf), Horní Kamenice (Oberkamnitz), Huníkov (Henne), Kamenická Nová Víska (Kamnitz-Neudörfel), Kerhartice (Gersdorf), Líska (Hasel), Pekelský Důl (Höllegrund) und Víska pod Lesy (Walddörfel)[3]. Grundsiedlungseinheiten sind Česká Kamenice-střed, Dolní Kamenice, Filipov, Horní Kamenice, Horní Kamenice-východ, Huníkov, Huníkov-sever, Jehla (Nolde), K Janské, Kamenická Nová Víska, Kerhartice, Líska, Pekelský Důl, Pod hřbitovem, Pod Skalkou, Pod tratí, Pod Zeleným vrchem, U nemocnice, U papíren, Víska pod Lesy, Za nádražím und Zámecký vrch (Schloßberg).[4]

Das Gemeindegebiet gliedert sich in die Katastralbezirke Česká Kamenice, Dolní Kamenice, Horní Kamenice, Kamenická Nová Víska, Kerhartice und Líska.[5]

Geschichte Bearbeiten

 
Náměstí Míru (Friedensplatz)
 
Pfarrkirche St. Jakob der Ältere

Deutsche Kolonisten gründeten Mitte des 13. Jahrhunderts am gleichnamigen Fluss das langgezogene Waldhufendorf Kamenice. Erstmals urkundlich wurde Kamenice im Jahr 1352. Schon vorher hatte König Ottokar II. dem mittleren Teil des Dorfes Stadtrechte verliehen; aus dem restlichen Dorf bildeten sich in der Folgezeit die Vorstädte Ober- und Niederkamnitz.

König Wenzel II. überließ Ende des 13. Jahrhunderts die Stadt Johann von Michelsberg – unter ihm gelangte die Stadt zur Herrschaft Scharfenstein. Johann III. von Michelsberg verlieh 1383 den Bürgern das Heimfallrecht. Später erhielt die Stadt das Braurecht, 1394 das Bier- und Weinschankrecht sowie das Marktrecht. Die Jakobskirche hatte bereits 1384 einen eigenen Pfarrer.[6] Den Michelsbergern folgten 1406 die Berken von Dauba und 1428 die Wartenberger.[6][7]

Hohe Kriegsschulden und die herabsinkende Macht veranlasste 1515 die Wartenberger, die Herrschaft an die Herren von Salhausen aus der Mark Meißen zu verkaufen. Diese teilten im Jahr 1535 die Herrschaft. Aus einem Teil wurde die Herrschaft Kamnitz gegründet, die seit 1614 den Kinsky gehörte und bis 1850 bestand. Mit dem Bau des Schlosses und der Marienkapelle entwickelte sich Kamenice im 17. Jahrhundert zu einer repräsentativen Barockstadt. Infolge der Rekatholisierung kam es 1625 zu einem Bauernaufstand. Im Dreißigjährigen Krieg kam es 1634, hervorgerufen durch stationierte kaiserliche Truppen, zu einem großen Stadtbrand. Schwedische Truppen hinterließen zehn Jahre später ihre Spuren. Die Kamenicer Einwohner nahmen auch an den Bauernaufständen von 1680 und 1775 teil. Daneben litt die Stadt an den Überschwemmungen der Jahre 1656, 1677 und 1753, an der Pest im Jahr 1713 sowie an einem weiteren Stadtbrand im Jahr 1778.

Schon für das Jahr 1389 ist Handwerk nachgewiesen. Kamenice besaß im 17. Jahrhundert einen der ersten glasveredelnden Handwerker. Mit dem Bau einer Papierfabrik in Ober-Kamnitz im Jahr 1834 entwickelte sich die Industrie. Webereien, Spinnereien, Maschinenfabriken, Eisengießereien, Glasraffinerien und eine Möbel- sowie Strickwarenfabrik folgten. Die 1869 eröffnete Eisenbahnstrecke der Böhmischen Nordbahn von Bodenbach nach Warnsdorf förderte den Aufschwung, der sich in der 1894 eröffneten städtischen Wasserleitung und dem 1900 in Betrieb genommenen Elektrizitätswerk widerspiegelte.

Nach dem Zerfall Österreich-Ungarns am Ende des Ersten Weltkriegs wurde Kamenice Teil der 1918 gegründeten Ersten Tschechoslowakischen Republik. 1921 hatte der Ort 4539 Einwohner, davon 4295 (95 %) Deutsche,[8] und 1930 4.538 Einwohner, davon 252 (6 %) Tschechen.[9]

Mit dem Münchner Abkommen und der darauf folgenden Besetzung des Sudetenlandes fiel Böhmisch Kamnitz 1938 dem Deutschen Reich zu. Nachfolgend wurde es dem Landkreis Tetschen-Bodenbach, Regierungsbezirk Aussig, Reichsgau Sudetenland eingegliedert.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges 1945 kam die Stadt wieder zur Tschechoslowakei. Ein Großteil der deutschsprachigen Bevölkerung wurde in der Folge enteignet und vertrieben.

Rabsteiner Fabriken Bearbeiten

Zwischen 1860 und 1867 errichtete Franz Preidl im Tal der Kamnitz (Kamenice) die Rabsteiner Fabriken (auch Preidl Fabriken in Rabstein) – drei Textilspinnereien bei Nieder-Kamnitz (Dolní Kamenice), Kamnitz-Neudörfel (Kamenická Nová Víska) und Jonsbach (Janská).

Weser-Flugzeugbau GmbH Bearbeiten

Im Zweiten Weltkrieg wurden unter dem Decknamen Zechstein auf Johnsbacher Flur Stollen in die Sandsteinfelsen vorgetrieben. Sowohl in der alten Spinnerei als auch in unterirdischen Räumen in den Felsen nahm die Weser-Flugzeugbau GmbH (WFG) aus Bremen ihre Produktion von Zubehör für die Junkers-Sturzkampfflugzeuge (Stuka) auf, die aus Bremen ausgelagert worden war.

KZ-Außenlager Rabstein Bearbeiten

Von Ende August 1944 bis 8. Mai 1945 existierte im Ort ein Außenlager des KZ Flossenbürg, dessen 650 Häftlinge Zwangsarbeit für die Bremer Firma Weser-Flugzeugbau verrichten mussten. Die Häftlinge wurden für die Erschließung eines unterirdischen Flugzeugwerks eingesetzt. Auch das KZ-Außenlager hatte den Tarnnamen Zechstein. 59 Häftlinge kamen im KZ ums Leben. Bei Kriegsende waren in dem Barackenlager noch etwa 1500 Häftlinge. Außer einiger Grundmauern ist vom Konzentrationslager nichts mehr erhalten.

Am 8. Mai 1945 wurde das Lager in Richtung Wernstadt evakuiert. Als sie in einer Scheune übernachteten, flüchteten die Wachen am nächsten Morgen und die Häftlinge waren frei.[10]

Vertreibung, Sammelstelle Bearbeiten

Nach Kriegsende wurde die frühere Spinnerei Rabstein Nr. 59 bis 1946 als Sammelstelle für die vertriebenen Deutschen genutzt.

Trivia Bearbeiten

1833 trieb der Räuber Wenzel Babinsky sein Unwesen und ermordete im Wald zwischen Oberkamnitz und Hasel den Hirschfelder Webereifaktor Johann Gottfried Blumberg.

Partnerstädte Bearbeiten

  • Die Partnerstadt Bad Schandau im deutschen Freistaat Sachsen liegt etwa 22 km Luftlinie entfernt von Česká Kamenice.

Einwohnerentwicklung Bearbeiten

Bevölkerungsentwicklung von 1818 bis 1945
Jahr Einwohner Anmerkungen
1818 2 202 in 314 Häusern[11]
1830 2 312 in 338 Häusern[12]
1832 2 231 in 317 Häusern[13]
1857 3 188 am 31. Oktober[14]
1900 4 872 deutsche Einwohner[15]
1921 4 539 davon 4 295 (95 %) Deutsche[8]
1930 4 790 [16] nach anderen Angaben 4 538 Einwohner, davon 252 (6 %) Tschechen.[9][8]
1939 4 357 [16]
Einwohnerzahlen seit Ende des Zweiten Weltkriegs[17]
Jahr Einwohner Anmerkungen
1970 5 477
1980 5 585
1991 5 646
2001 5 492
2003 5 475

Kultur und Sehenswürdigkeiten Bearbeiten

 
Deckenmalerei in der Kuppel der Marienkapelle
 
Schloss Kamnitz
  • Das Schlosstor ist ein Reststück der ehemaligen Stadtmauer, die Česká Kamenice im Mittelalter umschloss. Die Kirche zum heiligen Jakob dem Älteren ist die älteste Stadtkirche, deren Grundmauern aus dem 14. Jahrhundert stammen. Gegenüber dieser Kirche befindet sich
  • Das Schloss, welches 1541 bis 1543 entstand und seitdem mehrfach verändert wurde. Die Marienkapelle, wahrscheinlich von Octavio Broggio, entstand 1736 bis 1739, das Salhausen-Schlösschen 1521 und das Rathaus 1491. Bis 1946 gehörte es dem Fürsten Kinsky.
  • Die Jehla (Nolde) ist ein Berg bei Česká Kamenice. In den Sandsteinfelsen an seinen Hängen wurden einige Kleinode geschaffen. Das bekannteste ist der Brüderaltar (Bratrský oltář).
  • Auf dem nahen Schlossberg befindet sich die Ruine der mittelalterlichen Burg Kamnitz mit einem neu erbauten Aussichtsturm
  • Bei Horní Kamenice (Oberkamnitz) befindet sich der Töpferstein (Hrnčíř), ein markanter Felsen, um den sich einige Sagen ranken.
  • Bei Líska (Hasel) befindet sich der Zlatý vrch (Goldberg), ein Basaltgipfel, dessen Säulenstruktur mit daraufliegendem Lavapfropf durch Steinbruchtätigkeiten freigelegt wurde und der heute unter Naturschutz steht.
  • Vier Kilometer nordöstlich von Česká Kamenice befindet sich der markante Berg Studenec (Kaltenberg). Seit seiner Renovierung im Jahre 2009 ist der auf dem Gipfel errichtete eiserne Aussichtsturm wieder begehbar.
  • Die 4,5 km lange, 1996 eröffnete Museumseisenbahn nach Kamenický Šenov (Steinschönau) gehörte ursprünglich der Gesellschaft der Böhmischen Nordbahn (BNB) und wurde 1886 eröffnet. Der Personenverkehr wurde 1979 beendet und seit 1992 war die Strecke komplett stillgelegt. (Siehe auch: Lokalbahn Böhmisch Leipa–Steinschönau)

Söhne und Töchter der Stadt Bearbeiten

Weblinks Bearbeiten

Commons: Česká Kamenice – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. http://www.uir.cz/obec/562394/Ceska-Kamenice
  2. Český statistický úřad – Die Einwohnerzahlen der tschechischen Gemeinden vom 1. Januar 2023 (PDF; 602 kB)
  3. http://www.uir.cz/casti-obce-obec/562394/Obec-Ceska-Kamenice
  4. http://www.uir.cz/zsj-obec/562394/Obec-Ceska-Kamenice
  5. http://www.uir.cz/katastralni-uzemi-obec/562394/Obec-Ceska-Kamenice
  6. a b Jaroslaus Schaller: Topographie des Königreichs Böhmen. Band 5: Leutmeritzer Kreis, Wien 1787, S. 211–212, Ziffer 1).
  7. Franz Aloys Mussik: Der Markt Schönlinde und dessen eingepfarrte Ortschaften. Nebst einem kurzen Abrisse der Herrschaften Böhmisch-Kamnitz, Hainspach, Schluckenau und Rumburg. Ein historisch-topographischer Versuch. Prag 1828, S. 117–139.
  8. a b c Ernst Pfohl: Ortslexikon Sudetenland.Helmut Preußler Verlag-Nürnberg.1987. Seite 39. ISBN 3-925362-47-9
  9. a b Rudolf Hemmerle: Sudetenland Lexikon Band 4, Seite 81. Adam Kraft Verlag, 1985. ISBN 3-8083-1163-0.
  10. Außenlager Rabstein (Rabštejn) Tarnname: »Zechstein«. (Memento des Originals vom 7. Juli 2016 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.gedenkstaette-flossenbuerg.de Webseite KZ-Gedenkstätte Flossenbürg. Abgerufen am 6. Juli 2016.
  11. Franz Aloys Mussik: Der Markt Schönlinde und dessen eingepfarrte Ortschaften. Nebst einem kurzen Abrisse der Herrschaften Böhmisch-Kamnitz, Hainspach, Schluckenau und Rumburg. Ein historisch-topographischer Versuch. Prag 1828, S. 136.
  12. Jahrbücher des böhmischen Museums für Natur- und Länderkunde, Geschichte, Kunst und Literatur. Band 2, Prag 1831, S. 197, Ziffer 9) unten.
  13. Johann Gottfried Sommer: Das Königreich Böhmen. Band 1: Leitmeritzer Kreis, Prag 1833, S. 255–256, Ziffer 1).
  14. Statistische Übersichten über die Bevölkerung und den Viehstand in Österreich. Wien 1859, S. 40, linke Spalte.
  15. Meyers Großes Konversations-Lexikon 6. Auflage, Band 3, Leipzig und Wien 1905, S. 162.
  16. a b Michael Rademacher: Landkreis Tetschen (tschech. Decín). Online-Material zur Dissertation, Osnabrück 2006. In: eirenicon.com.
  17. Tschechische Bevölkerungsstatistik, auf czso.cz