Alfred Roth (Politiker)

deutscher Bundeswart des Reichshammerbund und Politiker (DVP, NSDAP), MdR

Alfred Roth (* 27. April 1879 in Stuttgart; † 9. Oktober 1948 in Hamburg-Bergedorf) bzw. mit Pseudonym Otto Armin war ein radikaler antisemitischer Agitator, Bundeswart des Reichshammerbunds und Hauptgeschäftsführer des Deutschvölkischen Schutz- und Trutzbunds.

Leben Bearbeiten

Nach dem Besuch der Bürgerschule und der kaufmännischen Fortbildungsschule in Stuttgart hörte Roth Vorlesungen an der Oberschulbehörde in Hamburg. Er absolvierte eine Lehre zum Kaufmann, trat 1900 in die Leitung des Deutschnationalen Handlungsgehilfenverbandes ein und blieb bis zum Sommer 1917 in dieser Funktion. Anschließend war er bis zum Frühjahr 1919 Sozialsekretär bei den Rheinischen Stahlwerken in Duisburg-Meiderich. Ab 1912 war er ehrenamtliches Mitglied in der Reichsversicherungsanstalt für Angestellte.

Roth diente als Einjährig-Freiwilliger im Infanterie-Regiment „Kaiser Friedrich, König von Preußen“ (7. Württembergisches) Nr. 125, aus dem er im November 1918 als Hauptmann der Reserve entlassen wurde. Im Ersten Weltkrieg wurde er viermal verwundet und erhielt u. a. das Verwundetenabzeichen in Silber, beide Klassen des Eisernen Kreuzes und das Ritterkreuz des Württembergischen Militärverdienstordens am 5. Oktober 1916.[1]

Im 1912 gegründeten Reichshammerbund war Roth aktives Mitglied, bis er 1920 zum weit bekannteren Deutschvölkischen Schutz- und Trutzbund übertrat. Ihn leitete er von 1918 bis 1933 als Hauptgeschäftsführer, trotz des mit allen diktatorischen Vollmachten ausgestatteten Vorsitzenden Konstantin Freiherr von Gebsattel (1854–1932).[2] Unter der Federführung von Roth als führendem Mitarbeiter des Deutschnationalen Handlungsgehilfen-Verbands und überzeugtem Antisemiten verfolgte der Reichshammerbund primär rassistische Ziele und propagierte die Erneuerung des deutschen Volkstums.

1921 diffamierte er in einer Hetzschrift das „System Ballin-Rathenau“ als Ursache für die Niederlage Deutschlands und unterstützte damit die antisemitische und verschwörungstheoretische Komponente innerhalb der Dolchstoßlegende: „Während der deutsche Soldat an der Front mit der Waffe in der Hand sein Vaterland verteidigte“, so der Tenor der antisemitischen Propaganda, habe sich „der Jude in der Heimat skrupellos an der Not des deutschen Volks bereichert“. Nachdem der Deutschvölkische Schutz- und Trutzbund in Hamburg 1922 verboten worden war, zog Roth zurück in sein Heimatland Württemberg und gab dort sein rechtsradikales Blatt Reichssturmfahne. Im Mai 1923 wurde er wegen öffentlicher Beleidigung von Walther Rathenau zu einer Geldstrafe von 500.000 Reichsmark oder 100 Tagen Gefängnis verurteilt. Der Staatsgerichtshof in Leipzig erteilte Roths Antisemitismus und dessen rassistisch motivierten Anwürfen gegen Rathenau zwar eine klare Absage, dennoch hielt es sich bei der allgemeinen Bewertung des Rassismus äußerst bedeckt.[3]

Im Mai 1924 wurde Roth auf Reichswahlvorschlag für die Deutschnationale Volkspartei in den Reichstag gewählt. Im Mai 1928 kehrte er nach Hamburg-Bergedorf zurück, da er hier eine Rente des Deutschnationalen Handlungsgehilfenverbandes bezog. Im selben Jahr trat er der NSDAP bei, musste sie aber 1931 oder 1932 wieder verlassen, da er sich weigerte, den Alldeutschen Verband zu verlassen, dem er schon seit der Kaiserzeit angehörte. Als Mitglied des Stahlhelms hatte er ab 1933 in der NSDAP einen Gaststatus und wurde wegen seiner Verdienste für die völkische Erneuerung des deutschen Volkes mehrfach geehrt. Im selben Jahr zog er auf der Bergedorfer Liste Kampffront Schwarz-Weiß-Rot in die Bürgervertretung ein. Bei der Reichstagswahl 1936 kandidierte er erfolglos für die NSDAP auf dem hinteren Listenplatz Nummer 1026. Nach mehreren erfolglosen Versuchen gab die NSDAP seinem Antrag auf Wiedereintritt 1943 statt.[4]

Werke (Auswahl) Bearbeiten

  • Das kaufmännische Fortbildungsschulwesen in Deutschland: sein gegenwärtiger Stand und seine fernere Ausgestaltung. Deutschnationaler Handlungsgehilfen-Verband, Hamburg 1903.
  • Unterlagen zur Schaffung eines Gesetzes betr. die staatliche Pensions-Versicherung der Privatangestellten: nach amtlichen und sonstigen Quellen. Hanseatische Druck- und Verlags-Anstalt, Hamburg 1907.
  • Auf Sturmes Schwingen. Erinnerungen an die Sturm- und Drangjahre. In: Festschrift zum elften deutschen Handlungsgehilfentag und elften Verbandstag des Deutschnationalen Handlungsgehilfen-Verbandes 11. bis 15. Juni 1909 in Stuttgart. Ortsgruppe Stuttgart des DHV, Stuttgart 1909, S. 10–18.
  • Die wirtschaftliche Lage der deutschen Handlungsgehilfen i. J. 1908, Teil 2: Die Gehaltsfrage der Handlungsgehilfen. Verlag der Buchhandlung des D.H.V., Hamburg 1911.
  • Vaterländische Jugendpflege: Vortrag gehalten auf dem 13. Deutschen Handlungsgehilfentag am 15. Juni 1913 in Frankfurt am Main. Buchhandlung des Deutschnationalen Handlungsgehilfenverbandes, Hamburg 1913.
  • Zwölf Kriegsaufsätze: Zur Aufmunterung Mahnung und Warnung aller Deutschen geschrieben. Verlag des Reichs-Hammer-Bundes, Hamburg 1917.
  • unter dem Pseudonym Otto Armin: Die Juden im Heere: eine statistische Untersuchung nach amtlichen Quellen. Deutscher Volks-Verlag, München 1919.
  • Geheime Fäden im Weltkriege. Deutschvölkische Verlags-Anstalt, München 1919 (Hammer-Schläge; 2).
  • Deutschvölkischer Schutz-und Truz-Bund: Unser Wollen-unsere Aufgabe. Sleipner, Hamburg 1920.
  • Die Juden in den Kriegs-Gesellschaften und in der Kriegs-Wirtschaft. Deutscher Volksverlag, Dr. Ernst Boepple, München 1921.
  • Unser Wollen – unsere Arbeit: Eine Antwort auf die Frage nach Zweck und Ziel des Deutschvölkischen Schutz und Truz Bundes. Schwitzke & Meißner, Hamburg 1921.
  • Das sollt ihr tun! Buch- und Kunstdruckerei W. Heimberg, Stade 1921.
  • Rathenau: „Der Kandidat des Auslandes“. Deutschvölkische Verlagsanstalt, Hamburg 1922.
  • Der Judenpranger: ein Spiegelbild der jüdischen Seele: dargestellt nach namenlosen Briefen und Zuschriften von Juden und Jüdinnen gerichtet an. Deutschvölkische Verlagsanstalt, Hamburg 1922.
  • Judas Herrschgewalt: die Deutschvölkischen im Lichte der Behörden und des Staatsgerichtshofes ; eine Streitschrift. Deutschvölkische Verlags-Anstalt, Hamburg 1923.
  • Meine Verteidigungsrede vor dem Staatsgerichtshof zum Schutze der Republik in Leipzig. Deutschvölkischer Verlag, Stuttgart 1923.
  • Der völkische Gedanke und die Studentenschaft: Vortrag gehalten auf Veranlassung des Hochschulringes in der Aula der Technischen Hochschule Stuttgart am 2. November 1923. Belser, Stuttgart 1923.
  • Einsichten und Bekenntnisse. Deutschvölkischer Verlag, Stuttgart 1924.
  • Von Rathenau zu Barmat: der Leidensweg des deutschen Volkes. Roth, Stuttgart 1925.
  • Die Bedeutung der Kriegsschuldlüge: Vortrag, gehalten im Krieger- u. Militärverein „Kaiser Friedrich“ Stuttgart. Belser, Stuttgart 1926.
  • So sah ich den Krieg: Briefe aus dem Felde und aus Lazaretten. Bd. 1: 1914 bis 1916. Hoffmann, Leipzig 1930.
  • Aus der Kampfzeit des Deutschvölkischen Schutz- und Trutzbundes eine Erinnerungsschrift. Schwitzke, Hamburg 1939.
  • Auf gerader Linie: ein Rückblick auf 45 Jahre Kampf ums Deutschtum. Hamburg-Bergedorf 1944.

Literatur Bearbeiten

  • Walter Jung: Ideologische Voraussetzungen, Inhalte und Ziele außenpolitischer Programmatik und Propaganda in der deutschvölkischen Bewegung der Anfangsjahre der Weimarer Republik – Das Beispiel Deutschvölkischer Schutz- und Trutzbund. Göttingen 2000 (PDF; 5,4 MB)
  • Uwe Lohalm, Martin Ulmer: Alfred Roth und der Deutschvölkische Schutz- und Trutz-Bund »Schrittmacher für das Dritte Reich«. In: Daniel Schmidt, Michael Sturm, Massimiliano Livi (Hrsg.): Wegbereiter des Nationalsozialismus. Personen, Organisationen und Netzwerke der extremen Rechten zwischen 1918 und 1933 (= Schriftenreihe des Instituts für Stadtgeschichte. Bd. 19). Klartext, Essen 2015, ISBN 978-3-8375-1303-5, S. 21 ff.
  • Hans Peter Müller: Alfred Roth (1879-1948) im Deutschnationalen Handlungsgehilfen-Verband. Die „Lehr- und Gesellenjahre“ eines Berufsantisemiten, in: Jahrbuch für Antisemitismusforschung, 22 (2013), S. 179–206
  • Elke Kimmel: Roth, Alfred, in: Handbuch des Antisemitismus, Band 2/2, 2009, S. 695f.
  • Uwe Lohalm: Alfred Roth (1879–1948), in: Hamburgische Biografie. Personenlexikon, Hrsg. von Franklin Kopitzsch u. Dirk Brietzke, Bd. 2, Christians, Hamburg 2003, S. 351–352, ISBN 3-7672-1366-4
  • Uwe Lohalm: Völkischer Radikalismus. Die Geschichte des Deutschvölkischen Schutz- und Trutz-Bundes 1919–1923 (=Hamburger Beiträge zur Zeitgeschichte VI), Leibniz, Hamburg 1970, ISBN 3-87473-000-X

Weblinks Bearbeiten

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Otto von Moser: Die Württemberger im Weltkriege. 2. erweiterte Auflage, Chr. Belser AG, Stuttgart 1928, S. 118.
  2. Deutsches Historisches Museum: Deutschvölkischer Schutz- und Trutzbund
  3. Alfred Roth: Meine Verteidigungsrede vor dem Staatsgerichtshof in Leipzig zu dem Antrage des Oberreichsanwalts gegen mich auf acht Monate Gefängnis zu erkennen. In: Der Staatsgerichtshof und der völkische Gedanke. Hamburg 1923, S. 13 (Gedruckt als Auszug aus der ausführlichen Verhandlungsschrift)
  4. Alfred Dreckmann: In Bergedorf war alles genauso ! Der Kampf um die Weimarer Republik und Arbeiterwiderstand gegen den Faschismus, Herausgeber: Verein der Freunde des Museums für Bergedorf und die Vierlande, Schlossheft Nr. 9, Hamburg-Bergedorf 2003, S. 28–30