Anna Braun-Sittarz

deutsche Politikerin, Widerstandskämpferin und Gewerkschaftsgründerin

Anna Braun-Sittarz (* 4. April 1892 als Anna Delhey in Aachen; † 24. April 1945 ebenda) war eine deutsche Politikerin der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) und Widerstandskämpferin sowie Mitbegründerin des Freien Deutschen Gewerkschaftsbunds (FDGB) in Aachen.

Anna Braun-Sittarz geb. Delhey

Leben und Wirken Bearbeiten

 
Anna-Sittarz-Platz (2019) mit dem „Milchbüdchen“

Braun-Sittarz wuchs in Aachen auf und arbeitete nach ihrer Schulzeit als Weberin in der Tuchfabrik Delius. Schon früh engagierte sie sich dabei für die Belange der Belegschaft und wurde zur Betriebsrätin bei Delius gewählt. Darüber hinaus trat sie der Kommunistischen Partei Deutschlands bei, für die sie von 1924 bis 1929 im Stadtrat saß. Da sie in dieser Zeit häufig die Beschlussvorlagen der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands unterstützte, wurde sie 1929 aus der KPD ausgeschlossen und zog sich daraufhin aus der aktiven Kommunalpolitik zurück.

Anschließend pachtete sie eine Stellfläche auf dem Platz zwischen Königstraße, Mauerstraße und Karlsgraben, auf der sie mit Genehmigung der Stadt einen Kiosk auf eigene Kosten errichten ließ, den sie am 1. Dezember 1929 als „Milchbüdchen“ eröffnete. Dieser Kiosk wurde in der Zeit des Nationalsozialismus zu einem illegalen Treffpunkt für Regimegegner und zum Umschlagplatz für Zeitungen, Bücher oder Flugblätter des Widerstands, die mit Hilfe von Kurieren vor allem in den Nachbarstaaten Belgien und Niederlande aber auch im Kölner Raum und dem Ruhrgebiet verteilt wurden. Daraufhin kam es zunächst 1933 zu einer ersten Verhaftung von Braun-Sittarz und 1937 zusammen mit 20 weiteren Personen zu einem Gerichtsverfahren, bei dem sie zu 27 Monaten Gefängnis wegen Hochverrats verurteilt wurde. Anschließend stand sie zwar fortlaufend unter Beobachtung der Gestapo, dennoch setzte sie sich weiterhin für Verfolgte ein.

In den letzten Monaten des Zweiten Weltkrieges, in denen ein Großteil der Stadtbewohner evakuiert wurde, blieb Braun-Sittarz auf eigene Verantwortung in Aachen. Nach der Befreiung Aachens durch amerikanische Truppen im Oktober 1944 stand sie in ständigem Kontakt zu dem neuen Ortskommandanten Major John P. Bradford, um mit ihm die Gründung einer neuen Gewerkschaft auszuloten.

Zusammen mit einer Gruppe ehemaliger Gewerkschafter und Sozialdemokraten, darunter Mathias Wilms, Heinrich Hollands, Klaus Haaß, Nikolas Kreitz, die bereits im Deutschen Textilarbeiterverband und im Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbund (ADGB) bis zu deren beider Zerschlagungen im Jahr 1933 dort Erfahrungen hatten sammeln können, sowie Peter Spiegelmacher und Jean van Wersch, traf sie sich ab dem 1. März 1945 mit dem Kommandanten zu diesbezüglichen Verhandlungen, die am 14. März mit Genehmigung seitens der Kommandantur abgeschlossen werden konnten. Schließlich wurde am 18. März 1945 der „Freie Deutsche Gewerkschaftsbund Aachen“ (FGDB) mit 83 Mitgliedern als erste demokratische Gewerkschaft der Nachkriegszeit gegründet.[1] Im Rahmen dieser Gründungsversammlung wurde Braun-Sittarz zwar zusammen mit Mathias Wilms, Toni Valder, Nikolaus Kreitz und Peter Spiegelmacher in den neuen Vorstand gewählt, doch bei der Wahl des Geschäftsführers unterlag sie dem Genossen Wilms. Ihr weiteres Engagement in der Gewerkschaftsbewegung kam wenige Wochen später abrupt zum Erliegen, da sie am 24. April 1945 infolge eines tragischen Autounfalls bei Aachen ihr Leben verloren hatte.

Ehrungen Bearbeiten

 
Gedenktafel

Für ihre Verdienste im Widerstand und für ihren Einsatz für die Arbeitnehmerschaft wurde Braun-Sittarz im Jahr 1995 mit der Namensgebung des Platzes geehrt, auf dem bis zum heutigen Tage „ihr“ Milchbüdchen steht. Des Weiteren wurde ein Raum im Aachener DGB-Haus nach ihr benannt.

Darüber hinaus wurde im Jahr 2002 im Rahmen der Initiative Wege gegen das Vergessen in Erinnerung an ihr Wirken im Widerstand eine Gedenktafel an ihrem Kiosk angebracht. Deren Inschrift lautet:

„Die ehemalige kommunistische Stadträtin Anna Braun-Sittarz betrieb hier einen Milchkiosk. Dieser diente ab 1933 als Anlaufstelle für den Widerstand gegen die nationalsozialistischen Machthaber. Verhaftung, Verurteilung zu Zuchthaus und ständige Überwachung durch die Gestapo konnten die Widerstandskraft dieser Frau nicht brechen. Nach dem Ende der Nazidiktatur in Aachen gründete sie gemeinsam mit anderen am 18. März 1945 die Freie Deutsche Gewerkschaftsbewegung, die von Aachen ihren Ausgang nahm.“

Literatur Bearbeiten

  • Ulrich Borsdorf: „Ein großer Tag für die deutschen Arbeiter“. Die Gründung des „Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes Aachen“ am 18. März 1945. In: Deutscher Gewerkschaftsbund (Hrsg.): Gewerkschaftliche Monatshefte, Bd. 36 (1985), Nr. 4 (pdf).
  • Siegfried Mielke: Anna Braun-Sittarz (1892–1945). In: ders. (Hrsg.): Gewerkschafterinnen im NS-Staat, biografisches Handbuch, Bd. 2, Metropol-Verlag, Berlin 2022 (Gewerkschafter im Nationalsozialismus; 10), ISBN 978-3-86331-633-4, S. 65–72.

Weblinks Bearbeiten

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. 18. März 1945: Gründung des FDGB Aachen, in KAZ-Kommunistische Arbeiterzeitung Nr. 311