Apateon ist eine artenreiche Gattung der Temnospondylen, die im Oberkarbon und Unterperm von Mitteleuropa gefunden wird.[1] In vielen unterpermischen Fundstellen sind diese Branchiosauriden die häufigsten Wirbeltiere.[2]

Apateon

Fossilien von Apateon pedestris, im Senckenberg Naturmuseum in Frankfurt am Main

Zeitliches Auftreten
Gzhelium bis Sakmarium (Oberkarbon bis Unterperm)
303,7 bis 290,1 Mio. Jahre
Fundorte
  • Rheinland-Pfalz (Münsterappel, Odernheim, Rehborn, Jeckenbach, Heimkirchen)
  • Saarland (Niederkirchen, St. Wendel)
  • Thüringen (Friedrichroda, Tabarz, Winterstein)
  • Sachsen (Niederhäslich, Clennen)
  • Tschechische Republik (Olivětín)
  • Frankreich (Dracy St. Loup)
Systematik
Landwirbeltiere (Tetrapoda)
Temnospondyli
Dissorophoidea
Branchiosauridae
Apateon
Wissenschaftlicher Name
Apateon
Meyer, 1844
Arten
  • Apateon pedestris
  • Apateon caducus
  • Apateon dracyi
  • Apateon flagrifer
  • Apateon gracilis
  • Apateon kontheri
  • Apateon umbrosus

Beschreibung Bearbeiten

Apateon war ein 5–12 cm langer, molchähnlicher Temnospondyle mit einem schwach verknöcherten Skelett und breitem, kurzem Schädel. Trotz der Ähnlichkeit zu heutigen Salamandern war der Schädel geschlossen. Allerdings waren die Augenöffnungen riesig, und die sie umrandenden Knochen stark reduziert (Präfrontale, Postfrontale, Postorbitale, Jugale). Auf der Gaumenseite befanden sich große Öffnungen, die Zähne waren klein und stiftförmig. In der Wirbelsäule waren meist nur die Neuralbögen verknöchert, und die Hand- und Fußwurzel blieben knorpelig. Aus erhaltenen Hautschatten weiß man, dass der Schwanz seitlich abgeflacht und sehr lang war. Der Körper war rundum mit rundlichen Knochenschüppchen bedeckt.[3]

Fossilerhaltung Bearbeiten

In feinkörnigen Fundschichten blieben bei Apateon häufig Reste der äußeren Kiemen erhalten, die meist wie bei Salamanderlarven büschelförmig gebaut waren.[4] Auch Hautschatten sind häufig erhalten, mitunter sogar mit Farbmustern.[5]

Lebensweise Bearbeiten

Die meisten Branchiosauriden lebten zeitlebens in stehenden oder fließenden Gewässern, wo sie mit ihren differenzierten Kiemendentikeln Kleinstlebewesen filterten.[6] Histologische Befunde zeigen, dass manche Arten von Apateon im larvalen Zustand geschlechtsreif wurden (Neotenie).[7] Dies war seit langem aufgrund ihrer zahlreichen larvalen Merkmale vermutet worden.[8] Umgewandelte Exemplare wurden bisher nur von einer einzigen Art beschrieben, Apateon gracilis aus Niederhäslich.[9] Aus diesem Befund ließ sich die Metamorphose dieser fast 300 Mio. Jahre alten Temnospondylen rekonstruieren.[10]

Historisches Bearbeiten

Hermann von Meyer benannte 1844 ein winziges, unscheinbares Skelett als Apateon pedestris (griech. „Betrüger mit Beinen“) – zu dieser Zeit waren Landwirbeltiere aus solch alten Schichten noch nicht bekannt. Antonin Fritsch und Hermann Credner berichteten dann erst in den 1880er Jahren über massenhafte Funde von Branchiosauriden aus Nýřany (Böhmen) und Niederhäslich (Sachsen). Branchiosauriden wurden lange Zeit als Larven größerer Temnospondylen gedeutet, wie z. B. Sclerocephalus, Onchiodon oder Eryops.[11] Erst Jürgen Boy (Universität Mainz) gelang der Nachweis, dass es sich um eine eigene Gruppe larval aussehender Temnospondylen handelt, die näher mit Dissorophoiden als Eryopiformes verwandt waren.[12]

Literatur Bearbeiten

  • Hermann von Meyer, 1844: Briefliche Mittheilung an Prof. Bronn gerichtet. Neues Jahrbuch für Geognosie, Geologie und Petrefakten-Kunde 1844: 329-340.
  • Hermann von Meyer, 1848: Apateon pedestris aus der Steinkohlenformation von Münsterappel. – Palaeontographica 1: 153-154.
  • Jürgen Boy, 1972: Die Branchiosaurier (Amphibia) des saarpfalzischen Rotliegenden (Perm, SW-Deutschland). Abhandlungen des hessischen Landes-Amtes für Bodenforschung 65: 1-137.
  • Jürgen Boy, 1987: Studien uber die Branchiosauridae (Amphibia: Temnospondyli; Ober-Karbon-Unter-Perm) 2. Systematische Übersicht. Neues Jahrbuch für Geologie und Palaontologie Abhandlungen 174: 75-104.
  • Rainer Schoch, 1992: Comparative ontogeny of Early Permian branchiosaurid amphibians from Southwestern Germany. Developmental stages. Palaeontographica A 222: 43-83.
  • Ralf Werneburg, 1991: Die Branchiosaurier aus dem Unterrotliegend des Döhlener Beckens bei Dresden. Veröffentlichungen des Naturhistorischen Museums Schleusingen 6: 75-99.
  • Rainer Schoch und Andrew Milner, 2014: Temnospondyli. In: Sues, H.D. (Hrsg.): Encyclopedia of Paleoherpetology, Band 3A2. Pfeil: München.

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Schoch, R.R. & Milner, A.R. (2008): The intrarelationships and evolutionary history of the temnospondyl family Branchiosauridae. Journal of Systematic Palaeontology, 6: 409-431.
  2. Werneburg, R. (2002): Apateon dracyiensis – eine frühe Pionierform der Branchiosaurier aus dem europäischen Rotliegend. Teil 2: Paläoökologie. – Veröffentlichungen des Naturhistorischen Museums Schleusingen 17: 17-32.
  3. Boy, J.A. (1972): Die Branchiosaurier (Amphibia) des saarpfalzischen Rotliegenden (Perm, SW-Deutschland). Abhandlungen des hessischen Landesamtes für Bodenforschung 65: 1-137.
  4. Witzmann, F. (2004): The external gills of Palaeozoic amphibians. Neues Jahrbuch für Geologie und Apaläontologie Abhandlungen 232: 375–401
  5. Werneburg, R. (2007): Timeless design: colored pattern of skin in Early Permian branchiosaurid (Temnospondyli: Dissorophoidea). Journal of Vertebrate Paleontology 27: 1047-1050.
  6. Boy, J.A. (1987): Studien uber die Branchiosauridae (Amphibia: Temnospondyli; Ober-Karbon-Unter-Perm) 2. Systematische Übersicht. Neues Jahrbuch für Geologie und Palaontologie Abhandlungen 174: 75-104.
  7. Sanchez, S., A. de Ricqles, R. R. Schoch & J. S. Steyer (2010): Developmental plasticity of limb bone microstructural organization in Apateon: histological evidence of paedomorphic conditions in branchiosaurs. Evolution and Development 12: 315-328.
  8. Boy, J.A. (1971): Zur Problematik der Branchiosaurier (Amphibia, Karbon-Perm). Paläontologische Zeitschrift 45: 107-119.
  9. Werneburg, R. (1991): Die Branchiosaurier aus dem Unterrotliegend des Döhlener Beckens bei Dresden. Veröffentlichungen des Naturhistorischen Museums Schleusingen 6: 75-99.
  10. Schoch, R. R. & N. B. Fröbisch (2006): Metamorphosis and neoteny: alternative developmental pathways in an extinct amhibian clade. Evolution 60: 1467-1475.
  11. Romer, A.S. (1939): Notes on branchiosaurs. American Journal of Science 237: 748-761.
  12. Boy, J.A. (1972): Die Branchiosaurier (Amphibia) des saarpfälzischen Rotliegenden (Perm, SW-Deutschland). Abhandlungen des hessischen Landes-Amtes für Bodenforschung 65: 1-137.