Afrobrasilianer

Ethnie
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Afrobrasilianer ist eine Bezeichnung für Brasilianer mit afrikanischen Vorfahren. In der Regel wird der Begriff eher kulturell als ethnisch verwendet. Damit unterscheidet er sich von der nordamerikanischen Bezeichnung Afroamerikaner.

Jean-Baptiste Debret: Joueur d'Uruncungo (1826). Ein afrikanischer Sklave spielt Berimbau.

In Brasilien leben die meisten Nachfahren von Afrikanern außerhalb Afrikas. Bei der Volkszählung 2022 bezeichneten sich 10,6 % der Befragten als schwarz (preto) und 45,3 % als gemischter Abstammung (pardo).[1]

Geschichte Bearbeiten

 
Sklaverei in Brasilien, Gemälde von Jean-Baptiste Debret (1826).

Nachdem sich die indigene Bevölkerung aus Sicht der Europäer als ungeeignet für die Arbeit auf den Zuckerrohrplantagen erwiesen hatte, begann die Kolonialmacht Portugal um 1550, Afrikaner zu importieren. Mehr als 3 Millionen Sklaven, etwa 37 % aller nach Amerika verschleppten Afrikaner, wurden nach Brasilien gebracht.

Während der kolonialen Epoche Brasiliens war die Sklaverei die Hauptstütze der brasilianischen Wirtschaft, besonders im Bergbau und bei der Produktion von Zuckerrohr. Sklaven erfuhren große Ausmaße an physischer und psychischer Gewalt von ihren „Besitzern“, wobei Peitschenhiebe gängig waren. Die Máscara de flandres wurde Sklaven zur Folter aufgezwungen, um sie vom Verzehr von Erde abzuhalten.[2]

1835/1836 wurden freigelassene afrobrasilianische Sklaven in Afrika wieder angesiedelt. Sie wurden Retornados genannt, Tabom in Ghana und Amarôs oder Agudás in Benin, Togo und Nigeria. Im 19. Jahrhundert betrieb eine Gruppe evangelikaler Politiker in Großbritannien Lobbyarbeit für die Abschaffung der Sklaverei in Brasilien. Neben moralischen Bedenken gab es auch handfeste wirtschaftliche Interessen: Die Kolonien Großbritanniens, in denen die Sklaverei verboten war, hatten dadurch Konkurrenznachteile gegenüber Brasilien. Darum verstärkte die britische Regierung den Druck auf Brasilien und erreichte am 13. Mai 1888 die endgültige Aufhebung der Sklaverei. Damit war Brasilien das letzte Land der westlichen Hemisphäre, das die Sklaverei abschaffte.

In Rio de Janeiro findet sich die Gedenk- und Forschungsstätte Cemitério dos Pretos Novos, einem Sklavenfriedhof, auf dem zwischen 20.000 und 30.000 umgekommene Sklaven in Massengräbern beerdigt wurden.

Ethnische Zusammensetzung der Afrobrasilianer Bearbeiten

 
Jean-Baptiste Debret: Afrikanische Sklavinnen (1826).

Die Afrikaner, die nach Brasilien verschleppt wurden, setzten sich im Wesentlichen aus zwei Gruppen zusammen. Die erste Gruppe kommt aus dem Sudan und Westafrika. Sie waren meist Yoruba, Fon, Aschanti, Ewe und Mandinka. Sie wurden hauptsächlich in Bahia zwangsangesiedelt.

Die zweite Gruppe waren Bantu aus Angola, dem Kongo und Mosambik, die hauptsächlich in Rio de Janeiro, Minas Gerais und dem Nordosten der zona mata angesiedelt wurden. In den letzten Jahrzehnten der Sklaverei kamen schwarze Kontraktarbeiter nach Brasilien, hauptsächlich aus dem portugiesischsprachigen Afrika.

Die Grundbezeichnung für Schwarze ist Negro oder Preto, während Mischlinge als Pardo (graubraun) bezeichnet werden, für deren Entwicklung der Hautpigmentierung sich in den letzten Jahrhunderten eine Vielzahl von Bezeichnungen für Mischlingskategorien gebildet hatten.

Religion Bearbeiten

Die meisten Afrobrasilianer sind Christen, hauptsächlich der römisch-katholischen Kirche sowie den Pfingstbewegung zuzuordnen. Daneben haben auch Religionen afrikanischen Ursprungs wie Candomblé Millionen Anhänger, die meisten davon Afrobrasilianer. Die Anhänger konzentrieren sich hauptsächlich auf die großen urbanen Zentren im Nordosten Brasiliens wie Salvador da Bahia, Recife. Rio de Janeiro im Südosten ist ein weiteres Zentrum. Auch in São Paulo und dem Bundesstaat Rio Grande do Sul gibt es Anhänger, meist Immigranten aus dem Nordosten. Neben Candomblé existiert unter anderem auch noch Umbanda, das eine Mischung aus afrikanischem Glauben und Spiritismus ist.

Früher wurden die afrobrasilianischen Religionen verfolgt, später wurden die Religionen von der brasilianischen Regierung legalisiert.

Weitere Varianten neben Candomblé und Umbanda sind unter anderem Batuque, der Xangô-Kult im Nordosten und Macumba.

Afrobrasilianische Küche Bearbeiten

 
Feijoada

Die Küche im Bundesstaat Bahia dominiert die afrobahianische Küche, die sich aus der west- und zentralafrikanischen, der amerikanisch-indianischen Küche und typisch portugiesischen Gerichten zusammensetzt.

Typische Gerichte sind Vatapá und Moqueca, beide werden mit Meeresfrüchten und Palmöl zubereitet. Palmöl (Azeite de Dendê) ist ein tropisches Öl, das aus der Ölpalme, die im Norden Brasiliens gedeiht, gewonnen wird.

Ein weiteres typisch brasilianisches Gericht ist Feijoada. Üblicherweise besteht es aus schwarzen Bohnen, Reis, Schweinefleisch und Farofa. Ursprünglich ein portugiesisches Gericht, entwickelten es die afrikanischen Sklaven weiter und führten einige minderwertige Bestandteile ein: Schweineohren, -füße und -taille und Bohnen. Es wurde von allen Kulturen weiterentwickelt und es gibt hunderte Zubereitungsarten.

Capoeira Bearbeiten

 
Capoeira oder der Tanz des Krieges von Johann Moritz Rugendas, 1835

Capoeira ist eine Kampfkunst, die in der Kolonialzeit Brasiliens von afrikanischen Sklaven eingeführt wurde. Es zeichnet sich durch flinke und trickreiche Bewegungen aus. Capoeira stammt aus Angola. Dort heißt es aber capoeira rhoda. Begleitet wird der Kampftanz von Perkussionsmusik, die auf dem Berimbau, Atabaques, der Agogô und Xequerês gespielt wird.

Musik Bearbeiten

 
Batuque-Trommeln und Xequerês

Die Musik der Afrobrasilianer beruht auf der Musik Afrikas. Sie betont sehr stark die Perkussion und ist von starken Synkopierungen und polyrhythmischen Strukturen geprägt.

Die Afrobrasilianer konnten die afrikanischen Traditionen eher beibehalten als die Sklaven in Nordamerika, da die portugiesischen Sklavenhalter dies weitgehend erlaubten. Die afrobrasilianische Musik hat sich dennoch stark mit portugiesischen und afrikanischen Einflüssen vermischt.

Musikstile mit besonders starkem afrobrasilianischen Anteil sind unter anderem die Musik des Candomblé, Samba, Maracatu, die Musik der Capoeira, Afoxê, Lundu und Batuque.

Zu den afrobrasilianischen Instrumenten gehören Atabaque, Agogô, Berimbau und Xequerê.

Literatur Bearbeiten

  • Chirly dos Santos-Stubbe, Hannes Stubbe: Kleines Lexikon der Afrobrasilianistik. Eine Einführung mit Bibliografie (= Kölner Beiträge zur Ethnopsychologie und transkulturellen Psychologie, Sonderband 3). Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2014, ISBN 978-3-8470-0182-9.
  • Jeffrey D. Needell: The Sacred Cause: The Abolitionist Movement, Afro-Brazilian Mobilization, and Imperial Politics in Rio de Janeiro. Stanford University Press, Stanford 2020, ISBN 978-1-5036-0902-0.
  • Elaine Rocha: Racism in novels. A comparative study of Brazilian and South American cultural history. Cambridge Scholars Publ., Newcastle upon Tyne 2010, ISBN 978-1-4438-2137-7.
  • Ricardo Salles: Episódios de historia afro-brasileira. DP & A Editora, Rio de Janeiro 2005, ISBN 85-7490-332-9.
  • Petra Schaeber: Die Macht der Trommeln. Olodum und die Blocos Afros aus Salvador/Bahia; afro-brasilianische Kultur und „Rassen“-Beziehungen. Edition Tilsner, Bad Tölz 2006, ISBN 978-3-936068-97-9 (zugl. Dissertation FU Berlin 2003, Nachweis auf FU Dissertationen Online).
  • Martiniano J. da Silva: Racismo à brasileira. Raízes históricas; um novo nível de reflexão sobre a história social do Brasil. Garibaldi, São Paulo 1995, ISBN 85-7277-006-2.
  • Edward E. Telles: Racial Classification. In: Ders.: Race in another America. The significance of skin color in Brazil. University Press, Princeton 2004, S. 81–84, ISBN 0-691-11866-3.
  • Jonathan W. Warren: Racial revolutions. Antiracism and Indian resurgence in Brazil. University Press, Durham, N.C. 2001, ISBN 0-8223-2731-7.

Weblinks Bearbeiten

Commons: Afrobrasilianer – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Instituto Brasileiro de Geografia e Estatística [1]
  2. Vilson Pereira dos Santos: Técnicas da tortura: Punições e castigos de escravos no Brasil escravista. In: Centro Científico Conhecer (Hrsg.): Enciclopédia Biosfera. Band 9, Nr. 16, 2013, S. 2403 (org.br [PDF]).