Amerikanische Kiefernwanze

Art der Gattung Leptoglossus

Die Amerikanische Kiefern- oder Zapfenwanze (Leptoglossus occidentalis) ist eine Wanze aus der Familie der Randwanzen (Coreidae). Das ursprüngliche Verbreitungsgebiet der Art umfasst den Westen Nordamerikas westlich der Rocky Mountains. Durch Verschleppung und eigene Ausbreitung hat die Art ihr Areal in Nordamerika seit Mitte der 1950er Jahre bis an die Ostküste der USA ausgedehnt. Wiederum durch Einschleppung wurde die Art 1999 erstmals in Europa nachgewiesen und hat sich seitdem als Neozoon über weite Teile Europas ausgebreitet.

Amerikanische Kiefernwanze

Amerikanische Kiefernwanze (Leptoglossus occidentalis)

Systematik
Ordnung: Schnabelkerfe (Hemiptera)
Unterordnung: Wanzen (Heteroptera)
Familie: Randwanzen (Coreidae)
Unterfamilie: Coreinae
Gattung: Leptoglossus
Art: Amerikanische Kiefernwanze
Wissenschaftlicher Name
Leptoglossus occidentalis
(Heidemann, 1910)
2. Nymphenstadium
5. Nymphenstadium

In Plantagen zur Gewinnung von Koniferen-Saatgut verursacht die Art Ertragsminderungen durch das Saugen an den Zapfen. Daher wird sie in den USA als Schädling eingestuft. Sonstige wirtschaftlich relevante Schadwirkungen sind aber bisher weder aus Nordamerika noch aus Europa bekannt.

Beschreibung Bearbeiten

Amerikanische Kiefernwanzen sind vergleichsweise große und auffällige Wanzen. Die mit langen Fühlern ausgestatteten Tiere haben eine Körperlänge von 15 bis 20 Millimeter und sind 5 bis 7 Millimeter breit. Die Tibien der Hinterbeine sind auffällig verbreitert. Die Oberseite ist rötlich braun bis schwarz, in der Mitte der Flügeldecken verläuft quer ein charakteristisches, schmal weißes Zickzackband, dieses kann aber auch schwach ausgeprägt sein oder fehlen. Die Oberseite des Abdomens zeigt, nur im Flug sichtbar und sonst von den Flügeln verdeckt, auf orangem oder gelbem Grund fünf schwarze Querbänder.[1]

Die Tiere sind gute Flieger, Flugweise und das laute Summen ähneln dem Flug von Hummeln.[2] Wenn man sie berührt, sondern sie ein Sekret ab, das an den Geruch einer grünen Banane erinnert.

Verwechslungsmöglichkeiten Bearbeiten

In Europa kann die Amerikanische Kiefernwanze mit den hier heimischen Arten nicht verwechselt werden. In Nordamerika kann sie mit der Amerikanischen Kiefernnadelwanze (Leptoglossus corculus) verwechselt werden. Diese hat jedoch einen dunkleren, fast schwarzen Hinterleib und die blattartigen Verbreiterungen der Tibien sind asymmetrisch.[3]

Verbreitung Bearbeiten

 
Amerikanische Kiefernwanze

Das ursprüngliche Verbreitungsgebiet der Art umfasst den Westen Nordamerikas westlich der Rocky Mountains von der kanadischen Provinz British Columbia bis Mexiko. Vermutlich durch Verschleppung wurde die Art 1956 erstmals weit östlich der Rocky Mountains im Bundesstaat Iowa festgestellt, von dort aus breitete sie sich schnell aus und erreichte 1990 im Bundesstaat New York die Ostküste der USA.[4] Die Verbreitung von L. occidentalis erstreckt sich inzwischen nach Nordosten bis in die kanadische Provinz New Brunswick.[1]

In Europa wurde die Amerikanische Kiefernwanze zuerst 1999 in Norditalien gemeldet. Wie die Art von Nordamerika dorthin gelangte, ist nicht bekannt; als mögliche Einschleppungswege gelten Importe von Weihnachtsbäumen, Saatgut oder Baumaterial.[5] Durch eigene Ausbreitung und weitere unbeabsichtigte Einschleppungen hat sie sich seitdem über weite Teile Europas ausgebreitet. Unter anderem erreichte die Art die Schweiz 2002, Slowenien und Spanien 2003, Kroatien und Ungarn 2004, Österreich 2005, Frankreich und Deutschland 2006, Tschechien, Polen, Belgien und Großbritannien 2007, die Slowakei und Bulgarien 2008, Dänemark und Norwegen 2009, die Ukraine 2011.[4][6][7][8][9][10] Außerdem wurde L. occidentalis 2008 in Tokio nachgewiesen.[11]

Lebensweise Bearbeiten

L. occidentalis bildet im größten Teil ihres Verbreitungsgebietes nur eine Generation im Jahr aus (univoltin), nur in Mexiko werden mehrere Generationen im Jahr gebildet. Die Art ist polyphag[1], die Imagines saugen an den jungen Samen und Blüten von Nadelbäumen, vor allem an Kiefern (Pinus spp.), aber auch an Douglasie (Pseudotsuga menziesii), Weiß-Fichte (Picea glauca) und anderen Arten.[12][6] Die Art ist dabei sehr anpassungsfähig und saugt in neu besiedelten Arealen jeweils auch an den dort vorkommenden Nadelbaumarten, in Nordamerika zum Beispiel auch an der dort aus Europa eingeführten Schwarzkiefer (Pinus nigra).[1] In Gefangenschaft saugten die Tiere auch an den Früchten der Pistazie (Pistacia vera).[12]

Die Eiablage erfolgt überwiegend nach der Überwinterung ab Ende Mai oder Anfang Juni. Die Weibchen legen bis zu 80 zylindrische[4], etwa 2 mm lange[2] Eier in Reihen an die Nadeln der Wirtspflanzen. Die Nymphen schlüpfen nach 10 bis 14 Tagen.[1] Das erste Nymphenstadium saugt an Nadeln und wasserspeicherndem Gewebe der Zapfen, die weiteren Nymphenstadien saugen an den Samen. Die Tiere durchlaufen fünf Nymphenstadien und häuten sich etwa im August zur Imago, die überwintert.[12][1] Zur Überwinterung werden geschützte Bereiche wie Greifvogelnester, Nester von Nagetieren, Hohlstellen unter Baumrinde oder Gebäude aufgesucht.[12] Männchen geben dabei ein Aggregationspheromon ab, wodurch es in Winterquartieren zu großen Ansammlungen mit bis zu 2000 Tieren kommen kann.[1][4]

In Amerika entstehen nur aus etwa 10 % der abgelegten Eier Imagines. Wichtige Regulatoren der Wanzenpopulationen sind dort neben Fressfeinden auch Eiparasitoide, insbesondere der Hautflügler Gryon pennsylvanicum aus der Familie Scelionidae. In Italien wurde eine Parasitierung durch die Erzwespe Anastatus bifasciatus (Familie Eupelmidae), einen in Europa heimischen Eiparasitoiden, festgestellt.[1]

Amerikanische Kiefernwanze und Mensch Bearbeiten

Bei der Gewinnung von Koniferen-Saatgut verursacht die Art Ertragsminderungen durch das Saugen an den Zapfen[13] und wird in den USA daher als Schädling eingestuft. Die Samen bleiben äußerlich intakt, zeigen sich auf Röntgenaufnahmen aber als leer oder als nur teilweise gefüllt. Schätzungen von Saatgutverlusten, die durch Amerikanische Kiefernwanzen verursacht werden, sind ungenau; für die Douglasie reichen sie von weniger als 5 % bis 50 %.[14] Eine direkte Schädigung der Samenbäume erfolgt jedoch nicht. Sonstige wirtschaftlich relevante Schadwirkungen sind bisher weder aus Nordamerika noch aus Europa bekannt.

Die Art gilt in den USA außerdem durch den gelegentlich massenhaften herbstlichen Einflug in Wohnungen und Häuser als „Lästling“, die Tiere sind jedoch völlig harmlos.[1] Im Herbst 2018 trat die Amerikanische Kiefernwanze nach einem für ihre Vermehrung günstigen heißen Sommer in Deutschland in großer Zahl auf. Sie drang auf der Suche nach warmen Plätzen auch in Wohnungen ein, was von manchen Menschen als „Invasion“ empfunden wurde.[15][16]

Literatur Bearbeiten

  • J. E. McPherson, R. J. Packauskas, S. J. Taylor, M. F. O'Brien: Eastern range extension of Leptoglossus occidentalis with a key to Leptoglossus species of America North of Mexico (Heteroptera: Coreidae). In: The Great Lakes Entomologist. 23, Heft 2, 1990, S. 99–103. (Online, PDF)
  • W. Rabitsch, E. Heiss: Leptoglossus occidentalis HEIDEMANN, 1910, eine amerikanische Adventivart auch in Österreich aufgefunden. In: Berichte des Naturwissenschaftlich-Medizinischen Vereins in Innsbruck. Band 92, Dez. 2005, S. 131–135. (Online, PDF)
  • E. Wachmann, A. Melber & J. Deckert (2007), Wanzen 3 - Tierw. Deutschlds., 78, S. 206–207, ISBN 978-3-937783-29-1

Weblinks Bearbeiten

Commons: Amerikanische Kiefernwanze (Leptoglossus occidentalis) – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. a b c d e f g h i Wolfgang Rabitsch, Ernst Heiss: Leptoglossus occidentalis HEIDEMANN, 1910, eine amerikanische Adventivart auch in Österreich aufgefunden. In: Berichte des Naturwissenschaftlich-Medizinischen Vereins in Innsbruck. Band 92, Dez. 2005, S. 131–135. (Online, PDF)
  2. a b Steve Jacobs Western: Conifer Seed Bug – Leptoglossus occidentalis. Pennsylvania State University, Department of Entomology 2010 (online, abgerufen am 9. November 2010)
  3. Bernhard Perny: Außergewöhnliches Insektenauftreten in letzter Zeit. In: Forstschutz Aktuell. 45, 2008 (Online; PDF; 243 kB)
  4. a b c d François Dusoulier, Roland Lupoli, Henri-Pierre Aberlenc, Jean-Claude Streito: The eastern invasion of Leptoglossus occidentalis (Coreidae) in France, 2007. In: Het News. 12, 2008: S. 10–12. Online als PDF (Engl. Übersetzung des französischen Artikels, Original erschienen in: L’Entomologiste. 63, 6, 2007, S. 303–308.)
  5. S. J. Taylor, G. Tescari, M. Villa: A Nearctic pest of Pinaceae accidentally introduced into Europe: Leptoglossus occidentalis (Heteroptera: Coreidae) in northern Italy. In: Ent. News. 112 Heft 2, 2001, S. 101–103.(Online als PDF)
  6. a b Jerzy A. Lis, Barbara Lis, Jerzy Gubernator: Will the invasive western conifer seed bug „Leptoglossus occidentalis“ Heidemann (Hemiptera: Heteroptera: Coreidae) seize all of Europe? In. Zootaxa 1740, 2008, S. 66–68.
  7. Marek Barta: New facts about distribution and host spectrum of the invasive nearctic conifer pest, Leptoglossus ccidentalis (Heteroptera: Coreidae) in south-western Slovakia. Folia faunistica Slovaca, 2009, 14 (23), S. 139–142, Online (PDF; 1,7 MB).
  8. Nikolay Simov: Western conifer seed bug Leptoglossus occidentalis Heidemann, 1910 (Heteroptera: Coreidae) already in Bulgaria. In: Historia naturalis bulgarica. 19, 2008, S. 179–180, (Online (PDF; 581 kB) (Memento vom 26. August 2016 im Internet Archive))
  9. Mjøs, A. T., Nielsen, T. R. & Ødegaard, F.: The Western Conifer Seed Bug (Leptoglossus occidentalis Heidemann, 1910) (Hemiptera, Coreidae) found in SW Norway. In: Norw. J. Entomol. 57, 2010: S. 20–22. (Online, PDF; 617 kB (Memento des Originals vom 9. März 2021 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.nina.no).
  10. Putshkov, P. V., Gubin, A. I., Popov, G. V., Kalesnik, V. I. & Syzhko, V. V.: The North American intruder Leptoglossus occidentalis Heidemann (Heteroptera: Coreidae) settled down in Ukraine. Ukrainska Entomofaunistyka 3 (3), 1–3 (Online als PDF)
  11. T. Ishikawa, Y. Kikuhara: „Leptoglossus occidentalis“ Heidemann (Hemiptera: Coreidae), a presumable recent invader to Japan. In: Japanese Journal of Entomology (New Series). 12 (3) 2009, S. 115–116.
  12. a b c d J. E. McPherson, R. J. Packauskas, S. J. Taylor, M. F. O'Brien: Eastern range extension of Leptoglossus occidentalis with a key to Leptoglossus species of America North of Mexico (Heteroptera: Coreidae). In: The Great Lakes Entomologist. 23, Heft 2, 1990, S. 99–103.
  13. Beat Wermelinger: Die Amerikanische Kiefernwanze. In: Eidg. Forschungsanstalt WSL, Birmensdorf (Hrsg.): g'plus die Gärtner-Zeitschrift. Januar 2011, S. 45 ([1] [PDF]).
  14. Sarah L. Bates, Cameron G. Lait, John H. Borden, Allison R. Kermode: Effect of feeding by the western conifer seed bug, Leptoglossus occidentalis, on the major storage reserves of developing seeds and on seedling vigor of Douglas-fir. In: Tree Physiology 21, 2001: S. 481–487 (Online; PDF; 273 kB)
  15. Stuttgarter Zeitung: Wanzen in Stuttgart - Experte erklärt, woher die vielen Wanzen kommen 18. Oktober 2018, abgerufen am 20. Oktober 2018.
  16. Pforzheimer Zeitung: Leserfrage: Regelrechte Invasion – Was sind das für Krabbeltiere? (Memento vom 20. Oktober 2018 im Internet Archive) 18. Oktober 2018, abgerufen am 20. Oktober 2018.