Atlasovit

Mineral aus der Gruppe der Sulfate

Atlasovit ist ein sehr selten vorkommendes Mineral aus der Mineralklasse der „Sulfate (einschließlich Selenate, Tellurate, Chromate, Molybdate und Wolframate)“ mit der chemischen Zusammensetzung Cu2+6Fe3+Bi3+O4(SO4)5·KCl[3] oder in der kristallchemischen Strukturformelschreibweise KCu6Fe3+[Cl|Bi3+O4|(SO4)5][5]. Atlasovit ist damit ein Kalium-Kupfer-Eisen-Sulfat mit zusätzlichen Chlor- und Bismutionen.

Atlasovit
Allgemeines und Klassifikation
IMA-Nummer

1986-029[1]

IMA-Symbol

Atv[2]

Chemische Formel
  • Cu2+6Fe3+Bi3+O4(SO4)5·KCl[3]
  • KCu2+6Fe3+Bi3+[O4|Cl|(SO4)5][4]
  • KCu6Fe3+[Cl|Bi3+O4|(SO4)5][5]
Mineralklasse
(und ggf. Abteilung)
Sulfate (Selenate, Tellurate, Chromate, Molybdate und Wolframate)
System-Nummer nach
Lapis-Systematik
(nach Strunz und Weiß)
Strunz (9. Aufl.)
Dana

VI/B.07-020

7.BC.20
30.01.17.02
Kristallographische Daten
Kristallsystem tetragonal
Kristallklasse; Symbol ditetragonal-dipyramidal; 4/m2/m2/m
Raumgruppe P4/ncc (Nr. 130)Vorlage:Raumgruppe/130
Gitterparameter a = 9,86 Å; c = 20,58 Å[5]
Formeleinheiten Z = 4[5]
Häufige Kristallflächen {001}, {110},{012}, {014}[6]
Physikalische Eigenschaften
Mohshärte 2 bis 2,5[6]
Dichte (g/cm3) gemessen: 4,20(5); berechnet: 4,12[6]
Spaltbarkeit vollkommen nach {001}[6]
Farbe dunkelbraun
Strichfarbe hellbraun
Transparenz durchsichtig
Glanz Glasglanz
Radioaktivität kaum nachweisbar[7]
Kristalloptik
Brechungsindizes nω = 1,783[8]
nε = 1,776[8]
Doppelbrechung δ = 0,007[8]
Optischer Charakter einachsig negativ
Pleochroismus Sichtbar:[8] ω = rotbraun; ε = hellgelb

Atlasovit kristallisiert im tetragonalen Kristallsystem und entwickelt tafelige Kristalle mit achteckigem Querschnitt bis etwa einem Millimeter Größe. Da das Mineral mit dem verwandten Nabokoit eine lückenlose, isomorphe Mischkristallreihe bildet, kommen beide typischerweise auch eng miteinander verwachsen vor.

Die durchsichtigen Atlasovitkristalle sind von dunkelbrauner Farbe und weisen auf den Oberflächen einen glasähnlichen Glanz auf. Die Strichfarbe des idiochromatischen (eigenfarbigen) Minerals ist hellbraun.

Etymologie und Geschichte Bearbeiten

 
Namensgeber Wladimir Atlassow

Benannt wurde das Mineral nach dem russischen Entdecker Wladimir Wassiljewitsch Atlassow, der als erster die Halbinsel Kamtschatka erforschte.

Entdeckt wurde Atlasovit zusammen mit Nabokoit in Mineralproben vom Vulkan Tolbatschik, genauer in den Sublimaten des zentralen Fumarolenfeldes auf der Südseite des zweiten Schlackenkegels. Nach der Anerkennung des Minerals 1986 durch die International Mineralogical Association (IMA) erfolgte die Publikation der Erstbeschreibung V. I. Popova, V. A. Popov, N. S. Rudashevskiy, S. F. Glavatskikh, V. O. Polyakov, A. F. Bushmakin im darauffolgenden Jahr.

Das Typmaterial des Minerals wird im Mineralogischen Museum der Russischen Akademie der Wissenschaften in Moskau mit unbekannter Sammlungs-Nr. aufbewahrt.[9]

Klassifikation Bearbeiten

Da der Atlasovit erst 1986 als eigenständiges Mineral anerkannt wurde, ist er in der seit 1977 veralteten 8. Auflage der Mineralsystematik nach Strunz noch nicht verzeichnet. Einzig im zuletzt 2018 überarbeiteten und aktualisierten Lapis-Mineralienverzeichnis nach Stefan Weiß, das sich aus Rücksicht auf private Sammler und institutionelle Sammlungen noch nach dieser klassischen Systematik von Karl Hugo Strunz richtet, erhielt das Mineral die System- und Mineral-Nr. VI/B.07-20. In der „Lapis-Systematik“ entspricht dies der Klasse der „Sulfate, Chromate, Molybdate und Wolframate“ und dort der Abteilung „Wasserfreie Sulfate, mit fremden Anionen“, wo Atlasovit zusammen mit Nabokoit eine eigenständige, aber unbenannte Gruppe bildet.[4]

Die seit 2001 gültige und von der International Mineralogical Association (IMA) bis 2009 aktualisierte[10] 9. Auflage der Strunz’schen Mineralsystematik ordnet den Atlasovit ebenfalls in die Abteilung der „Sulfate (Selenate usw.) mit zusätzlichen Anionen, ohne H2O“ ein. Diese ist allerdings weiter unterteilt nach der relativen Größe der beteiligten Kationen, so dass das Mineral entsprechend seiner Zusammensetzung in der Unterabteilung „Mit mittelgroßen und großen Kationen“ zu finden ist, wo es ebenfalls zusammen mit Nabokoit die „Nabokoitgruppe“ mit der System-Nr. 7.BC.20 bildet.

Auch die vorwiegend im englischen Sprachraum gebräuchliche Systematik der Minerale nach Dana ordnet den Atlasovit in die Klasse der „Sulfate, Chromate und Molybdate“ (einschließlich Selenate, Tellurate, Selenite, Tellurite und Sulfite) und dort in die Abteilung der „Wasserfreie Sulfate mit Hydroxyl oder Halogen“ ein. Hier ist er in der unbenannten Gruppe 30.01.17 innerhalb der Unterabteilung „Wasserfreie Sulfate mit Hydroxyl oder Halogen und (AB)m(XO4)pZq, mit m : p > 2 : 1“ zu finden.

Chemismus Bearbeiten

Durchschnittlich vier Elektronenstrahlmikroanalyseen in drei verschiedenen Laboren unter Verwendung unterschiedlicher Standards ergaben eine mittlere chemische Zusammensetzung von 30,48 % Cu, 0,82 % Zn, 2,04 % Pb, 1,03 % Te, 4,38 % Fe, 11,50 % Bi, 3,20 % K, 0,46 % V, 0,01 % Cs, 12,90 % S, 2,92 % Cl und 30,26 % O (alle Angaben in Gewichts-%).[11]

Auf der Basis von zusammen 25 O- und Cl-Ionen wurde die empirische Formel mit (Cu5,90Zn0,15)Σ=6,05(Fe0,97V0,11)Σ=1,08(Bi0,68Pb0,12Te0,10)Σ=0,90(SO4)4,95O4,19·K1,01Cl1,01, die zu Cu6Fe3+Bi3+O4(SO4)5·KCl idealisiert wurde.[11]

Kristallstruktur Bearbeiten

Atlasovit kristallisiert tetragonal in der Raumgruppe P4/ncc (Raumgruppen-Nr. 130)Vorlage:Raumgruppe/130 mit den Gitterparametern a = 9,86 Å und c = 20,58 Å sowie 4 Formeleinheiten pro Elementarzelle.[5]

Bildung und Fundorte Bearbeiten

Bisher konnte Atlasovit ausschließlich als Sublimationsprodukt an vulkanischen Fumarolen entdeckt werden. Als Begleitminerale können außer Nabokoit unter anderem noch Alarsit, Anglesit, Atacamit, Chalkocyanit, Chloroxiphit, Dolerophanit, Euchlorin, Fedotovit, Hämatit, Klyuchevskit, Lammerit, Langbeinit, Piypit und Tenorit auftreten.[6]

Die Mineralfunde während der großen Spalteneruption zwischen 1975 und 1976 und am zweiten Schlackenkegel des Vulkans Tolbatschik in Russland sind die bisher weltweit einzigen bekannten (Stand 2019).[12]

Siehe auch Bearbeiten

Literatur Bearbeiten

  • В. И. Попова, В. А. Попов, Н. С. Рудашевский, С. Ф. Главатских, В. О. Поляков, А. Ф. Бушмакин: Набокоит Cu7TeO4(SO4)5·KCl и Атласовит Cu6Fe3+Bi3+O4(SO4)5·KCl – Новьіе Минеральі Вулканических эксгаляций. In: Zapiski Vsesoyuznogo Mineralogicheskogo Obshchestva. Band 116, Nr. 3, 1987, S. 358–367 (russisch, rruff.info [PDF; 695 kB; abgerufen am 6. November 2019] mit englischer Kurzbeschreibung; englische Transliteration: V. I. Popova, V. A. Popov, N. S. Rudashevskiy, S. F. Glavatskikh, V. O. Polyakov, A. F. Bushmakin: Nabokoite Cu7TeO4(SO4)5·KCl and atlasovite Cu6Fe3+Bi3+O4(SO4)5·KCl. New minerals of volcanic exhalations.).
  • John Leslie Jambor, Kenneth W. Bladh, T. Scott Ercit, Joel D. Grice, Edward S. Grew: New mineral names. In: American Mineralogist. Band 73, 1988, S. 927–935 (englisch, rruff.info [PDF; 900 kB; abgerufen am 6. November 2019]).
  • Igor V. Pekov: Minerals first discovered on the territory of the former Soviet Union. 1. Auflage. Ocean Pictures, Moscow 1998, ISBN 5-900395-16-2, S. 30–31.

Weblinks Bearbeiten

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Malcolm Back, Cristian Biagioni, William D. Birch, Michel Blondieau, Hans-Peter Boja und andere: The New IMA List of Minerals – A Work in Progress – Updated: January 2023. (PDF; 3,7 MB) In: cnmnc.main.jp. IMA/CNMNC, Marco Pasero, Januar 2023, abgerufen am 26. Januar 2023 (englisch).
  2. Laurence N. Warr: IMA–CNMNC approved mineral symbols. In: Mineralogical Magazine. Band 85, 2021, S. 291–320, doi:10.1180/mgm.2021.43 (englisch, cambridge.org [PDF; 320 kB; abgerufen am 5. Januar 2023]).
  3. a b Malcolm Back, William D. Birch, Michel Blondieau und andere: The New IMA List of Minerals – A Work in Progress – Updated: September 2019. (PDF 2672 kB) In: cnmnc.main.jp. IMA/CNMNC, Marco Pasero, September 2019, abgerufen am 6. November 2019 (englisch).
  4. a b Stefan Weiß: Das große Lapis Mineralienverzeichnis. Alle Mineralien von A – Z und ihre Eigenschaften. Stand 03/2018. 7., vollkommen neu bearbeitete und ergänzte Auflage. Weise, München 2018, ISBN 978-3-921656-83-9.
  5. a b c d Hugo Strunz, Ernest H. Nickel: Strunz Mineralogical Tables. Chemical-structural Mineral Classification System. 9. Auflage. E. Schweizerbart’sche Verlagsbuchhandlung (Nägele u. Obermiller), Stuttgart 2001, ISBN 3-510-65188-X, S. 374 (englisch).
  6. a b c d e Atlasovite. In: John W. Anthony, Richard A. Bideaux, Kenneth W. Bladh, Monte C. Nichols (Hrsg.): Handbook of Mineralogy, Mineralogical Society of America. 2001 (englisch, handbookofmineralogy.org [PDF; 68 kB; abgerufen am 6. November 2019]).
  7. David Barthelmy: Atlasovit Mineral Data. In: webmineral.com. Abgerufen am 6. November 2019 (englisch).
  8. a b c d Atlasovit. In: mindat.org. Hudson Institute of Mineralogy, abgerufen am 6. November 2019 (englisch).
  9. Catalogue of Type Mineral Specimens – A. (PDF 85 kB) In: docs.wixstatic.com. Commission on Museums (IMA), 12. Dezember 2018, abgerufen am 6. November 2019.
  10. Ernest H. Nickel, Monte C. Nichols: IMA/CNMNC List of Minerals 2009. (PDF 1703 kB) In: cnmnc.main.jp. IMA/CNMNC, Januar 2009, abgerufen am 6. Oktober 2019 (englisch).
  11. a b John Leslie Jambor, Kenneth W. Bladh, T. Scott Ercit, Joel D. Grice, Edward S. Grew: New mineral names. In: American Mineralogist. Band 73, 1988, S. 927–935 (englisch, rruff.info [PDF; 900 kB; abgerufen am 6. November 2019]).
  12. Fundortliste für Atlasovit beim Mineralienatlas und bei Mindat, abgerufen am 6. November 2019.