Eine Ammoniak-Brennstoffzelle, genauer und spezieller die Ammoniak-Sauerstoff-Brennstoffzelle, setzt Ammoniak und Sauerstoff bzw. Luft zu Wasser und Stickstoff um. Wie alle Brennstoffzellen gewinnt sie dabei elektrische Energie aus der chemischen Energie der eingesetzten Stoffe (durch „kalte Verbrennung“). Die theoretische Spannung (reversible Zellspannung) einer einzelnen Ammoniak-Sauerstoff-Brennstoffzelle beträgt 1,17 V.[1]

Funktionsweise Bearbeiten

Für das Projekt Ship FC wird eine Brennstoffzelle entwickelt. Darin wird zunächst NH3 in einen Spaltreaktor befördert. Dort wird es in die Komponenten Stickstoff (N2) und 75 % Wasserstoff (H2) zerlegt. Ein geringer Rückstand von NH3 verbleibt dabei im Gasgemisch. Daraufhin leitet das System Stickstoff und Wasserstoff in die Brennstoffzelle. Luft wird beigemengt und die Zelle oxidiert den Wasserstoff zu Wasser. Dabei wird elektrische Energie frei. Die Brennstoffzelle setzt den Wasserstoff nicht vollständig um. Fast zwölf Prozent H2 sowie ein kleiner Teil Ammoniak verlassen die Brennstoffzelle unverbrannt. Im letzten Schritt zerlegt der Reaktor des Fraunhofer IMM die Produkte bei circa 500 °C und unter Luftzufuhr und Einwirkung eines Katalysators, aus pulverbeschichteter, gewellter Metallfolie mit Platin[2], die Rückstände endgültig in Wasser und Stickstoff.[3][4]

Vor- und Nachteile Bearbeiten

Für Ammoniak als Energieträger spricht, dass es als großtechnisch erzeugte Grundchemikalie preiswert und in großen Mengen verfügbar ist. Die Energiedichte von Ammoniak beträgt 5,4 kWh/kg (19,4 MJ/kg, hier und im Folgenden ist – wie üblich – der zur Verbrennung benötigte Sauerstoff nicht mit eingerechnet).[5] Das ist zwar nur etwa halb so groß wie die von Benzin (12,1 kWh/kg), Diesel (11,8 kWh/kg) oder Methan (13,95 kWh/kg), entspricht aber der von Methanol (5,6 kWh/kg) und liegt damit weit oberhalb der Energiedichte von Batterien oder Akkus.[5] Sie ist außerdem höher als die von Wasserstoff in Drucktanks,[6] und auch höher als die von Wasserstoff in Metallhydriden.[7] Verflüssigter Ammoniak hat eine dem Benzin vergleichbare Energiedichte.[8] Abgesehen von der Wasserstoff-Sauerstoff-Brennstoffzelle nutzen fast alle anderen Brennstoffzellen, z. B. die Direktmethanolbrennstoffzelle und die Direktethanolbrennstoffzelle, kohlenstoffhaltige Brennstoffe. Im Gegensatz dazu kann bei der Umsetzung von Ammoniak kein Kohlenstoffdioxid entstehen, und die Produkte Stickstoff und Wasser sind umweltfreundlich. Damit ist Ammoniak ein idealer Energieträger,[7] vor allem wenn er mittels Power-to-Ammonia-Verfahren mit Hilfe erneuerbarer Energiequellen oder mit biologischen Abbauprozessen[9] gewonnen wird. Ammoniak-Brennstoffzellen könnten einen Beitrag zu einer kohlenstofffreien und damit klimafreundlichen Energiewirtschaft leisten. Sie sind aber im Stadium der Forschung und Entwicklung und noch weit von der Anwendung entfernt.[6][7][8] Auch der schwerwiegende Nachteil der Giftigkeit des Ammoniaks stellt eine Hürde bei der Markteinführung dar. Die niedrige Geruchsschwelle des Ammoniaks trägt aber dazu bei, dass Unfälle mit Personenschäden beim Umgang damit eher selten sind.[9] Ein weiteres Problem von Ammoniak ist seine korrosive Wirkung.[5]

Abgrenzung Bearbeiten

Ammoniak kann bei genügend hohen Temperaturen (<700 °C) in Wasserstoff und Stickstoff aufgespalten werden.[10][11][12] Der so gewonnene Wasserstoff kann in einer geeigneten Wasserstoff-Sauerstoff-Brennstoffzelle umgesetzt werden.[12] Im Gegensatz dazu kann man die hier behandelte Brennstoffzelle, die Ammoniak ohne die vorherige Umsetzung zu Wasserstoff verwerten kann, auch als Direkt-Ammoniak-Brennstoffzelle bezeichnen.[13]

Historisches Bearbeiten

Die Entwicklung der Ammoniak-Sauerstoff-Brennstoffzelle erfolgte in den 1960er Jahren bei amerikanischen Industrieunternehmen wie Allis-Chalmers (1961[14]), Lockheed Missiles and Space Co. (1963[15]) und General Electric (1967[15]). Eine erste allgemein zugängliche Veröffentlichung mit Daten zu einer Ammoniak-Brennstoffzelle erschien 1968.[15] Sie nutzte konzentrierte Kalilauge als Elektrolyt[15] und gehört damit zum Typ der alkalischen Brennstoffzelle (AFC). Ab 1980 wurden dann auch Festoxidbrennstoffzellen (SOFC) mit Ammoniak betrieben.[16][9]

Typen (Bauformen) von Ammoniak-Brennstoffzellen Bearbeiten

Verschiedene Ammoniak-Brennstoffzellen unterscheiden sich insbesondere im Elektrolyten, der Kathode und Anode voneinander trennen muss, aber auch in den Temperaturbereichen, in denen sie betrieben werden. Es gibt bisher vor allem die folgenden drei Haupttypen:[17]

  1. Zellen mit einer Polymerelektrolytmembran, beispielsweise aus Nafion 117 oder ähnlichem. Sie können mit Temperaturen zwischen 25 °C und 100 °C betrieben werden.
  2. Zellen mit einem oxidischen Festelektroyten, der Sauerstoffionen O2− leitet, beispielsweise YSZ oder Cer(IV)-oxid mit Samariumdotierung. Sie benötigen Temperaturen von mindestens 500 °C, beispielsweise 700 °C, bis zu 1000 °C.
  3. Zellen mit einem oxidischen Festelektroyten, der Protonen H+ leitet, beispielsweise solche, die sich vom Nickel(II)-oxid ableiten. Sie wurden im Temperaturbereich von 450 °C bis 750 °C betrieben.[17]

Reaktionsgleichungen Bearbeiten

Für die Reaktion in alkalischen Lösungen gelten die Reaktionsgleichungen:[6][7]

  • Anode, Minuspol, Oxidation:    
  • Kathode, Pluspol:    
  • Gesamtreaktion:    

In einer Zelle mit 54 % KOH konnte bei einer Stromdichte von 0,4 A/cm² eine Spannung von etwa 0,6 V erhalten werden.[15]

Für die Reaktion in Festoxidbrennstoffzellen mit Festoxiden, die Oxidionen   leiten, gelten die Reaktionsgleichungen:

  • Anode, Minuspol, Oxidation:    .
    Die Reaktion verläuft über Teilschritte:[6][7]
    •  
    •  
      Da das Zwischenprodukt Stickstoffmonoxid NO auftritt, kann es auch im Abgas der Zelle vorkommen[18], aus dem es gegebenenfalls entfernt werden muss. Es ist auch möglich, die Zelle im Hinblick auf eine hohe Ausbeute an NO zu optimieren, das dann weiter zu Salpetersäure verarbeitet werden kann.[16][19]
  • Kathode, Pluspol, Reduktion:    
  • Gesamtreaktion:    

Für die Zellen mit Festoxiden, die Protonen leiten, gelten die Gleichungen:

  • Anode, Minuspol, Oxidation:    
  • Kathode, Pluspol:    
  • Gesamtreaktion:    

Aktuelle Forschung Bearbeiten

2017 begonnene Forschungsprojekte zielen beispielsweise darauf ab, Ammoniak-Brennstoffzellen zu entwickeln, die im Verkehrssektor eingesetzt werden können[20], oder die auf kostengünstigen Festoxidbrennstoffzellen basieren und die bei relativ niedriger Temperatur arbeiten können.[21]

Das Projekt Ship FC, das an diversen alternativen Antrieben forschenden Maritime Cleantech[22], entwickelt derzeit, unter Beteiligung des Mainzer Fraunhofer IMM, eine Ammoniak-Brennstoffzelle für Schiffe.[23]

Siehe auch Bearbeiten

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Neil V. Rees, Richard G. Compton: Carbon-free energy: a review of ammonia- and hydrazine-based electrochemical fuel cells. In: The Royal Society of Chemistry (Hrsg.): Energy & Environmental Science. Band 4, Nr. 4, 2011, ISSN 1754-5692, S. 1255, doi:10.1039/c0ee00809e (rsc.org).
  2. Weltweit erste Hochtemperatur-Brennstoffzelle mit Ammoniak für Schiffe. Abgerufen am 6. Dezember 2022.
  3. futurefuelsadmin: Grünes Ammoniak: Rohstoff, Energieträger und Kraftstoff in der Seefahrt. In: future:fuels. 27. Juni 2022, abgerufen am 6. Dezember 2022 (deutsch).
  4. — This ammonia powered fuel catalytic converter is unique! - Zpirit. In: ShipFC. Abgerufen am 6. Dezember 2022 (amerikanisches Englisch).
  5. a b c Peter Kurzweil: Brennstoffzellentechnik. Grundlagen, Komponenten, Systeme, Anwendungen. 2., überarbeitete und aktualisierte Auflage. Springer Vieweg, Wiesbaden 2013, ISBN 978-3-658-00085-1, S. 6; 74; 126; 228; 230, doi:10.1007/978-3-658-00085-1.
  6. a b c d Ahmed Afif, Nikdalila Radenahmad, Quentin Cheok, Shahriar Shams, Jung H. Kim: Ammonia-fed fuel cells: a comprehensive review. In: Renewable and Sustainable Energy Reviews. Band 60, Juli 2016, S. 822–835, doi:10.1016/j.rser.2016.01.120 (elsevier.com).
  7. a b c d e Rong Lan, Shanwen Tao: Ammonia as a Suitable Fuel for Fuel Cells. In: Frontiers Research Foundation (Hrsg.): Frontiers in Energy Research. Band 2, 28. August 2014, ISSN 2296-598X, 35, doi:10.3389/fenrg.2014.00035 (frontiersin.org).
  8. a b Hellmuth Nordwig: Alternative Energieerzeugung – Forscher untersuchen Ammoniak-Brennstoffzelle. In: Forschung aktuell. Deutschlandradio, 22. November 2013, abgerufen am 17. Juni 2019.
  9. a b c Hermann Matschiner: Nutzung von Ammoniak zur Energieerzeugung. In: Archiv. Fördergesellschaft Erneuerbare Energien e. V. fee-ev.de, 10. Dezember 2007, ehemals im Original (nicht mehr online verfügbar); abgerufen am 17. Juni 2019.@1@2Vorlage:Toter Link/fee-ev.de (Seite nicht mehr abrufbar. Suche in Webarchiven)
  10. Marion O'sullivan: Hydrogen breakthrough could be a game-changer for the future of car fuels. In: Chemistry, Materials Science. Science X Network, phys.org, 24. Juni 2014, abgerufen am 17. Juni 2019 (amerikanisches Englisch).
  11. Trevor Brown: GenCell launches commercial alkaline fuel cell using cracked ammonia fuel. In: Ammonia Energy. Ammonia Energy, 6. Juli 2018, abgerufen am 18. Januar 2024 (englisch).
  12. a b Herbie Schmidt: Neue Hoffnung für Brennstoffzelle durch Wasserstoff aus Ammoniak | NZZ. Neue Zürcher Zeitung, 8. August 2018, ISSN 0376-6829 (nzz.ch [abgerufen am 17. Juni 2019]).
  13. Patrick Karl Ewald Preuster: Entwicklung eines Reaktors zur Dehydrierung chemischer Wasserstoffträger als Bestandteil eines dezentralen, stationären Energiespeichers. Dissertation an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Erlangen-Nürnberg 7. März 2017, Stand der Technik, S. 8–9 (kobv.de [PDF; 17,8 MB; abgerufen am 1. April 2019]).
  14. R. A. Wynveen: The Preliminary Appraisal of the Ammonia Fuel Cell System. In: American Chemical Society, Division of Petroleum Chemistry (Hrsg.): ACS Division Proceedings. Meeting 140: September 3-8, 1961, Chicago, IL, Symposium on Fuel Cells, September 1961, S. B49-B59 (acs.org [PDF]).
  15. a b c d e Elton James Cairns, E. L. Simons, Arthur D. Tevebaugh: Ammonia–Oxygen Fuel Cell. In: Nature. Band 217, Nr. 5130, Februar 1968, ISSN 0028-0836, S. 780–781, doi:10.1038/217780a0 (nature.com).
  16. a b Roger D. Farr, Constantinos G. Vayenas: Ammonia High Temperature Solid Electrolyte Fuel Cell. In: The Electrochemical Society ECS (Hrsg.): Journal of The Electrochemical Society. Band 127, Nr. 7, 1980, S. 1478, doi:10.1149/1.2129934 (ecsdl.org).
  17. a b Yuqi Guo, Zhefei Pan, Liang An: Carbon-free sustainable energy technology: Direct ammonia fuel cells. In: Journal of Power Sources. Band 476, 15. November 2020, ISSN 0378-7753, S. 228454, doi:10.1016/j.jpowsour.2020.228454 (sciencedirect.com).
  18. Jason C. Ganley: Ammonia Fuel Cell Systems. 2005 Annual NH3 Fuel Conference • Ammonia — The Key to a Hydrogen Economy October 13-14, 2005 • Argonne National Laboratory. NH3 Fuel Association, Oktober 2005, abgerufen am 18. Juni 2019 (englisch).
  19. Constantinos G. Vayenas, Roger D. Farr: Cogeneration of Electric Energy and Nitric Oxide. In: Science. Band 208, Nr. 4444, 9. Mai 1980, ISSN 0036-8075, S. 593–594, doi:10.1126/science.208.4444.593 (sciencemag.org).
  20. Direct Ammonia Fuel Cells for Transport Applications. In: Transportation Fuels. Advanced Research Projects Agency – Energy arpa-E, U.S. Department of Energy, 15. Dezember 2016, abgerufen am 18. Juni 2019 (englisch).
  21. Cost-effective, Intermediate-temperature Fuel Cell for Carbon-free Power Generation. In: Transportation Fuels. Advanced Research Projects Agency – Energy arpa-E, U.S. Department of Energy, 15. Dezember 2016, abgerufen am 18. Juni 2019 (englisch).
  22. Some of our projects. Abgerufen am 6. Dezember 2022 (britisches Englisch).
  23. Forschung Kompakt – ShipFC – Fraunhofer IMM. Abgerufen am 6. Dezember 2022.