Arminius Hasemann

deutscher Grafiker und Bildhauer (1888–1979)

Arminius Hasemann (* 6. September 1888 in Berlin; † im Jahr 1979 vor dem 20. August ebenda) war ein deutscher Bildhauer und Graphiker.

Der Bär, Portal des ehemaligen Busbetriebshofs der Allgemeinen Berliner Omnibus AG (ABOAG), heute Arena Berlin, Berlin-Treptow, Sandstein und Kunststein
Mutter-Kind-Brunnen, Wohnanlage Geisenheimer/ Laubacher/Rauenthaler Straße, Muschelkalk
Figürliche Reliefs am Busbetriebshof der ABOAG, Klinker
Affengruppe entstanden nach 1922, 1979 dem Berliner Zoo geschenkt, Sandstein
Sitzende Negerin, Muschelkalk, Leuchtenburgstraße (Zustand 2018)
Stehender Faun, Muschelkalk

Leben Bearbeiten

Arminius Hasemann, Sohn eines Berliner Messinstrumentenbauers, wuchs teils in der Gegend um die Berliner Nikolaikirche, teils im ländlichen Zehlendorf auf und erwarb in einem Internat bei Filehne in der Provinz Posen das Einjährige. Danach belegte er von 1906 bis 1908 an der Unterrichtsanstalt des Kunstgewerbemuseums Berlin die Fächer Stein- und Holzbildhauerei. Danach studierte er ein Jahr bei Hermann Volz an der Großherzoglich Badische Kunstschule in Karlsruhe und von 1910 bis 1912 an Hochschule der bildenden Künste in Charlottenburg bei Gerhard Janesch (1860–1933). Das Studium der Bildhauerei und Graphik begleiteten Aufenthalte bei seinem Onkel, dem Maler Wilhelm Hasemann in Gutach, in Florenz und Carrara. Die jährliche Ausstellung der Berliner Secession zeigte 1912 zwei Marmorköpfe Hasemanns, Condottiere und Narr.

Die folgenden zwei Jahre verlebte Hasemann auf Reisen. Als Wandermusikant bereiste er mit zwei Violinisten die Schweiz und fuhr über Genua nach Ceuta. Eine Fußwanderung von Gibraltar durch Südspanien endete in Barcelona.[1] Erste künstlerische Erfolge erlaubten weitere Reisen. Der Ausbruch des Ersten Weltkriegs überraschte Hasemann in Paris. Er kehrte nach Deutschland zurück und nahm am Krieg als Frontsoldat teil. Während des Krieges erschien der Ertrag der Reisen unter dem Titel Himmel und Hölle auf der Landstraße mit 42 Holzschnitten. Das Werk erreichte bis 1922 vier Auflagen und machte Hasemann berühmt.

„Ein eminent ausdrucksvoller mit höchst prägnanten Mitteln arbeitender, echt holzschnittmäßiger Stil einigt sich … mit quellender Phantasie der Erfindung und der scharfen Beobachtung eines genialen Bohémientums und zu z. T. ganz rein abgeklärten künstlerischen Wirkungen.“

Allgemeines Lexikon der Bildenden Künstler von der Antike bis zur Gegenwart.[2]

Eine der 1920 erschienenen Mappen Der Zirkus mit 20 originalen Holzschnitten liegt heute in den Fine Arts Museums of San Francisco. Nach dem Krieg interessierten Hasemann neben der Graphik plastische Arbeiten im öffentlichen Raum.[3] Hasemann entwickelte seinen Stil aus einer Synthese von Expressionismus und Art déco. Beispielhaft sind der Mutter- und Kind-Brunnen in der Künstlerkolonie Berlin und die in Zusammenarbeit mit dem Architekten Franz Ahrens entstandenen Bildhauerarbeiten für den Busbetriebshof der ABOAG in Berlin-Treptow, seit 1995 Arena Berlin. Befreundet war Hasemann mit dem Berliner Bauunternehmer Adolf Sommerfeld, dessen Vater er Anfang der 1920er Jahre in einer Bronzebüste porträtiert hatte, und für dessen Firma er 1930 das Logo entwarf.[4] Hasemanns künstlerische Originalität ließ ab etwa 1930 nach.

Zum 1. Dezember 1932 trat Hasemann der NSDAP bei (Mitgliedsnummer 1.398.488).[5] Nach der Machtergreifung Hitlers „organisierte“ er als Kulturwart, einer Parteifunktion auf unterster Ebene, angetan mit Dienstmütze und Waffe, im Bereich der NSDAP-Ortsgruppe Zehlendorf die Künstlerschaft, wo er im Hause seines Vaters lebte und arbeitete. Öffentliche Aufträge erhielt Hasemann in der Zeit des Nationalsozialismus jedoch kaum. Obwohl er seine expressionistischen Werke bei Bewerbungen verschwieg, gelang es ihm nicht, seinen jetzt verfemten Stil zu verleugnen und er verarmte. 1943 war er mit einer Porträt-Büste des Komponisten Herms Niel auf der Großen Deutschen Kunstausstellung in München vertreten.[6]

Von Hasemanns wenigen Werken aus der NS-Zeit ist keines erhalten, entweder infolge von Kriegseinwirkungen oder weil seine Bronzebildwerke anlässlich der Metallspende des deutschen Volkes ab 1940 eingeschmolzen wurden.

Gegen Ende des Zweiten Weltkriegs eingezogen, geriet Hasemann bei Berlin in sowjetische Kriegsgefangenschaft. Aus dieser heraus gelangte er 1946 in eine führende Stelle im Baustab zur Errichtung des sowjetischen Ehrenmals im Treptower Park. Nach dessen Fertigstellung im Mai 1949 beschäftigte ihn Richard Paulick ab 1950 beim Wiederaufbau der Deutschen Staatsoper Unter den Linden in Ost-Berlin. Die Statuen auf der Attika des Gebäudes entwarf Hasemann. Der aus britischem Exil nach Deutschland zurückgekehrte Adolf Sommerfeld ließ sich Anfang der 1950er Jahre von ihm in einer Bronzebüste porträtieren.[7]

In West-Berlin, wo sich nach der Spaltung Berlins im Jahr 1948 sein Wohn- und Atelierhaus befand, verschwieg Hasemann gegenüber öffentlichen Auftraggebern in Lebensläufen die Jahre von 1933 bis 1945 und auch sein Wirken für die Sowjetarmee. Als 1965 die Gewerkschaft ÖTV eine Gedenktafel am Sterbehaus des SPD-Vorsitzenden und Reichspräsidenten Friedrich Ebert in der Joachimsthaler Straße in Berlin wünschte, verschaffte sich Hasemann den Auftrag, den von ihm einstmals so geschmähten Politiker mit einem Spätwerk zu ehren. Die Tafel ziert heute das Archivgebäude der Friedrich-Ebert-Stiftung in Bonn.[8]

Im Alter wurde Hasemann, der von einer DDR-Rente lebte, zum Sonderling. Kurz vor seinem Tod im Jahr 1979 vermachte er dem Berliner Zoologischen Garten die Sandsteinskulptur Affengruppe, die vor dem Tropenhaus aufgestellt wurde. Wenig später starb Hasemanns Frau. Nach und nach plünderten Einbrecher das zur Ruine gewordene Haus, etwa um die Mitte der 1980er Jahre wurde es abgerissen und das Grundstück geräumt. Das Bezirksamt Zehlendorf stellte auf Initiative von ehemaligen Nachbarn und Freunden Hasemanns zwei dabei aufgefundene Freiplastiken, die Hasemann mit den Arbeitstiteln Faun und Negerin versehen hatte, auf dem gegenüberliegenden Grünstreifen vor dem Grundstück Leuchtenburgstraße 18 auf, und lagerte zahlreiche, auch großformatige, Gipsmodelle Hasemanns ein.

Nachleben Bearbeiten

2007 zeigte die Kunsthalle Recklinghausen in der Ausstellung Zum Sterben schön! Der Tod in der Kunst des 20. Jahrhunderts Werke Hasemanns zusammen mit solchen von Joseph Beuys, Käthe Kollwitz und Andy Warhol.[9] Hasemanns Grab auf dem Friedhof Zehlendorf war inzwischen eingeebnet.

Im Mai 2019 beantragte die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in der Bezirksverordnetenversammlung (BV) von Steglitz-Zehlendorf die Entfernung der Plastik Hockende Negerin und schlug vor, sie dem Ethnologischen Museum zu übergeben.[10] Ihr kulturpolitischer Sprecher Carsten Berger begründete das Vorhaben: Die schwarze Frau sei „nackt, affenartig und einfältig“ dargestellt und „stark geeignet, rassistische Stereotypen zu transportieren“. Berger erinnerte an Hasemanns Tätigkeit als Kulturwart der NSDAP ab „1932“ und sagte, dass dieser „nach dem Krieg Anklang und bezahlte Beschäftigung beim SED-Regime fand“. Daher „rechtfertige“ weder „die Skulptur noch die künstlerische Vita Hasemanns ihre Ausstellung und Würdigung“.[11] Dem widersprach die Kunsthistorikerin Susanne Kähler. Die Skulptur aus den 1920er Jahren stelle in der Auffassung des Art déco „in realistischer Art und Weise [eine] ältere, muskulöse aber gleichzeitig ausgemergelte schwarze Frau“ dar, bekleidet mit einem über den Schultern hängenden Überwurf, deren Blick „stolz erhoben“ sei. Hasemann habe die Afrikanerin „in sehr eigenwilliger Form wiedergegeben“, wobei Kähler auf die „für die Kunst der 1920er Jahre nicht untypische, aus heutiger Sicht rassistische, Tendenz“ hinwies. Die Skulptur sei „in ihren bildhauerischen Qualitäten als außergewöhnlich zu bezeichnen“.[12] Die BV folgte im Mai 2020 dem Antrag der Grünen.[13]

Bevor der Antrag verwirklicht werden konnte, schlugen im Juni 2020 in der Leuchtenburgstraße unbekannte Täter der Figur, nach Zeugenaussage mit einem Baseballschläger,[14] den Kopf ab und beschmierten sie mit Farbe. Der abgeschlagene und von der alarmierten Polizei nicht gesicherte Kopf ist seither verschwunden. Zur daraufhin von der Kuratorin der Dauerausstellung „Enthüllt“ in der Spandauer Zitadelle angekündigten Präsentation der beschädigten Figur kam es nicht.[15]

Werke Bearbeiten

Holzschnittbände und -mappen Bearbeiten

  • Himmel und Hölle auf der Landstraße. Mit 41 (24 ganzseitigen) Original-Holzschnitten. Behr, Berlin / Leipzig 1915. 28 × 21 cm. Illustrierter Original-Pappband. VIII, 118 Seiten
  • Der Zirkus. 20 Holzschnitte. Mit Geleitwort von Karl August Meißinger. Behr und Feddersen, Berlin / Leipzig 1920
  • Eros Thanatos, ein Totentanz. 12 Holzschnitte. R. Seitz, Berlin 1921.
  • Don Quijote von der Mancha. 20 Holzschnitte. Berlin 1922.

Holzschnitte aus den Jahren 1912–1914 Bearbeiten

  • Zigeunermädchen
  • Abschied von den Frauen
  • Der Karrner
  • Die Philosophen der Landstraße
  • Tippelbruders Abschied
  • Der Tod auf der Landstraße
  • Kokotten am Kai von Luzern
  • Sturm im Mittelländischen Meer
  • Araber, Spanier und Jude in Melilla
  • Am wüsten Strande von Andalusien
  • Fonda bei Sonnenuntergang
  • Eselsritt durch Kaktushecken

Berliner Kunstwerke im Öffentlichen Raum Bearbeiten

  • 1922: Affengruppe in Berlin-Tiergarten, Zoogelände, Skulptur aus Sandstein
  • 1927/1938: Acht Klinkerfiguren, darunter Schaffner und Schaffnerin in Berlin-Treptow
  • 1927/1938: Bär in Berlin-Treptow, Torplastik aus Muschelkalkstein und Kunststein[16]
  • Um 1927: Brunnen und Portalfigur am Gemeindehaus der Kirche Zur Heimat in Berlin-Zehlendorf[17]
  • Um 1928: Mutter- und Kindbrunnen in Berlin-Wilmersdorf, Rauenthaler Straße, Skulptur aus Muschelkalkstein
  • Statuen auf der Deutschen Staatsoper in Berlin-Mitte
  • Sitzender Pan im Heinrich-Lassen-Park in Berlin-Schöneberg[18]
  • Aufgestellt um 1985 gegenüber seinem ehemaligen Haus in der Leuchtenburgstraße, Zehlendorf, die Muschelkalkfiguren: Hockende Negerin und Stehender Faun[19]

Sonstige Bearbeiten

  • um 1930: Vertrauen, Berlin, Skulpturengruppe aus Teak, geölt, 4 Stück
  • 1965: Gedenktafel für Friedrich Ebert, Bronze, Bonn, Friedrich-Ebert-Stiftung

Literatur Bearbeiten

Weblinks Bearbeiten

Commons: Arminius Hasemann – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Archiv zur Geschichte des Individuellen Reisens – AGIR enthält eine Darstellung der Wanderungen Hasemanns, zu ermitteln mit der Suchfunktion
  2. Hasemann, Arminius. In: Hans Vollmer (Hrsg.): Allgemeines Lexikon der Bildenden Künstler von der Antike bis zur Gegenwart. Begründet von Ulrich Thieme und Felix Becker. Band 16: Hansen–Heubach. E. A. Seemann, Leipzig 1923, S. 100–101 (biblos.pk.edu.pl).
  3. eArt.de (Memento des Originals vom 6. Januar 2007 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.eart.de enthält eine Biografie Hasemanns bis etwa 1925.
  4. Celina Kress: Zwischen Bauhaus und Bürgerhaus. Die Projekte des Berliner Bauunternehmers Adolf Sommerfeld. Zur Kontinuität suburbaner Stadtproduktion und rationellen Bauens in Deutschland 1910–1970 (Diss. TU-Berlin, 2008, S. 51 f., Fußnote 179, depositonce.tu-berlin.de PDF).
  5. Bundesarchiv R 9361-IX KARTEI/12751093
  6. Professor Herms Niel — Die Großen Deutsche Kunstausstellungen 1937 – 1944/45. Abgerufen am 30. April 2023.
  7. Celina Kress: Zwischen Bauhaus und Bürgerhaus. Die Projekte des Berliner Bauunternehmers Adolf Sommerfeld. (Diss. TU-Berlin, 2008, S. 51 f., Fußnote 179, depositonce.tu-berlin.de PDF).
  8. Gedenktafel für Friedrich Ebert, Information des Bezirksamts Charlottenburg-Wilmersdorf mit Abbildung, abgefragt am 11. Januar 2018.
  9. Hans-Jürgen Schwalm, Ullrich, Ferdinand (Hrsg.): Zum Sterben schön? Der Tod in der Kunst des 20. Jahrhunderts. Begleitbuch zur Ausstellung in der Kunsthalle Recklinghausen vom 11. Februar bis 15. April 2007. Goch B.o.s.s. Druck und Medien, Recklinghausen 2007, ISBN 978-3-939753-10-0.
  10. Diese Nazi-Kunst soll endlich weg von der Straße. Meldung in der BZ vom 14. Juni 2019 (bz-berlin.de).
  11. Antrag der Fraktion Grüne-Fraktion vom 8. Mai 2019 (berlin.de@1@2Vorlage:Toter Link/www.berlin.de (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im Oktober 2022. Suche in Webarchiven)  Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. PDF).
  12. Susanne Kähler: Hockende Negerin. Beitrag mit Abbildung auf der Website Bildhauerei in Berlin (BiB), abgefragt am 20. April 2020.
  13. Beschluss der BV vom 22. Januar 2020, (berlin.de@1@2Vorlage:Toter Link/www.berlin.de (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im Oktober 2022. Suche in Webarchiven)  Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. PDF).
  14. Kopf von „Negerin“-Skulptur in Zehlendorf abgeschlagen. Berliner Morgenpost vom 18. Juni 2020.
  15. Geköpfte Skulptur soll nicht auf der Zitadelle Spandau. Meldung der Berliner Morgenpost vom 26. August 2020.
  16. Bär. Information auf der Website BiB, abgefragt am 20. Juni 2020.
  17. Brunnen und Portalfigur am Gemeindehaus der Ev. Kirche „zur Heimat“. Information auf der Website BiB, abgefragt am 20. Juni 2020.
  18. Sitzender Pan. Information auf der Website BiB, abgefragt am 20. Juni 2020
  19. Stehender Faun. Information auf der Website BiB, abgefragt am 20. April 2020